1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 „Da sind die zwei Single-Männer, die im Familienklub urlauben!“, unkte eine männliche Stimme hinter uns, die ihren österreichischen Dialekt nur schwer verbergen konnte. Wir drehten uns um. „Hi. Ich bin Steve.“ Ein Animateur. „Rick.“ „Klaus.“ Irgendwie störte der Typ. Er erinnerte mich an den einen Animateur im Film „Popitz“, an den jungen Blonden, der die Dreizehnjährige aufreißen will. „Wisst ihr, so was macht im Klub immer ganz schnell die Runde, denn das ist doch eher selten. Aber manche Frauen warten ja nur auf die Ankunft von Unvergebenen.“ Rick grinste, er hatte einen Bruder im Geiste gefunden, das war ihm sofort klar geworden.
Wir betranken uns gemeinsam, das war dann doch recht lustig, weil Steve die verschiedensten Geschichtchen und Schwänke aus seinem Animateur-Alltag erzählte. Als Achtundzwanzigjähriger hatte er schon beinahe alle verschiedenen Klubs und Ferienanlagen durch, nur im Swingerklub hatte er noch nie animiert. (Das muss wohl sein bester Gassenhauer gewesen sein.)
Plötzlich drehten sich alle in Richtung Tür. Sonja, ihre Kinder und ihr Ehemann, der den gesamten Türrahmen in der Höhe ausfüllte, betraten den Raum. Sie lächelte Rick an und winkte ihm verstohlen, während der Göttergatte sie an der Hand nahm und zu einem weitab gelegenen Tisch führte.
„Die kriegst du niemals!“, meinte Steve. „Was wollen wir wetten?“, konterte Rick. „Da hast du keine Chance, die ist mindestens zwei Nummern zu groß für dich.“ „Was wollen wir wetten?“ Rick klang zornig, Steves Aussage hatte ihn herausgefordert.
„Ich wette, dass ich sie aufreiße, während ihr Mann dich zu Kleinholz verarbeitet.“ Der Animateur legte nach. „Na sicher, hundertprozentig.“ Da braute sich was zusammen. Lakonisch warf ich ein: „Wieso macht ihr denn nicht überhaupt einen Wettbewerb, wer mehr Frauen rumkriegt? Das wäre einmal eine Herausforderung!“
„Da bin ich sofort dabei!“, rief Steve. Auch Ricks positives Echo ließ nicht lange auf sich warten. Ich latschte kopfschüttelnd und grinsend auf die Toilette. Als ich zurückkehrte, hatten die beiden das Prozedere schon ausgehandelt. Sie mussten mir sogleich ihre Beschlüsse mitteilen. So ähnlich müssen sich Journalisten fühlen, wenn Politiker irgendwann mal was beschlossen haben und dann unbedingt alles erzählen wollen.
Die Regeln besagten, dass es im Grunde keine Regeln gab. Alles war erlaubt, die Mädels mussten über achtzehn sein und als Beweis sollte ein oder mehrere Fotos dienen, die mit dem Handy während des Liebesakts geschossen worden waren. Heute Abend sollte es losgehen und über die nächsten zwei Wochen andauern. Wer dann mehr Frauen ins Bett bekommen hätte, würde einen ganzen Abend lang außerhalb des Klubs vom anderen mit Getränken versorgt. Das war hart, denn das konnte richtig teuer werden.
Rick hatte auch für mich eine freudige Nachricht. „Du, Klausi, bist unser Schiedsrichter, du darfst dir jedes Foto ansehen und bestimmen, ob du es zählst oder nicht. Ist das nicht geil?“ „Ich habe mein Leben lang auf nichts anderes gewartet. Das ist die Krönung meines Daseins!“, seufzte ich.
„Wieso soll der Schiedsrichter sein? Das ist unfair! Der manipuliert doch sicher!“ Steves Reaktion konnte ich sogar verstehen, das war doch wirklich naheliegend. „Wartet mal! Bin gleich wieder hier“, maulte er und verschwand. Nur wenige Minuten später kam er mit einem Mädel zurück – der kleinen, hübschen, blonden Animateurin. Die sah ja wirklich auch aus der Nähe süß aus, nicht nur von der Ferne.
„Das ist Lina, meine Freundin. Sie wird das Ganze auch überwachen!“ Rick, der gerade einen Schluck gemacht hatte, spuckte viel von dem Cocktail auf den Boden. Ich stand verdattert da. „Hast du gerade gesagt deine Freundin? Und die würde Schiedsrichterin spielen?“, fragte ich zögerlich.
Steve grinste: „Na klar. Das macht meinem Schatzi nichts aus. Stimmt’s?“ Lina grinste ein wenig und nickte. Ich denke, sie war entweder extrem betrunken oder auf irgendwelchen Drogen. So was gibt’s doch nicht!
„Steve hat mir sein Herz geschenkt, das reicht mir. Was er mit seinen anderen Organen und Körperteilen anstellt, geht mich nichts an“, sprach sie schließlich. Coole Einstellung, das gefiel mir irgendwie. Vielleicht war sie mit ihren Körperteilen genauso offen und frei, ihr Herz brauchte sie mir nicht zu schenken, denn das interessierte mich nicht.
Also zogen wir zu viert los und schon in der ersten Bar verließen uns die Wettkämpfer, um nur keine Zeit zu verlieren. Da saß ich nun mit Lina allein am Tisch und konnte nur an die Körperteil-Aussage denken. Wir tranken schweigend, bis ich mir genügend Mut angetrunken hatte, um sie zu fragen.
„Ich finde, du nimmst das sehr locker. Ich meine, dein Freund macht eine Aufriss- und Sex-Wette und du spielst da auch noch mit.“ „Hab ja schon erklärt, dass er mir sein Herz geschenkt hat – das reicht mir.“ Sie klang gar nicht locker, das überhörte ich. „Dir macht es nichts aus, wenn er in fremden Töpfen stochert?“ Wollte ich sie provozieren? Warum stellte ich diese Fragen? Eigentlich wollte ich ja auf ganz was anderes hinaus. Sie schwieg, aber man sah, dass sie sich innerlich quälte.
„Bist du eigentlich auch so locker wie Steve?“ „Wie meinst du das?“ „Na ja, hast du ihm dein Herz geschenkt und nichts dagegen, deinen Körper auch anderen Männern zum Verzehr zu gönnen?“ Ich hatte lange überlegt, wie ich diesen Satz über die Lippen bringen könnte, und ich finde, er war mir gut gelungen. Der Inhalt passte und er war schön verpackt. Wozu die Arbeit in der Werbeagentur doch gut war!
Nur die eifersuchtsfreie Lina schien ihn nicht zu verstehen. Wahrscheinlich war sie doch auf Drogen. Sie sah mich auf eine Art und Weise an, die mich an die Schafe erinnerte, die meine Oma mal gehalten hatte. „Määh.“ Anstelle von Mäh gluckste sie ein „Hä?“. Ich musste direkter werden. Nach einem kurzen Zögern – eine Animateurin wird das schon aushalten, eine so hübsche Animateurin muss sich ganz sicher jeden Tag sehr viele sexuelle Anspielungen anhören – legte ich ein wenig nach: „Ich wollt nur wissen, ob du wie dein Freund auch gern auswärts isst.“ Schafsblick. „Ob du deinen See auch für fremde Taucher öffnest. Ob du auch fremde Golfer über deinen heiligen Rasen wandeln lässt.“ Verdammt, der Alkohol machte mich ja richtig lyrisch und mir fiel ein Gedicht von Novalis ein, das von einem Quellchen handelte, in dem ein junger Mann sein Flämmchen kühlen wollte. Lange war das her, dass ich das gelesen hatte. Mein Deutschlehrer hatte immer so von Novalis geschwärmt und ich hatte nie wirklich verstanden, warum. Jetzt wusste ich es.
Da sie noch immer nicht geantwortet hatte (ich nehme an, dass sie ihren Mund nur öffnete, um ihr Gehirn besser zu durchlüften), ging ich jetzt aufs Ganze: „Ich wollte ja nur fragen, ob du, während dein Freund versucht, so viele fremde Frauen wie möglich abzuschleppen … Ob du dir vorstellen könntest, mit mir Sex zu haben.“ Jetzt war es heraußen, ich fühlte mich irgendwie erleichtert, schämte mich aber trotz der knappen 1,8 Promille, die ich wieder einmal hatte.
Ihre Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. „Na klar. Können wir gern machen.“ Ihr Blick hatte sich um keinen Deut verändert. Sie sprach von Sex wie ein Schaf, dem frisches Almgras vorgelegt wurde. Määh. Trotzdem spürte ich, wie sich mein Blut in Richtung Becken aufmachte, so schnell – das war wie eine Megaklospülung in meinem Inneren. Flusch! „Gleich hier auf der Toilette oder magst ins Hotel zurück?“ Jetzt stockte mir der Atem. Ich räusperte mich. „Ähem – also … Ich würde da schon das Hotel vorziehen.“ Dabei kratzte ich mich verlegen am Kopf. „Du bist so ein Arsch – ihr Männer seid doch alle gleich.“ Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihr gar nicht zugetraut hatte, war sie aufgesprungen und hatte mir ihren Caipirinha über das T-Shirt geleert. Danach entschwand sie.
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