• Die Fischmengen, die ins Netz gehen, sind seit Jahren deutlich rückläufig. Die Landwirtschaftsorganisation der UN, die FAO, warnt, die Ozeane seien zu drei Vierteln abgefischt. Der extensive Fang mithilfe hochtechnisierter, satellitengestützter Ortung der Fischvorkommen geht trotzdem weiter. Schwimmende Fischfabriken befahren zu Tausenden die Weltmeere. Die heutigen Meeresernten gleichen einer Brandrodung. Bei einem durchschnittlichen Schleppnetzeinsatz werden 80 bis 90 Prozent der gefangenen Meerestiere als Beifang über Bord geworfen. 52
• Pro Tag verliert die Welt unwiederbringlich etwa 130 Tier- und Pflanzenarten. 53Die Rate des weltweiten Artensterbens ist bereits jetzt mindestens zehn- bis einhundertmal höher als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre. 54
• Die Artenvielfalt bei Wirbeltieren, d. h. die Anzahl der weltweit untersuchten Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, ist seit 1970 um 68 Prozent zurückgegangen. 55Mehr als zwei Drittel der Tierwelt sind damit in den letzten 50 Jahren vom Menschen ausgelöscht worden.
• In Lateinamerika ist die Artenvielfalt bei Wirbeltieren seit 1970 sogar um durchschnittlich 94 Prozent geschwunden – ein besonders dramatischer Wert. 56
• Auch Europa ist nicht abgekoppelt. So hat Europa in den letzten 30 Jahren die Hälfte seiner Vogelpopulation verloren. Viele Vogelarten sind verschwunden. 57
• Wichtige natürliche Kreisläufe wie der Stickstoff- oder der Phosphorkreislauf sind durcheinandergeraten – mit absehbaren schwerwiegenden Folgen für Menschen und Natur.
• 1 Prozent der fruchtbaren Böden gehen pro Jahr verloren, vor allem durch die industrielle Landwirtschaft. 58
• Pro Tag gerechnet heißt das, dass der Erde täglich landwirtschaftliche Nutzflächen im Umfang von 20.000 Hektar durch Übernutzung oder Versalzung verlorengehen. Weitere Ackerflächen schwinden durch die zunehmende Urbanisierung. Seit den 1960er Jahren ist die Ackerfläche pro Kopf um die Hälfte zurückgegangen. Parallel zu diesem Prozess wachsen die Wüsten. 59
• Wissenschaftlichen Studien zufolge geht fruchtbarer Mutterboden etwa zehn- bis 100-mal schneller verloren, als er sich bildet. Seit 1945 sind durch Erosion weltweit 1,2 Milliarden Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verlorengegangen – eine Fläche so groß wie China und Indien zusammen. 60
• Die Landwirtschaft der Zukunft muss mehr, nicht weniger leisten: Für den Zeitraum zwischen 2015 und 2050 sagt die FAO einen 60-prozentigen Anstieg beim weltweiten Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten voraus. 61Der Druck auf die Ressource Boden wird also noch weiter wachsen.
Der menschliche Einfluss auf die Natur hat ein enormes Ausmaß erreicht. Die Bereiche unberührter Natur schwinden laut einer Studie, die im Jahr 2018 im Nature-Magazin veröffentlicht wurde. Heute seien nur noch 23 Prozent der Natur an Land unberührt – vor 100 Jahren waren es der Studie zufolge noch 85 Prozent. Allein zwischen 1993 und 2009 sei eine Fläche von der Größe Indiens für Siedlungen, Landwirtschaft und die Ausbeutung von Bodenschätzen nutzbar gemacht worden. Für die Meere werteten die Forscher Daten über Fischerei, industrielle Schifffahrt und den Abfluss von Düngemitteln aus. Nur 13 Prozent der Meeresgebiete sind demnach fast oder gänzlich unberührt. 62
Wegen des großen Einflusses des Menschen auf die Erde sprechen manche Wissenschaftler wie der Biologe Paul Crutzen davon, dass ein neues geologisches Zeitalter begonnen habe: das Anthropozän. Die Menschheit, so Crutzen, sei zu einem bestimmenden geologischen Faktor geworden.
Bezugnehmend auf den recht theoretischen Begriff des Anthropozäns haben Forscher der Universität von Stockholm versucht, das Bild zu konkretisieren. Sie sammelten umfassende Daten zur Langfristentwicklung von zentralen gesellschaftlichen Kennzahlen (siehe dazu die Abbildungen 1– 18). Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich sehr viele Trends im 20. Jahrhundert beschleunigten – besonders in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Deshalb versahen die Forscher ihre bahnbrechende Langfriststudie mit der Überschrift der »großen Beschleunigung«.
Abbildung 1: Reales Weltsozialprodukt
Abbildung 2: Globaler Primärenergieverbrauch
Abbildung 3: Weltbevölkerung
Abbildung 4: Globale Stadtbevölkerung
Abbildung 5: Ausländische Direktinvestitionen
Abbildung 6: Düngemittelverbrauch
Abbildung 7: Riesenstaudämme
Abbildung 8: Globaler Wasserverbrauch
Abbildung 9: Papierproduktion
Abbildung 10: Motorisierte Fahrzeuge
Abbildung 11: Telekommunikation
Abbildung 12: Internationaler Tourismus
Abbildung 13: Kohlendioxid in der Atmosphäre
Abbildung 14: Methan in der Atmosphäre
Abbildung 15: Ozeanversauerung
Abbildung 16: Stickstoff in Küstengewässern
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