20Für eine genaue Begriffsdefinition siehe Nicoll, Norbert: Neoliberalismus. Ungleichheit als Programm, Münster 2013.
21Vgl. Altvater, Elmar: Die kapitalistischen Plagen. Energiekrise und Klimakollaps, Hunger und Finanzchaos, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 3, 2009, S. 45–59.
22Die Ökobilanz der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten kann nur als verheerend bezeichnet werden. Unmittelbar vor dem Fall der Mauer emittierte die CSSR pro Kopf und Jahr 20,7 Tonnen Kohlendioxid, die DDR 22 Tonnen. Die USA, Kanada und Australien als die größten CO2-Emittenten der kapitalistischen Welt stießen damals 18,9, 16,2 und 15 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und pro Jahr aus – und das bei einem deutlich höheren Pro-Kopf-Einkommen. Vgl. dazu Tanuro, Daniel: Energie und Umbau der Produktion. Herausforderungen für eine ökosozialistische Alternative, S. 69–70, in: Emanzipation, Nr. 1, 2011, S. 66–81.
23Meadows, Dennis: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972.
24Prognosen versuchen eine künftige Entwicklung vorherzusagen. Szenarien beschreiben eine mögliche künftige Entwicklung, sind aber grundsätzlich nicht als Vorhersagen zu verstehen.
25Die Cornucopians vertrau(t)en der kreativen Kraft der Technologie sowie der Leistungsfähigkeit und Effizienz von Marktmechanismen. Sie entwickelten sich in den 1970er Jahren zu den Gegenspielern der Wachstumsskeptiker.
26Die statische Reichweite ist die Anzahl der Jahre, für die die konventionellen Reserven bei konstantem Verbrauch noch reichen.
27Turner, Graham: Comparison of the Limits to Growth with Thirty Years of Reality, Socio-Economics and the Environment in Discussion (SEED) Working Paper Series 2008–09, Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), Canberra 2008.
28Turner, Graham: Is Global Collapse Imminent? An Updated Comparison of The Limits to Growth with Historical Data, MSSI Research Paper No. 4, Melbourne Sustainable Society Institute, The University of Melbourne. Online unter: http://www.sustainable.unimelb.edu.au/files/mssi/MSSI-ResearchPaper-4_Turner_2014.pdf[Stand: 6.5.2020].
29Vgl. Jones, Aled et al.: Resource constraints: sharing a finite world, Global Sustainability Institute (GSI), Anglia Ruskin University, Cambridge 2013. Online unter: https://www.actuaries.org.uk/system/files/documents/pdf/resourceioaevidence-print-copy.pdf[Stand: 6.5.2020].
»Wir gehen mit der Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum.«
Jane Fonda, US-amerikanische Schauspielerin
3. Die große Beschleunigung
Die Globalisierung des hedonistischen und konsumistischen Lebensstils der meisten Menschen in den Industrieländern führt in den Abgrund. Und zwar geradewegs. Er kann wahrscheinlich noch eine ganze Weile, aber eben nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Wir verschieben und verdrängen diese fundamentale Erkenntnis.
Wenn wir die Natur zerstören, zerstören wir uns selbst. »Nach uns die Sintflut«, scheint die Parole der westlichen Gesellschaften zu lauten. Vor diesem Hintergrund fühlt man sich zwangsläufig an den berühmten Aphorismus Albert Einsteins erinnert, wonach »zwei Dinge unendlich sind: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.«
Die Dummheit zu begreifen, heißt, die ökologischen Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Diese sprechen eine ebenso eindeutige wie beängstigende Sprache. Und zwar selbst dann, wenn wir den Klimawandel in diesem Abschnitt (dazu mehr im nächsten Kapitel) ausklammern. Denn der Klimawandel ist nur ein ernsthaftes Umweltproblem von vielen:
• Die Menschheit hat in den letzten 70 Jahren mehr Energie verbraucht als in den 11.700 Jahren davor. Der Energieumsatz summiert sich seit 1950 auf 22 Zettajoule – das entspricht 60 Prozent der gesamten im Verlauf der Menschheitsgeschichte genutzten Energie. 30
• Es werden immer mehr Rohstoffe verbraucht. In den letzten 120 Jahren hat sich der jährliche Rohstoffverbrauch von Biomasse, mineralischen und metallischen Rohstoffen sowie von fossilen Brennstoffen verneunfacht (von knapp 10 Milliarden Tonnen im Jahr 1900 auf 88,6 Milliarden Tonnen im Jahr 2017). 31
• Es wird erwartet, dass der globale Rohstoffverbrauch weiter stark wächst und im Jahr 2050 bei etwa 180 Milliarden Tonnen liegen wird. 32
• In jedem technischen Produkt stecken im Durchschnitt 30 Kilogramm Natur je Kilogramm Produkt. In elektronischen Geräten ist es oft das Zehnfache. 33So wiegt ein Smartphone in Wirklichkeit nicht wenige Hundert Gramm, sondern im Durchschnitt 71 Kilogramm. 34
• Die regenerativen Kapazitäten der Erde wurden erstmals um das Jahr 1980 überschritten. 35Heute übersteigt der Verbrauch der Menschheit an natürlichen Ressourcen die Regenerationskapazität der Erde um 75 Prozent.
• Derzeit bevölkern 7,8 Milliarden Menschen den Planeten. Alle Menschen machen, gemessen an der Biomasse, nur 0,01 Prozent aller Lebewesen auf der Erde aus. 36
• Die Weltbevölkerung wird nach Berechnungen der Vereinten Nationen bis 2050 auf 9,7 Milliarden wachsen. Laut UN steigt die Zahl der Erdbewohner bis zum Jahr 2100 auf 10,9 Milliarden. 37
• 25 Prozent der Weltbevölkerung leben in der nördlichen Hemisphäre. Sie verbrauchen mehr als 70 Prozent der gesamten Weltenergiereserven, verzehren mehr als 60 Prozent der weltweit erzeugten Nahrung und verbrauchen mehr als 85 Prozent der Holzerzeugnisse. 38
• Menschen in Europa haben einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 50 Tonnen Rohstoffen pro Jahr. 39Die Deutschen liegen mit 60 Tonnen pro Kopf pro Jahr über dem Durchschnitt. 40Ökologisch verträglich wären etwa 6 bis 8 Tonnen pro Person pro Jahr.
• Die bewaldeten Flächen der Erde sind im 20. Jahrhundert von 5 Milliarden Hektar auf 3,9 Milliarden Hektar zurückgegangen. 41
• Im 21. Jahrhundert setzt sich dieser Trend fort. Jede Minute wird Wald in der Ausdehnung von 36 Fußballfeldern zerstört. 42
• Allein im Jahr 2018 verschwanden 12 Millionen Hektar Wald in den Tropen – ein Gebiet etwa so groß wie England. 43
• Derzeit leben schätzungsweise 3,6 Milliarden Menschen (51 Prozent der Weltbevölkerung) in Gebieten, die mindestens einen Monat pro Jahr von Wasserarmut betroffen sind. Diese Zahl wird Prognosen zufolge bis 2050 auf etwa 4,8 bis 5,7 Milliarden Menschen ansteigen. 44
• Verschiedene Seen schrumpfen oder steuern auf ökologische Katastrophen 45zu, Flüsse trocknen aus. Immer mehr Länder beanspruchen zudem ihre Grundwasservorkommen zu stark. Geschätzte 20 Prozent der Grundwasserleiter werden übernutzt. 46
• Jeden Tag werden global mindestens 3,5 Millionen Tonnen Müll produziert. 47
• 2 Millionen Tonnen giftige Abwässer fließen jedes Jahr in die Meere und Flüsse der Erde und vergiften diese. Die Meeresschutzorganisation Oceana schätzt, dass weltweit jede Stunde rund 675 Tonnen Müll direkt in die Meere entsorgt werden, die Hälfte davon Kunststoffe. 48
• Die Vergiftung unseres Lebensraumes schreitet immer weiter voran: Der Mensch hat rund 100.000 verschiedene Chemikalien in die Welt gesetzt, von denen vielfach unbekannt ist, wie sie miteinander interagieren. 49
• Etwa 98 Prozent aller Hühner und Schweine, die in Deutschland für den Verzehr bestimmt sind, leben in Massentierhaltung. Das sind mehr als 500 Millionen Tiere im Jahr. Weltweit stammen heute jährlich etwa 450 Milliarden Landtiere aus Massentierhaltung. 50Massentierhaltung bedeutet Massenleiden. Tiere sind auf engstem Raum zusammengepfercht und zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt. Große Stallanlagen emittieren zudem enorme Mengen Stickstoff und Ammoniak.
• 61,3 Prozent der globalen Fischbestände sind von Überfischung bedroht. 28,8 Prozent der Bestände werden bereits überfischt und stehen damit vor dem Kollaps. Damit verbleiben nur 9,9 Prozent der Fischbestände, die innerhalb von Nachhaltigkeitsgrenzen gefangen werden. 51
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