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In Bezug auf das Erfordernis des „Stellens“der vorformulierten Vertragsbedingungen fingiert § 310 III Nr. 1BGB, dass sie als vom Arbeitgeber gestellt gelten, es sei denn, dass sie vom Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt wurden. Praktische Bedeutung hat das nur selten, da die Vertragsbedingungen meist ohnehin unstrittig vom Arbeitgeber vorgegeben werden; relevant wird Nr. 1 v.a., wenn der Vorschlag von einem neutralen Dritten oder beiden Vertragsparteien gemeinsam erfolgt.[161] |
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§ 305 I BGB verlangt, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgenverwendet werden sollen.[162] Das wird angenommen, wenn ihre mindestens dreimalige Verwendung beabsichtigt ist.[163] Hingegen genügt es für die Anwendbarkeit der §§ 305c II, 306, 307-309 BGB gemäß § 310 III Nr. 2BGB, dass nur eine einmaligeVerwendung geplant ist, soweit der Verbraucher auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Das hat für das Arbeitsrecht gravierende Konsequenzen. Weil Arbeitsverträge meist vom Arbeitgeber vorgegeben werden, unterliegt die weit überwiegende Vielzahl arbeitsvertraglicher Absprachen der AGB-Kontrolle! |
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Das zeigt Fall 8: Die Tatsache, dass der von P entworfene Arbeitsvertrag ausschließlich gegenüber der S verwendet werden soll, ändert nichts an der Anwendbarkeit der §§ 305c II, 306, 307–309 BGB.
Hinweis:
§ 310 III Nr. 2 BGB ist also der „Hebel“, mit dem Sie in der Klausur fast immer in die AGB-Kontrolle gelangen! Übersehen Sie dabei aber nicht, dass die Norm voraussetzt, dass es sich um vorformulierteVertragsbedingungen handelt. Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer also in mündlichen Verhandlungen über die Fassung jeder einzelnen Klausel, eröffnet auch § 310 III Nr. 2 BGB nicht den Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle!
3. Einbeziehungskontrolle
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AGB werden nach § 305 II, III BGBan sich nur bei Beachtung der dort genannten Voraussetzungen Vertragsbestandteil. Für Arbeitsverträge entbindet aber § 310 IV 2 Hs. 2 BGBvon diesen Anforderungen, für ihre Einbeziehung ist daher nur eine darauf gerichtete Einigung nach §§ 145 ff. BGBnötig.
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Auch in Arbeitsverträgen gilt aber § 305c I BGB, nach dem überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden. Da der Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag ( Rn. 210) ist, findet diese Vorschrift gemäß § 310 III Nr. 2 BGBregelmäßig auch Anwendung, wenn die vorformulierte Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung vorgesehen ist. Der für § 305c I BGB erforderliche Überrumpelungseffekt kann sich aus dem ungewöhnlichen Inhalteiner Abrede oder dem äußeren Erscheinungsbilddes Vertrages ergeben. Maßgebend sind dabei stets die Einzelfallumstände.
Beispiele:
(1) Inhaltlichüberraschend ist z.B. die Aufnahme einer mündlich nicht abgesprochenen Befristung des Arbeitsvertrags[164] oder die Vereinbarung einer Aufhebung des Arbeitsvertrags in einer als bloßer Änderungsvertrag konzipierten Zusatzabrede.[165] (2) Nichtinhaltlich überraschend sind dagegen z.B. Ausschlussfristen,[166] Bezugnahmeklauseln auf einschlägige Tarifverträge[167] oder die Pauschalabgeltung von Überstunden.[168] (3)Gerade bei den unter (2) genannten Klauseln kann sich der Überraschungseffekt aber aus der äußeren Gestaltungdes Vertrags ergeben, insb., wenn sie unter einer irreführenden (z.B. Vertragsstrafenregelung im Kapitel „Urlaub“) oder nichtssagenden Überschrift (z.B. „Sonstiges“) „versteckt“ werden.[169]
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Schließlich gilt auch bei Arbeitsverträgen § 305b BGB, nach dem individuelle Vertragsabreden Vorrang vor AGB haben.
4. Bereichsausnahme für Kollektivvereinbarungen, § 310 IV 1 BGB
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Gemäß § 310 IV 1 BGB finden die §§ 305 ff. BGB insgesamt keine Anwendungauf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Es wäre also grob falsch, eine tarifliche Regelung anhand von z.B. § 307 I BGB zu messen.
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Fraglich ist, ob die Bereichsausnahme auch Anwendung findet, wenn der Tarifvertrag nicht normativ kraft Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der Gewerkschaft gilt (§§ 4 I, 3 I TVG), sondern nur aufgrund einer Bezugnahmeklauselauf den Tarifvertrag im Arbeitsvertrag. Hier ist richtigerweise zu unterscheiden:
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Bei einer Globalbezugnahme, d.h. einer Verweisung auf den gesamten Tarifvertrag, ist § 310 IV 1 BGB anwendbar, die in Bezug genommenen Regelungen sind also ebenfalls nicht kontrollierbar.[170] Beispiel für eine Globalbezugnahme: „Der zwischen Arbeitgeberverband x und Gewerkschaft y am 5.7.2017 geschlossene Manteltarifvertrag ist auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anwendbar.“ |
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Umgekehrt unterliegen Klauseln, die per bloßer Einzelverweisung, also einer Verweisung auf ausgewählte, bestimmte einzelne Klauseln des Tarifvertrags, in das Arbeitsverhältnis einbezogen werden, einer vollständigen, „normalen“ AGB-Kontrolle, § 310 IV 1 BGB findet also keine Anwendung.[171] Beispiel für Einzelverweisung: „Auf das vorliegende Arbeitsverhältnis finden § 4 und § 8 des zwischen Arbeitgeberverband x und Gewerkschaft y am 5.7.2017 geschlossenen Manteltarifvertrags Anwendung.“ |
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Gleiches gilt richtigerweise bei der Teilverweisungauf abgegrenzte Regelungskomplexe eines Tarifvertrags.[172] Beispiel für Teilverweisung: „Auf das vorliegende Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften über den Urlaubsanspruch des zwischen Arbeitgeberverband x und Gewerkschaft y am 5.7.2017 geschlossenen Manteltarifvertrags Anwendung.“ |
Klausurhinweis:
Details können von Examenskandidaten kaum erwartet werden.
5. Inhaltskontrolle, §§ 307 ff. BGB
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Nach der – in Klausuren meist weitgehend unproblematischen – Kontrolle, ob die Klausel(n) wirksam Vertragsbestandteil wurden, ist/sind sie anhand der §§ 307 ff. BGB inhaltlich zu kontrollieren.
Hinweis:
Nicht eindeutige Klauseln sind zunächst auszulegen, wobei verbleibende Unklarheiten zulasten des Arbeitgebers gehen, § 305c II BGB.
a) Schranken der Inhaltskontrolle, § 307 III BGB
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Dabei sind allerdings die Beschränkungen der Inhaltskontrolle zu beachten. Grundsätzlich sind nur solche AGB kontrollfähig, die „von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen“ enthalten (§ 307 III 1BGB); Tarifverträge, Dienst- und Betriebsvereinbarungen stehen – kaum klausurrelevant – Gesetzen gleich, § 310 IV 3 BGB. Grundsätzlich von der AGB-Kontrolle ausgenommen sind demnach zum einen AGB, die nur das Gesetz wiedergeben. Zum anderen – und das ist praxis- wie klausurrelevant – dürfen Leistungsbeschreibungenund Preisabsprachennicht über §§ 307 I 1, II, 308, 309 BGB inhaltlich kontrolliert werden. Das betrifft v.a.:
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die Lohnhöheund den Umfangund Inhaltder Arbeitsverpflichtung[173] |
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die (Nicht-)Vergütung von Überstunden[174] |
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die Absprache über die Aufhebungdes Arbeitsverhältnisses als solche sowie die Höhe einer dafür eventuell gezahlten Abfindung (vgl. Rn. 1122). |
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Allerdings wird diese Beschränkung der Inhaltskontrolle selbst wiederum in zweifacher, nicht unwichtiger Hinsicht eingeschränkt:
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