4. Rechtsfolgen der Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG
587
Die Rechtsfolgen werden in § 46 unmittelbar benannt. Danach kann bei einer Unbeachtlichkeit „die Aufhebung nicht beansprucht werden“. Eine alleine auf den nach § 46 unbeachtlichen Verstoß gestützte Klageist daher unbegründet[81].
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 14 Der fehlerhafte Verwaltungsakt› VI. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts
VI. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts
588
Nach Maßgabe des § 47 kann ein fehlerhafter VA in einen anderen umgedeutet werden. Diesen Fall nennt man auch Konversion. Das Gesetz stellt dabei auf die erlassende Behördeab[82]. Gleichwohl wird in der Rechtsprechung auch eine Umdeutung durch die Gerichte als zulässig erachtet[83]
. § 47 spielt in der Praxis kaum eine Rolle. Auch in der verwaltungsrechtlichen Literatur hat er keine Bedeutung erlangt[84]. In der Rechtsprechung anerkannt wurde etwa die Umdeutung eines Zinsanspruchs nach § 49a Abs. 4 in einen solchen nach § 49a Abs. 3[85].
589
Die Voraussetzungen für eine Umdeutung sind in § 47 Abs. 1 geregelt. Danach kann ein fehlerhafter VA in einen anderen VA umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
§ 47 Abs. 2 schließt die Umdeutung in drei Fällen aus:
• |
der umgedeutete VA widerspricht der erkennbaren Absicht der Behörde; |
• |
die Rechtsfolgen des umgedeuteten VA sind für den Betroffenen ungünstiger als die des fehlerhaften VA; |
• |
der fehlerhafte VA hätte nicht zurückgenommen werden dürfen. |
Nach § 47 Abs. 3 ist die Konversion ausgeschlossen, wenn eine gebundene Entscheidung in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden soll. Vor der Umdeutung ist dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn der neue VA in seine Rechte eingreift, § 47 Abs. 4 iVm § 28.
590
Die Wirkung der Umdeutung besteht darin, dass der fehlerhafte VA durch Behörde oder Gericht in einen anderen, der gleichen Zielsetzung entsprechenden VA umgewandelt wird. Bei Vorliegen der Voraussetzungen gilt der ursprünglich fehlerhafte VA als mit der rechtmäßigen umgedeuteten Regelung erlassen[86]
. Der VA bleibt also mit seinem fehlerfreien Kern in seinem Regelungsgehalt erhalten, und die Umdeutung selbst ist nicht VA, wenn auch mit § 28 eine der wichtigsten Verfahrensbestimmungen vor Erlass eines VA sinngemäß Anwendung findet (§ 47 Abs. 4)[87].
591
Bild 5:
Der fehlerhafte Verwaltungsakt und die Beseitigung des Fehlers
[Bild vergrößern]
592
Lösung zu Fall 18 ( Rn 541):
Die Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben der Diskothek enthält einen Formfehler, da sie nach § 3 Abs. 1 GastG, in Form einer „Urkunde“, das heißt schriftlich zu ergehen hat. Ferner ist die „Sicherstellung“ der Lärmvermeidung, sachlich eine Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr 3 GastG, rechtswidrig, da die Einhaltung der Verkehrsvorschriften und entsprechende Vollzugsmaßnahmen (Verbote, Abschleppen der PKW) Sache der zuständigen Behörde ist. Von A wird etwas rechtlich Unmögliches verlangt. Ist die Auflage nicht nur rechtswidrig, sondern auch nichtig? Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit nach § 44 Abs. 2 Nr 4? Nein, da die Behörde sachlich erfolgreiche Maßnahmen durchführen kann.
Darf im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit § 44 Abs. 2 Nr 4 analog angewandt werden? Nein, da Regelungslücke fehlt: Die Generalklausel des § 44 Abs. 1 schließt diese Lücke. Fall des § 44 Abs. 1? Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
1. |
besonders schwerwiegender Fehler, |
2. |
Offenkundigkeit bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände. |
Lösung dahingehend, dass die Auflage nichtig ist, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. ME ist jede Lösung vertretbar.
Ausbildungsliteratur:
Leopold , Die Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte, JURA 2006, 895; Pünder , Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren, JURA 2015, 1307; W.-R. Schenke , Rechtsschutz gegen nichtige Verwaltungsakte, JuS 2016, 97.
[1]
Zu den Fehlerfolgen im EU-Eigenverwaltungsrecht Hering , Der Staat 2018, 601 ff.
[2]
Sachs , in: S/B/S, § 42 Rn 1.
[3]
Sachs , in: S/B/S, § 42 Rn 32.
[4]
Sachs , in S/B/S, § 44 Rn 131.
[5]
OVG Münster, OVGE 38, 259 f.
[6]
Forsthoff , Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, S. 237.
[7]
S. OVG Münster, DÖV 1989, 685.
[8]
Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 144.
[9]
Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 145; aA Kopp/Ramsauer , VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 44 Rn 39.
[10]
VG Düsseldorf, NVwZ 1983, 176.
[11]
VGH München, BayVBl 1976, 237 f.
[12]
Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 158.
[13]
Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 158.
[14]
ZB VA des Bauaufsichtsamts eines Kreises an Stelle des Kreises als unterer Naturschutzbehörde.
[15]
BVerwG, NJW 1974, 1963.
[16]
BVerwGE 30, 138, 145; Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 175.
[17]
BayObLG, NJW 1965, 1973.
[18]
BayObLG, NVwZ 1984, 399.
[19]
BVerwG, DVBl 1977, 770.
[20]
BGHZ 2, 315.
[21]
Zur Nichtigkeit von Beschlüssen einer Personalvertretung s. BVerwG, NVwZ 1987, 230.
[22]
Kopp/Ramsauer , VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 44 Rn 58.
[23]
Zu ihr s. BVerwGE 19, 284, 287; NJW 1974, 1963.
[24]
Kritik an der Evidenzlehre übt Leisner , DÖV 2007, 669 ff.
[25]
BVerwG, NJW 1984, 2113.
[26]
BVerwG, NJW 1971, 578.
[27]
BFH, NVwZ 1995, 102.
[28]
So aber VG Köln, NJW 1989, 418.
[29]
BVerwG, NJW 1985, 2658.
[30]
Dolde , NJW 1988, 2333 f.
[31]
OVG Münster, NWVBl 1989, 93 f für Genehmigung einer irreführend unklar bezeichneten Nutzungsänderung.
[32]
VGH Kassel, NVwZ 1982, 514.
[33]
BVerwGE 19, 284, 287.
[34]
OVG Berlin, DVBl 1979, 355.
[35]
OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2013, 129.
[36]
Unrichtig deshalb VGH Kassel, NVwZ 1982, 514 f.
[37]
Allgemein zur Teilbarkeit des VA mit Nebenbestimmungen Laubinger , Die Verwaltung 1982, 360 ff; Schenke , JuS 1983, 184.
[38]
BVerwG, DÖV 1974, 653.
[39]
Hierzu Kopp/Ramsauer , VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 44 Rn 68.
[40]
Sachs , in: S/B/S, § 44 Rn 200.
[41]
Allgemein zum Rechtsschutz gegen nichtige VAe Schenke , JuS 2016, 97 ff.
[42]
So etwa Hufen , VerwProzR, § 18 Rn 28 m.w.N.
[43]
Zum nachträglich rechtswidrig gewordenen VA vgl BVerwGE 84, 111 ff; Schenke/Baumeister , JuS 1991, 547 ff.
Читать дальше