Ein Beispielfür Erstere bildet die Widmung einer Straße für den öffentlichen Verkehr, ein Beispielfür Zweitere Verkehrszeichen. Denn in beiden Konstellationen ist die Zahl der Adressaten (Nutzer der Straße; Verkehrsteilnehmer) gerade nicht individualisierbar.
ee) Behandlung abstrakt-individueller Regelungen
326
Der zweite hier relevante Fall betrifft „abstrakt-individuelle“ Regelungen[60].
Als Beispielfür die Fallgestaltung wird regelmäßig die an einen Bürger A gerichtete Anordnung, bei jeder Glatteisbildung den Weg vor seinem Grundstück zu streuen[61], angeführt. Diese Regelungen sind jedenfalls auf den ersten Blick abstrakt, weil sie eine unbestimmte Anzahl von Sachverhalten erfasst. So kann etwa eine Glatteisbildung an jedem (Winter-)Tag eintreten. Zugleich sind die Regelungen individuell, da sie sich an eine bestimmte Person richten.
327
Regelungen dieser Art werden durchweg als VAe betrachtet. Diese Zuordnung ist richtig, weil die Regelungen in den Beispielsfällen bei genauer Betrachtung nicht wirklich abstrakter, sondern konkreter Natur sind. Dem Adressaten wird eine konkrete Handlungspflicht auferlegt: zu streuen. Indes müssen noch weitere Umstände hinzutreten, um diese Handlungspflicht auszulösen. Dieses Hinzutreten weiterer Umstände erlaubt aber nicht die Qualifizierung als abstrakt. Die Handlungspflicht ist vielmehr „bedingt“ durch die Bildung von Glatteis.
328
Für Pläneist die Rechtsqualität unterschiedlich: Planfeststellungsbeschlüsse nach § 74 Abs. 1 S. 1 sind VAe; Bebauungspläne nach § 10 BauGB ergehen „als Satzung“ (formell also als Rechtsnorm, materiell enthält der Bebauungsplan eine Vielzahl von VAen). – Eine Typenzulassung, zB nach § 20 StVZO, ist ein VA[62], ebenso die Genehmigung einer Satzung (zB nach § 10 Abs. 2 S. 1 BauGB): diese ist zwar Rechtsnorm, die Genehmigung bezieht sich aber auf eine bestimmte Satzung. – Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgennach § 5 TVG ist nach der Rechtsprechung[63] ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet.
f) Unmittelbare Außenwirkung
aa) Funktion
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Das Begriffsmerkmal „unmittelbare Rechtswirkung nach außen“ erfüllt die Funktion, den Wirkungsorteiner „hoheitlichen Maßnahme“ zu bestimmen. Grundsätzlich kann nur eine Maßnahme mit Wirkung außerhalb eines Verwaltungsträgers ein VA sein (zum Begriff und zur Abgrenzung von der Behörde s.o. Rn 115, 121).
330
Das Kriterium der Außenwirkung greift die bereits behandelte Differenzierung zwischen Innenrecht und Außenrecht auf (s.o. Rn 57). Die Außenwirkung einer Maßnahme ist gegeben, wenn die Regelung den verwaltungsinternen Bereich verlässt. Allerdings muss die Maßnahme auf unmittelbare Außenwirkung „gerichtet“ sein. Die Außenwirkung darf also nicht nur faktisch entstehen, sondern muss nach ihrem objektiven Sinngehalt bezwecktsein[64]. Allerdings wird diese Intention durch die Rechtsvorschrift, die vollzogen wird, oftmals indiziert[65].
331
Die Außenwirkung ist insbes. dann gegeben, wenn eine Maßnahme Rechte oder Pflichten des Bürgers begründensoll. Deshalb ist die unmittelbare Außenwirkung bei Maßnahmen aufgrund des Polizei- und Ordnungsrechts oder des öffentlichen Baurechts oftmals unproblematisch zu bejahen. Bei Maßnahmen im Rahmen der sog. „besonderen Gewaltverhältnisse“ (s.o. Rn 259) ist hingegen zu unterscheiden[66]: Wird die persönliche Rechtsstellung und damit das sog. Grundverhältnis betroffen, handelt es sich um einen VA. Bei sonstigen Maßnahmen, welche sich nicht auf die persönliche Rechtsstellung und damit lediglich auf das sog. Betriebsverhältnis beziehen, fehlt es hingegen an der Außenwirkung. Dies gilt insbes. für das Beamtenverhältnis(s.u. Rn 332 ff)[67], aber auch für andere „besonderen Gewaltverhältnisse“ wie das Schulverhältnis.[68] Eine Außenwirkung fehlt auch, wenn die Regelung von vornherein behördenintern bleibt. Das Gleiche gilt zumindest grundsätzlich für Maßnahmen gegenüber einer anderen Behörde desselben Verwaltungsträgers[69]. Demgegenüber können Maßnahmen zwischen verschiedenen Verwaltungsträgerndurchaus Außenwirkung aufweisen. Dies gilt etwa bei der Beanstandung einer gemeindlichen Handlung durch die regelmäßig beim Land angesiedelte Kommunalaufsichtsbehörde[70].
dd) Maßnahmen nach dem Beamtenrecht
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Einordnungsschwierigkeiten bereiten Maßnahmen nach dem Beamtenrecht. § 62 Abs. 1 S. 1 BBG impliziert das Recht des Vorgesetzten, den ihm unterstellten Beamten Anweisungen für die Erledigung der Arbeit zu erteilen. Diese Anweisungen heißen „innerdienstliche Weisung“. Innerdienstliche Weisungen berühren die Stellung des Beamten in seiner Eigenschaft als Amtswalter – und damit als Teil der Verwaltungsorganisation. Sie haben eindeutig Regelungscharakter, sind aber keine VAe, weil ihnen die Außenwirkung fehlt und sie damit lediglich das Betriebsverhältnis betreffen[71].
Beispiele:
Die Anweisung einer Behördenleiterin an den Beamten B, einen Bauantrag abschlägig zu bescheiden; die Anweisung eines Dezernenten an eine Beamtin C, bei der Berechnung der Sozialhilfe ein bestimmtes Vermögen zu schonen (es bei der Berechnung der Höhe der Sozialhilfe unberücksichtigt zu lassen)[72]; Anordnung an Polizeibeamte, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen[73]
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333
Keine Außenwirkung entfaltet auch die Entziehung des Sicherheitsbescheids für einen beim Bundesnachrichtendienst tätigen Soldaten[74]. Die an einen Beamten ergehende Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist ebenfalls kein VA[75]. Wenn der „Angewiesene“ die Anweisung für rechtswidrig hält und ihr nicht folgen möchte, stehen ihm beamtenrechtliche Mittel zum Schutzzur Verfügung[76].
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Von diesen Anordnungen zu trennen sind solche, die den Beamten als selbstständige Rechtsperson treffen – und damit in persönlicher Hinsicht. Dies gilt insbes. für die Versetzungnach §§ 28 BBG, 15 BeamtStG. Bei ihr wird dem Beamten auf Dauer ein anderes Amt bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn übertragen. Da hier der Beamte in persönlicher Hinsicht berührt wird, ist die Versetzung als VA einzustufen[77]. Das Gleiche gilt für die in §§ 27 BBG, 14 BeamtStG geregelte Abordnung, bei welcher dem Beamten vorübergehend eine andere Aufgabe bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn zugewiesen wird[78].
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Zwischen den beiden zuvor genannten Konstellationen angesiedelt ist die Umsetzungeines Beamten. Ihre rechtliche Qualifizierung ist daher umstritten. Die gesetzlich nicht geregelte Umsetzung kennzeichnet, dass der Beamte einen neuen Dienstposten innerhalb der bisherigen Behörde erhält; der Arbeitsplatz muss nicht notwendig am selben Ort sein.
Beispiel:
Der bislang im Bauamt mit der Erledigung von Baugenehmigungen beschäftigte Dr.-Ing. B erhält einen neuen Dienstposten. Seine Aufgabe besteht nunmehr in der Erarbeitung von Bauleitplänen. Der neue Arbeitsplatz befindet sich in einem anderen Dienstgebäude. Dieses ist für B schwer zu erreichen, weil das Dienstgebäude nicht an einer durch den ÖPNV erschlossenen Straße liegt.
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