18
Eine Verbindungzwischen dem privaten und dem öffentlichen Baurecht besteht nur ausnahmsweise.
Eine derartige Verbindung besteht ausnahmsweise dann, wenn eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts drittschützenden Charakterhat (s.u. Rn 630 ff.). In derartigen Konstellationen stellen die drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften Schutzgesetzei.S.d. § 823 Abs. 2BGB dar.[17]
Beispiel
Bauherr B hat beim Bau vergessen, die vorgeschriebenen Brandschutzwände einzubauen. Durch den Defekt eines Küchengerätes gerät das Gebäude des B in Brand und greift infolge fehlender Brandschutzwände auf das Gebäude des Nachbars N über, wodurch das Gebäude des N erheblich beschädigt wird.
N kann von B Schadensersatz u.a. nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 1 LBO verlangen. Der Einbau von Brandschutzwänden zählt zu den Maßnahmen des Brandschutzes gemäß § 15 Abs. 1 LBO. Diese Vorschrift ist drittschützend (s.u. Rn. 648)
Eine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz ist dann gegeben, wenn von vorneherein feststeht, dass das Bauvorhaben wegen entgegenstehender privatrechtlicher Gründe auf keinen Fall ausgeführtwerden kann. In diesem Fall kann die Baurechtsbehörde den Bauantrag wegen eines fehlenden Sachbescheidungsinteresses ablehnen.
[1]
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 1.
[2]
Stollmann Öffentliches Baurecht § 1 Rn. 7.
[3]
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 1.
[4]
Wird im Folgenden ein Begriff in der maskulinen Form verwendet, so erfolgt dies rein aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung. Gedanklich sind solche Begriffe immer um die feminine Form zu ergänzen.
[5]
Dürr Öffentliches Baurecht Baden-Württemberg Rn. 1 m.w.N.
[6]
BVerwGE 101, 364.
[7]
Dürr Öffentliches Baurecht Baden-Württemberg Rn. 1.
[8]
Dürr Öffentliches Baurecht Baden-Württemberg Rn. 6.
[9]
BVerfGE 3, 407, 423 f.
[10]
Stollmann Öffentliches Baurecht Rn. 15.
[11]
Stollmann Öffentliches Baurecht Rn. 15.
[12]
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 15.
[13]
Dürr Öffentliches Baurecht Baden-Württemberg Rn. 7.
[14]
Dürr Öffentliches Baurecht Baden-Württemberg Rn. 7 m.w.N.
[15]
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 16.
[16]
S. vertiefend Dolderer DVBl 1998, 19 ff.
[17]
Palandt- Sprau BGB § 823 Rn. 56a, 62.
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts› C. Verfassungsrechtliche Grundlagen
C. Verfassungsrechtliche Grundlagen
19
Wiederholen Sie Art. 14 GG anhand des Skriptes „Grundrechte“.
In verfassungsrechtlicher Hinsicht kommt der Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG, und der Planungshoheit der Gemeinde, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Bedeutung zu.[1]
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts› C. Verfassungsrechtliche Grundlagen› I. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG
I. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG
20
Der Eigentumsgarantiedes Art. 14 Abs. 1 GG kommt die Aufgabe zu, dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.[2]
Nach h.M. gewährleistet Art. 14 Abs. 1 GG eine grundrechtliche Baufreiheit, d.h. das Recht, Grund und Boden baulich zu nutzen.[3] Zum Inhalt des Eigentums zählt daher auch die Möglichkeit der baulichen Nutzung.[4] Hierfür lässt sich anführen, dass das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum durch Privatnützigkeit gekennzeichnet ist.[5] Dies bedeutet zunächst, dass das Eigentum einem Rechtsträger zugeordnet ist, in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein soll, sowie des Weiteren, dass eine grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand besteht.[6] Geschützt wird nicht nur der Bestand des Eigentums, sondern auch die Gewährleistung der grundsätzlich freien Nutzungs- und Verfügungsbefugnis.[7] Insbesondere das Grundeigentum lässt sich nicht losgelöst von der Möglichkeit den Boden zu nutzen und Erträge aus dem Eigentum zu ziehen sehen. Die bauliche Nutzbarkeit ist essentieller Bestandteil des Eigentums.[8]
21
Bei dieser grundrechtlich gewährleisteten Freiheit handelt es sich jedoch nur um eine sog. potenzielle Baufreiheit: Bei Vorliegen der einfachgesetzlichen Voraussetzungen hat der Einzelne ein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht, sein Grundstück zu bebauen (vgl. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO).
22
Dies folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG, einem Grundrecht mit normgeprägtem Schutzbereich. Grundrechte mit einem normgeprägten Schutzbereich sind dadurch gekennzeichnet, dass deren Schutzbereich einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung und Konkretisierung bedarf (s. auch Rn. 38). Im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG legt der einfache Gesetzgeber fest, was Inhalt und Schranken des Eigentums sind und definiert dadurch für die Zukunft das Eigentum neu. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Baufreiheit besteht somit nur nach Maßgabe und im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung.[9]
JURIQ-Klausurtipp
Aus diesem Grund dürfen Sie im Rahmen der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, z.B. bei einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung, nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG abstellen. Im Baurecht kann sich die Klagebefugnis grundsätzlich immer nur aus einfachgesetzlichen Vorschriften ergeben (s. auch Rn. 663).
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts› C. Verfassungsrechtliche Grundlagen› II. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
II. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
23
Im Bereich der kommunalen Bauleitplanung ist Art. 28 Abs. 2 S. 1 GGvon Bedeutung. Das Recht der örtlichen Bauleitplanungist den Gemeinden durch die kommunale Selbstverwaltungs garantieverfassungsrechtlich garantiert. Nach dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird den Gemeinden das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortungzu regeln. Hiermit wird das Prinzip der Allzuständigkeitfür die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft normiert, ohne dass es hierfür einer besonderen Aufgabenzuweisung bedarf (sog. Verbandskompetenz).[10] Die zentrale Norm dieser Ausprägung ist § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB, wonach die Gemeinden die Bauleitpläne (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB) in eigener Verantwortungaufzustellen haben.
Aufgaben der örtlichen Gemeinschaftsind alle Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.[11]
Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft lassen sich nicht abschließend festlegen. Die typischen Aufgaben der Gemeinden können jedoch unter den Gemeindehoheitenzusammengefasst werden. Eine dieser Gemeindehoheiten ist die Planungshoheit.[12] Diese gewährleistet den Gemeinden alle auf ihrem Gemeindegebiet anfallenden örtlichen Planungsaufgaben eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Zuständigkeit wahrzunehmen.[13]
Читать дальше