Beispiel
A ist mit seinem neu von V gekauften Pkw auf der Autobahn „liegen geblieben“. Der Wagen springt aus unerklärlichen Gründen nicht an. A ruft den ADAC an und beauftragt die Reparatur des Wagens durch den mobilen Mitarbeiter M („Gelber Engel“). Dieser repariert den Wagen. Als Ursache stellt sich ein produktionsbedingter Fehler in der Motorelektronik heraus. Mit der Reparatur des Wagens ist der von V geschuldete Erfolg, nämlich die nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 geschuldete Mängelbeseitigung eingetreten. Da V die Leistungshandlung aber nicht vorgenommen hat und M auch nicht als Erfüllungsgehilfe des V tätig gewesen ist, hat V seine Nacherfüllungspflicht nicht erfüllt. Wegen des Erfolgseintritts liegt insoweit jetzt aber Unmöglichkeit in Form der Zweckerreichung vor.[3]
151
Umgekehrt reicht die Vornahme der Leistungshandlung als solche nur aus, wenn kein darüber hinausgehender Erfolg geschuldet ist. Der zu bewirkende „Erfolg“ besteht dann aber immerhin in dem termingerechten Anbieten der Dienste und Vornahme der Leistungshandlung.
Beispiel
Während der Verkäufer einer Sache gemäß § 433 Abs. 1 dem Käufer Besitz und Eigentum an dem Kaufobjekt in mangelfreiem Zustand verschaffen muss – also einen bestimmten Erfolg –, schuldet der im Rahmen eines Dienstvertrages gemäß § 611 zur Dienstleistung Verpflichtete nur die Vornahme seiner Dienstleistung. Ein über diese (Dienst-) Leistungshandlung hinausgehender Erfolg ist nicht zu bewirken. Der Arbeitnehmer beispielsweise erfüllt seine Pflichten also auch dann, wenn seine Arbeitsleistung im Ergebnis unbrauchbar ist – Anwesenheit und pflichtgemäßes Bemühen natürlich vorausgesetzt.
3. Teil Erfüllung nach § 362› C. Bewirken der geschuldeten Leistung› II. Art und Weise des geschuldeten Erfolges
II. Art und Weise des geschuldeten Erfolges
1. Inhaltliche Bestimmung des Erfolges
152
Nur die „geschuldete“ Leistung kann das Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen. Welche Anforderungen diesbezüglich an die Leistung bzw. den herbeizuführenden Leistungserfolg zu stellen sind, ergibt sich bei vertraglichenAnsprüchen zunächst aus der vertraglichen Vereinbarung und ggf. aus dispositivem Gesetzesrecht (z.B. aus §§ 242 ff.). Außerdem ist eine Konkretisierung der Leistungshandlungen bzw. des Leistungserfolges durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 möglich.
Bei gesetzlichenSchuldverhältnissen ist die Leistungshandlung bzw. der herbeizuführende Erfolg immer nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen zu bestimmen.
Das haben Sie im Gutachten alles schon unter dem logisch vorhergehenden Prüfungsabschnitt „Anspruch entstanden“ festgestellt. Sie knüpfen bei der Frage der Erfüllung insoweit also an Ihr bereits gefundenes Zwischenergebnis an.
Zu Teilleistungenist der Schuldner gem. § 266 nur berechtigt, wenn dies besonders vereinbart wurde oder wenn er von der restlichen Leistung aus anderen Gründen (insbesondere nach § 275) befreit ist.[4] Außerdem mag sich eine Berechtigung aufgrund der besonderen Umstände noch aus § 242 ergeben.
Beispiel
Wer 1000 Flaschen derselben Weinsorte am Sitz des 500 km entfernten Gläubigers übereignen muss und nur 999 Flaschen liefert, darf mit diesen Flaschen erfüllen und die restliche 1 Flasche binnen angemessener Frist nachsenden (§ 242). Handelt es sich bei den 999 Flaschen hingegen auch noch um Wein der falschen Sorte, kann der Gläubiger die gesamte Leistung ablehnen, ohne in Annahmeverzug zu geraten. Hier wurde die Leistung noch nicht einmal teilweise angeboten. Ist 1 Flasche unterwegs zerbrochen und eine Nachlieferung nach § 275 Abs. 1 ausgeschlossen (etwa wegen Erschöpfung der Sorte), sind nur noch 999 Flaschen geschuldet. Werden diese angeboten, liegt keine Teilleistung i.S.d. § 266 vor, sondern das Angebot vollständiger Erfüllung.[5]
2. Leistungs- und Erfolgsort
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Wegen der Unterscheidung zwischen Leistungshandlung und Erfolgseintritt muss zwischen Leistungs- und Erfolgsort unterschieden werden. Erfüllung kann nur am Erfolgsort eintreten – dieser steht nicht statisch fest, sondern kann von den Parteien aufgrund ihrer privatautonomen Selbstbestimmungsfreiheit auch nachträglich verändert werden. Dies ergibt sich auch aus der Subsidiaritätsregel in § 269 Abs. 1. Die Lage beider Orte hat ganz entscheidenden Einfluss auf die Frage, was der Schuldner im Einzelnen wo tun muss, um den Leistungserfolg herbeizuführen.
Leistungsortist der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung vornehmen muss.[6]
Erfolgsortist der Ort, an dem der geschuldete Erfolg eintreten soll.
a) Bestimmung des Leistungsortes
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Die Bestimmung des Leistungsortes ergibt sich zunächst aus den vertraglichen Vereinbarungen. Fehlen diese, hilft das Gesetz mit verschiedenen Hilfsnormen.
Zunächst gibt es gesetzliche Sonderregelungenüber den Leistungsort.
Beispiele
§§ 697, 700 Abs. 1 S. 3, 811 Abs. 1.
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Greift keine gesetzliche Sonderregelung ein, ist nach § 269 Abs. 1 zu klären, ob sich aus den „Umständen“, insbesondere aus der „Natur des Schuldverhältnisses“ eine Konkretisierung des Leistungsortes ergibt.
Beispiel
Beim Arbeitsvertrag ist mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Ort der Arbeitsstätte der Ort zur Vornahme der geschuldeten Dienstleistungen.[7]
156
Ergibt sich aus den Vereinbarungen oder den Umständen nichts anderes, ist gemäß § 269 der Wohnsitz des Schuldnerszur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses bzw. – in den Fällen des Abs. 2 – der Ort der gewerblichen Niederlassung des SchuldnersLeistungsort. Ein späterer Sitzwechsel ändert am Leistungsort grundsätzlich nichts. Hier kommt allenfalls eine Korrektur aufgrund der Umstände in Betracht.[8]
Beispiel
Verlegt der Arbeitgeber seinen Sitz an einen anderen Ort, so ist dieser Ort für die Vornahme der Arbeitsleistung maßgeblich.
Hinweis
Wenn im Gesetz vom „Erfüllungsort“ die Rede ist (z.B. §§ 447, 644 Abs. 2, § 29 ZPO), ist der Leistungs (handlungs)ort und nicht der Erfolgsort gemeint.[9]
Das ist angesichts dessen, dass für die Erfüllung i.S.d. § 362 der Eintritt des Leistungserfolges maßgeblich ist, sprachlich unglücklich, aber (leider) nicht zu ändern.
b) Bestimmung des Erfolgsortes
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Der Leistungsort kann, muss aber nicht mit dem Ort zusammenfallen, an dem der Leistungserfolg eintreten soll. Ob Leistungs- und Erfolgsort auseinanderfallen, hängt wieder in erster Linie von den Parteivereinbarungen und den sonstigen Umständen ab. Dabei können drei Grundtypen der Schuld bestimmt werden:
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Bei der sog. „ Holschuld“ fallen Leistungs- und Erfolgsort zusammen. Beide Orte befinden sich am Sitz des Schuldners.Daraus folgt, dass der Schuldner den Leistungsgegenstand erst einmal aussondernund bereitstellensowie den Gläubiger – falls ein Abholtermin nicht vereinbart wurde – hiervon unterrichten muss.[10] Erst wenn der Gläubiger erscheint, muss der Schuldner noch einmal tätig werden. Zum Beispiel beim Kaufvertrag über eine bewegliche Sache muss er jetzt die Sache dem anwesenden Gläubiger übergeben und seine auf Übereignung gerichtete Willenserklärung (vgl. § 929) abgeben.
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