140
Die Empfangszuständigkeit steht demjenigen zu, der die Verfügungsmacht über die Forderung hat. Das ist in der Regel der Rechtsinhaber, also der Gläubiger selbst. Ist die Verfügungsmacht dem Gläubiger ausnahmsweise entzogen, fehlt automatisch seine Empfangszuständigkeit.
Beispiele
Die Verfügungsmacht kann dem Gläubiger durch Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 1984 Abs. 1 S. 1), aufgrund einer Testamentsvollstreckung (§ 2211 Abs. 1), Pfändung der Forderung (§ 829 ZPO i.V.m. §§ 136, 135) oder auch nach der Insolvenzordnung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gläubigervermögen (§§ 80, 81 InsO) entzogen worden sein.
[Bild vergrößern]
In diesen Fällen sind anstelle des Gläubigers andere Personen zur Entgegennahme der Leistung befugt.
141
Es gibt auch Fälle, in denen der Gläubiger zwar seine Verfügungsmacht behält und ihm „nur“ die Empfangszuständigkeit entzogen wird.
Im Falle der rechtsgeschäftlichen Verpfändung der Forderungist der Gläubiger der verpfändeten Forderung nicht mehr empfangszuständig, sondern der Pfandgläubiger, also derjenige, zu dessen Gunsten die Forderung verpfändet wurde (§ 1282 Abs. 1). Im Übrigen bleibt die Verfügungsmacht aber beim Forderungsinhaber (vgl. § 1282 Abs. 2).
Nicht empfangszuständig ist auch der nicht voll Geschäftsfähige. Die Leistung hat nur dann Erfüllungswirkung, wenn sie an den gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gegenüber dem nicht voll Geschäftsfähigen vorgenommen wird.[7] Für den Vormund bzw. Betreuer gelten dabei sogar noch die besonderen Genehmigungsvorbehalte in §§ 1812, 1813 (ggf. i.V.m. § 1908i Abs. 1).
Hinweis
Nach wohl herrschender Meinung ist die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts (z.B. die Übereignungder gem. § 433 Abs. 1 geschuldeten Sache nach §§ 929 ff.) unabhängig von der Erfüllungswirkung zu prüfen. Demnach kann ein beschränkt Geschäftsfähiger nach § 107 auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ein Erfüllungsgeschäft zu seinen Gunsten wirksam vornehmen, wenn es – abgesehen von der Tilgungswirkung – keine sonstigen rechtlichen Nachteile mit sich bringt. Es tritt aber trotz wirksamen Erfüllungsgeschäfts keine Erfüllung ein, solange der gesetzliche Vertreter nicht zustimmt.[8] Bei Ausbleiben der Zustimmung erfolgt eine Rückabwicklung der Leistung nach §§ 812 ff.
3. Teil Erfüllung nach § 362› B. Maßgeblicher Empfänger› III. Berechtigter Dritter gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1
III. Berechtigter Dritter gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1
142
In bestimmten Fällen tritt Erfüllungswirkung auch dann ein, wenn der Schuldner nicht an den Gläubiger, sondern an einen Dritten leistet, der weder Hilfsperson noch Zahlstelle des Gläubigers ist. Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Erfüllungswirkung durch Leistung an einen berechtigten Dritten eintritt und Fälle, wo der Schuldner – ausnahmsweise – auch durch Leistung an einen nichtberechtigten Dritten von seiner Verpflichtung befreit wird.
Wir betrachten hier die Erfüllung durch Leistung an einen berechtigten Dritten und gehen später auf die Erfüllungswirkung durch Leistung an einen nichtberechtigten Dritten ein.
1. Empfangszuständigkeit eines Dritten kraft Gesetzes
143
In bestimmten Fällen fehlt dem Gläubiger die Empfangszuständigkeit. Darauf sind wir oben bereits eingegangen. Wenn aber dem Gläubiger kraft Gesetzes die Empfangszuständigkeit entzogen wird, muss das Gesetz die Empfangszuständigkeit einer anderen Person zuordnen, damit überhaupt Erfüllung eintreten kann.
144
Bei nicht voll geschäftsfähigen Gläubigern steht die Empfangszuständigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zu.[9]
145
Im Falle der Verpfändung einer Forderung steht die Empfangszuständigkeit dem Pfandgläubiger zu, § 1282 Abs. 1 S. 1.
146
Im Falle einer Pfändung und Überweisung zur Einziehung im Wege der Zwangsvollstreckung ist nunmehr der Pfandgläubiger berechtigt, §§ 835 Abs. 1 Var. 1, 836 Abs. 1 ZPO.
147
Im Falle einer Nachlassverwaltung bzw. Testamentsvollstreckung steht die Empfangszuständigkeit dem Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker zu, §§ 1984 Abs. 1, 1985, 2211.
148
Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Gläubigervermögen ist die Empfangszuständigkeit nach §§ 80 ff. InsO dem Insolvenzverwalter zugewiesen.
2. Rechtsgeschäftliche Empfangszuständigkeit
149
Wie sich aus § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 Abs. 1 ergibt, kann der Gläubiger auch einen Dritten ermächtigen, die Leistung als Erfüllung an seiner Stelle anzunehmen.
Hinweis
Fehlt dem Gläubiger die Empfangszuständigkeit, kann die Ermächtigung nur durch die empfangszuständige Person erteilt werden.
Die Zustimmung zur Übernahme der „Gläubigerrolle bei Erfüllung“ folgt den allgemeinen Regeln der §§ 182, 183 sowie den allgemeinen Regeln über einseitige Rechtsgeschäfte.
Es gelten daher die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen, die Wirksamkeitserfordernisse und Wirksamkeitshindernisse über einseitige Rechtsgeschäfte.[10] Die Zustimmungserklärung kann nach § 183 sowohl gegenüber dem Schuldner als auch dem Dritten erklärt werden.
[1]
Petersen Allgemeines Schuldrecht Rn. 458.
[2]
Zwischen Dritten und Versprechensempfänger besteht eine Forderungsgemeinschaft eigener Art, Palandt- Grüneberg § 335 Rn. 1.
[3]
BGH Urteil vom 5. Dezember 2006 (Az: XI ZR 21/06) unter Ziff. II 1a = BGHZ 170, 121 = NJW 2007, 914.
[4]
Palandt- Grüneberg § 362 Rn. 4; Petersen Allgemeines Schuldrecht Rn. 107.
[5]
Palandt- Grüneberg § 362 Rn. 4.
[6]
Looschelders Schuldrecht AT § 17 Rn. 4.
[7]
Palandt- Grüneberg § 362 Rn. 4.
[8]
Palandt- Grüneberg § 362 Rn. 4.
[9]
Bei Vormund und Betreuer beachten Sie aber die Vorbehalte in §§ 1812, 1813 (ggf. i.V.m. § 1908i).
[10]
Ausführlich dazu im Skript „BGB AT II“.
3. Teil Erfüllung nach § 362› C. Bewirken der geschuldeten Leistung
C. Bewirken der geschuldeten Leistung
3. Teil Erfüllung nach § 362› C. Bewirken der geschuldeten Leistung› I. Leistungshandlung und Erfolg
I. Leistungshandlung und Erfolg
150

[Bild vergrößern]
Damit Erfüllung eintreten kann, muss die Leistung beim Gläubiger oder einem sonst empfangszuständigen Dritten „bewirkt“ worden sein. Mit „Leistungsbewirkung“ ist die Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolges durch Vornahme der Leistungshandlung gemeint.[1]
Bewirktist eine Leistung dann, wenn der Leistungserfolg durch Vornahme der Leistungshandlung eintritt.
Der Eintritt des geschuldeten Leistungserfolges ohne Vornahme der Leistungshandlungseitens des Schuldners genügt nicht. Tritt der Erfolg ohne Zutun des Schuldners durch Zufall ein, fehlt es an einem Bewirkeni.S.d. § 362 Abs. 1. Vielmehr liegt dann ein Fall der „Zweckerreichung“vor, der zur Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1) führt, da in diesem Fall der durch Zufall bereits eingetretene Leistungserfolg aus logischen Gründen vom Schuldner nicht mehr bewirkt werden kann.[2]
Читать дальше