1 ...7 8 9 11 12 13 ...53 [9]
Zum Ganzen: BVerfG BeckRS 2019, 2533.
[10]
Nach BGH NJW 2003, 1658. Vgl. auch BVerwG NVwZ 2018, 819; NJW 2019, 1317 und das Beispiel im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 95.
3. Teil Handlungsformen der Verwaltung
Inhaltsverzeichnis
A. Abgrenzung „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“
B. Handlungsformen der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
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In dem durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gezogenen Rahmen ( Rn. 8 ff.) lassen sich eine Vielzahl von Handlungsformen der Verwaltung ausmachen. Diese stehen allerdings mitunter nicht allen Stellen der öffentlichen Verwaltung in gleichem Umfang zur Verfügung (z.B. Satzungen) bzw. können einige Aufgabenbereiche nicht in jeder Rechtsform wahrgenommen werden (z.B. keine Beamtenernennung durch Vertrag), während die Verwaltung in anderen Sachbereichen (z.B. öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses einer öffentlichen Einrichtung) über ein Wahlrecht bzgl. ihrer Handlungsform– und Organisationsform( Rn. 29 f.und Rn. 53) – verfügt. Auch variieren die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsmaßnahme je nach gewählter Handlungsform (Rechtsverordnung: Art. 80 GG, Rn. 12; Verwaltungsakt: §§ 35 ff. VwVfG, Rn. 39 ff.; öffentlich-rechtlicher Vertrag: §§ 54 ff. VwVfG, Rn. 94 ff.).
3. Teil Handlungsformen der Verwaltung› A. Abgrenzung „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“
A. Abgrenzung „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“
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Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichemVerwaltungshandeln einerseits und privatrechtlichemHandeln der Verwaltung andererseits.[1]
JURIQ–Klausurtipp
Die Abgrenzungdes öffentlichen Rechts vom Privatrecht kann in der Klausurbearbeitung an mehreren Stellenzu diskutieren sein:
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Anwendbarkeit des VwVfG, siehe § 1 Abs. 1 VwVfG ( Rn. 152); |
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Vorliegen eines Verwaltungsakts, siehe § 35 S. 1 VwVfG ( Rn. 45); |
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Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, siehe § 54 VwVfG ( Rn. 97 f.); |
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Verwaltungsvollstreckung, siehe § 1 Abs. 1 und vgl. § 6 VwVG (vgl. Rn. 335 ff.); |
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Rechtswegbestimmung, siehe § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO[2]; |
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Staatshaftung, siehe § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG[3]. |
Die Zuordnung des konkret zu beurteilenden Verwaltungshandelns entweder zum öffentlichen Recht[4] oder zum Privatrecht wird sich in der Fallbearbeitung oftmals bereits aus dem eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter des Gesetzes (z.B. jeweiliges Landes-OBG/SOG bzw. PAG/PolG) ergeben, auf dem die betreffende Verwaltungsmaßnahme beruht. Auf die drei nachstehenden Abgrenzungstheorienbraucht in derartigen Fallgestaltungen klassisch öffentlich-rechtlicher Eingriffsverwaltung nicht weiter eingegangen zu werden. Vielmehr werden diese Theorien nur dann einmal relevant, wenn wirkliche Zweifel am öffentlich- oder privatrechtlichen Charakter der einschlägigen Norm – sofern vorhanden – bestehen (z.B. § 70 GewO).
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Nach der von Ulpian (römischer Jurist, 170-228 n. Chr.) entwickelten Interessentheoriegehören die dem öffentlichen Interesse dienenden Rechtssätze dem öffentlichen Recht und die dem Individualinteresse dienenden Rechtssätze dem Privatrecht an.[5] Diese Theorie wird heute allerdings kaum mehr vertreten, bezwecken doch eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht nur den Schutz des Allgemein-, sondern zugleich auch des Einzelinteresses (z.B. nachbarschützende Vorschriften des Baurechts) bzw. dienen umgekehrt zahlreiche dem Privatrecht zuzuordnende gesetzliche Regelungen auch dem öffentlichen Interesse (z.B. Unterhaltspflicht gem. § 1601 BGB); |
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die Subordinations- bzw. Subjektionstheoriebesagt, dass Rechtssätze, die das Verhalten von Hoheitsträgern regeln, dann öffentlich-rechtlich sind, wenn sie ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis betreffen. Auch diese Theorie sieht sich allerdings Einwänden ausgesetzt: So kennt zum einen das öffentliche Recht durchaus nicht nur Über-/Unterordnungs-, sondern auch Gleichordnungsverhältnisse (z.B. öffentlich-rechtlicher Vertrag; Rn. 94 ff.), und sind zum anderen auch im Privatrecht Subordinationsverhältnisse anzutreffen (z.B. Arbeitsrecht, vgl. § 106 GewO). Ferner hilft diese Theorie namentlich im Organisationsrecht und im Bereich der Leistungsverwaltung nicht weiter; |
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nach der von H.J. Wolff [6] geprägten Subjektstheorie wird als entscheidend angesehen, ob der betreffende Rechtssatz für jedermann gilt (z.B. § 433 BGB; dann: Privatrecht) oder vielmehr ausschließlich ein Sonderrecht des Staates (oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben, wie z.B. Gemeinden) begründet (dann: öffentliches Recht). Da Letzterer allerdings auch Adressat von privatrechtlichen Normen sein kann (z.B. §§ 31, 89, 276 ff., 823, 831 BGB), wurde dieser z.T. auch als Zuordnungs-/Sonderrechtstheorie bezeichnete Ansatz nachfolgend dahingehend ergänzt[7] (daher „ modifizierte Subjektstheorie“), dass eine Rechtsnorm nur dann öffentlich-rechtlich ist, wenn sie einen Hoheitsträger als solchen, d.h. gerade in seiner Eigenschaft als Subjekt hoheitlicher Gewalt, berechtigt bzw. verpflichtet (z.B. §§ 24 ff. BauGB; str. bzgl. Fiskusprivilegien wie § 928 Abs. 2 BGB). An dieser Sichtweise wird insbesondere kritisiert, dass sie im Wege eines Zirkelschlusses den Begriff „öffentliches Recht“ der Sache nach durch den des „Hoheitsträgers“ erkläre, die Ausübung hoheitlicher Gewalt aber gerade von der Einordnung als öffentlich-rechtlich abhänge. |
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In der Rechtspraxis[8] werden diese drei Abgrenzungstheorien ungeachtet dogmatischer Einwände nicht exklusiv, sondern vielmehr nebeneinanderangewandt, um die Rechtsnatur einer Vorschrift zu ermitteln.
JURIQ–Klausurtipp
Die drei vorgenannten Theorien wurden entwickelt, um eine Normentweder dem öffentlichen Recht oder aber dem Privatrecht eindeutig zuordnen zu können. Diese Abgrenzungstheorien sind für die in der Fallbearbeitung zu begutachtende Maßnahme(z.B. im Rahmen von § 35 S. 1 VwVfG) bzw. Streitigkeit (z.B. im Rahmen von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO) daher nur relevant, falls diese auch tatsächlich auf einer Norm beruht. Ist Letztere öffentlich-rechtlicher Natur, so ist es ebenfalls die auf ihr beruhende Maßnahme bzw. Streitigkeit.
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Ist im konkreten Fall dagegen keine Rechtsnormeinschlägig (so z.B. i.d.R. im Bereich der Leistungsverwaltung) oder stehen zwei sich gegenseitig ausschließende Normendes öffentlichen Rechts und des Privatrechts zur Verfügung, ist wie folgt zu verfahren:
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Handelt es sich bei der Organisationsformder tätig gewordenen Person um eine solche des Privatrechts (z.B. Stadtwerke GmbH), so steht die Rechtsnatur ihrer Handlung als privatrechtlich damit i.d.R. ebenfalls ohne weiteres fest. Denn mit Ausnahme von Beliehenen ( Rn. 51) können natürliche und juristische Personen des Privatrechts nur privatrechtlich, nicht aber öffentlich-rechtlich handeln, vgl. etwa § 44 Abs. 3 S. 1 BHO: „Juristischen Personen des privaten Rechts kann […] die Befugnis verliehen werden, Verwaltungsaufgaben […] im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen“.
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