Inhaltsverzeichnis
I. Rechtsbehelfe als Mittel zur Kontrolle des Verwaltungshandelns
II. Funktionen und Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
III. Grundsätze des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
IV. Prozesshandlungen
V. Elektronische Datenverarbeitung und Verwaltungsgerichtsbarkeit
VI. Der Aufbau eines verwaltungsprozessualen Gutachtens
§ 1 Einführung› I. Rechtsbehelfe als Mittel zur Kontrolle des Verwaltungshandelns
I. Rechtsbehelfe als Mittel zur Kontrolle des Verwaltungshandelns
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Um das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Gesetzfmäßigkeit der Verwaltung effektiv zu sichern, bedarf es einer Kontrolle der Verwaltung. Die Initiierung einer rechtlichen Kontrolle kann durch den Staat selbst – insbesondere durch die Aufsichtsbehörden – erfolgen. Sie kann aber auch von anderen Personen durch von diesen eingelegte Rechtsbehelfe veranlasst werden. Unter einem Rechtsbehelf versteht man die einer Person von der Rechtsordnung eingeräumte Befugnis, in einem Verfahren auf die Überprüfung staatlichen Verhaltens hinzuwirken. Man unterscheidet dabei zwischen formlosen und förmlichen Rechtsbehelfen.
§ 1 Einführung› I. Rechtsbehelfe als Mittel zur Kontrolle des Verwaltungshandelns › 1. Formlose Rechtsbehelfe
1. Formlose Rechtsbehelfe
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Formlose Rechtsbehelfe sind nicht an bestimmte formelle Voraussetzungen gebunden. Sie können grundsätzlich durch jedermann form- und fristloseingelegt werden. Sie setzen keine materielle Beschwer(Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts, dazu Rn 519 ff) voraus und können (bis zur Grenze der missbräuchlichen Benutzung) wiederholt eingelegt werden. Formlose Rechtsbehelfe, mit welchen der Bürger eine verwaltungsinterne Kontrolle der Exekutive anregt, sind die Gegenvorstellung, die Aufsichtsbeschwerde und die Dienstaufsichtsbeschwerde.
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Die Gegenvorstellungrichtet sich an die Verwaltungsbehörde, mit deren Verhalten der Beschwerdeführer nicht einverstanden ist, und erstrebt dessen Änderung.
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Die Aufsichtsbeschwerdewendet sich dagegen an die Aufsichtsbehörde. Sie bezweckt das Verhalten der beaufsichtigten nachgeordneten Behörde inhaltlich zu überprüfen und gegebenenfalls dessen Korrektur zu veranlassen. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann wiederum Gegenstand eines formlosen Rechtsbehelfs in Gestalt der Oberaufsichtsbeschwerde sein, über welche eine höhere Aufsichtsbehörde entscheidet.
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Die an den Dienstvorgesetzten adressierte Dienstaufsichtsbeschwerderügt das persönliche Fehlverhalten eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes (zB beleidigende Äußerung, unhöflicher Umgang mit Bürgern). Bei ihr geht es, anders als bei der Aufsichtsbeschwerde, nicht um die Prüfung des Ergebnisses des Verwaltungshandelns. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann uU für den Dienstvorgesetzten den Anlass zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Bediensteten bilden.
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Die formlosen Rechtsbehelfe geben kein Recht auf eine Überprüfung des behördlichen Verhaltens. Der Bürger besitzt hier nur ein (bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 17 GG allerdings verfassungsrechtlich verbürgtes) Recht (das sog. Petitionsrecht) darauf, dass von seinem Rechtsbehelf Kenntnis genommen und ihm die Art der Erledigung mitgeteilt wird (Recht auf Bescheidung). Selbst wenn das Verhalten der Behörde, gegen welches sich eine Aufsichtsbeschwerde richtet, rechtswidrig ist, besteht kein Recht des Beschwerdeführers darauf, dass die übergeordnete Aufsichtsbehörde von ihrer Aufsichtsbefugnis Gebrauch macht und die nachgeordnete Behörde anweist, ein Fehlverhalten zu korrigieren.
§ 1 Einführung› I. Rechtsbehelfe als Mittel zur Kontrolle des Verwaltungshandelns › 2. Förmliche Rechtsbehelfe
2. Förmliche Rechtsbehelfe
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Förmliche Rechtsbehelfe sind dagegen grundsätzlich an eine bestimmte Formund Fristgebunden und setzen eine materielle Beschwervoraus. Sie dienen regelmäßig nicht nur der Sicherung des objektivrechtlichen Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sondern auch dem Schutz subjektiver Rechte. Bei ihnen besteht nicht nur ein Recht auf Bescheidung, sondern bei Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen auch ein Recht auf Entscheidung in der Sache. Über sie entscheidet je nach ihrer Art die Verwaltung oder das Gericht. Wichtigstes Beispiel eines bei der Verwaltung eingelegten förmlichen Rechtsbehelfes ist der Widerspruch (dazu unten Rn 691 ff). Förmliche Rechtsbehelfe, über welche die Gerichte zu befinden haben, sind die verwaltungsgerichtlichen Klagen(zB Anfechtungsklage gem. § 42) und Anträge(etwa Normenkontrollantrag gem. § 47). Einen Unterfall der förmlichen Rechtsbehelfe bilden die verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittel (s. Rn 1212), die mit der Kontrolle gerichtlicher Akte durch die Rechtsmittelgerichte zugleich eine mittelbare Überprüfung der Verwaltung bezwecken.
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Rechtsbehelfe gegen hoheitliches Verhalten der Verwaltung |
formlose Rechtsbehelfe |
förmliche Rechtsbehelfe |
Gegenvorstellung bei handelnder Behörde |
Aufsichtsbeschwerde bei Aufsichtsbehörde gegen die Entscheidung Oberaufsichtsbeschwerde bei höherer Aufsichtsbehörde |
Dienstaufsichtsbeschwerde bei Dienstvorgesetztem |
gerichtet an die Verwaltung (insbesondere Widerspruch) |
gerichtet an Verwaltungsgericht – Klagen (teilw. erst nach erfolgloser Einlegung eines Widerspruchs) – Anträge – Rechtsmittel gegen gerichtl. Entscheidungen |
§ 1 Einführung› II. Funktionen und Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
II. Funktionen und Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
§ 1 Einführung› II. Funktionen und Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit › 1. Grundlage, Funktionen und Tendenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit
1. Grundlage, Funktionen und Tendenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit
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Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird durch die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21.1.1960 (BGBl. I S. 17), zuletzt geändert durch VO vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328), geregelt. Ergänzende Vorschriften finden sich in den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen zur VwGO (AGVwGO): BWAGVwGOv. 14.10.2008 (GBl. S. 343), zuletzt geändert durch G. v. 21.5.2019 (GBl. S. 189); BayAGVwGOvom 20.6.1992 (GVBl S. 162), zuletzt geändert durch VO. v. 26.3.2019 (GVBl S. 989); BerlAGVwGOidF der Bekanntmachung v. 22.2.1977 (GVBl S. 238), zuletzt geändert durch G. v. 7.7.2016 (GVBl S. 424); BbgVGGidF vom 22.11.1996 (GVBl. I S. 317), zuletzt geändert durch G. v. 10.7.2014 (GVBl I Nr. 37); BremAGVwGOv. 15.3.1960 (GBl. S. 25), zuletzt geändert durch G. v. 12.6.2012 (GBl S. 255), HambAGVwGOv. 29.3.1960 (GVBl. S. 291), zuletzt geändert durch G. v. 8.7.2014 (GVBl. S. 299); HessAGVwGOidF v. 27.10.1997 (GVBl. S. 381), zuletzt geändert durch G. v. 28.5.2018 (GVBl S. 184); RhPfAGVwGOidF der Bekanntmachung v. 5.12.1977 (GVBl. S. 451), zuletzt geändert durch G. v. 19.8.2014 (GVBl. S. 187); SaarlAGVwGOv. 5.7.1960 (Amtsbl. S. 558), zuletzt geändert durch G. v. 20.4.2016 (Amtsbl. I S. 402); Sachsen-Anhalt AGVwGO LSAv. 28.1.1992, zuletzt geändert durch G. v. 17.2.2017 (GVBl LSA S. 14); ThürAGVwGOv. 15.12.1992, (GVBl. S. 576), zuletzt geändert durch G. v. 16.10.2019 (GVBl. S. 429). In Mecklenburg-Vorpommernfinden sich Ausführungsbestimmungen in §§ 12 ff G. zur Ausführung des GerichtsstrukturG v. 10.6.1992 (GVOBl. S. 314, ber. S. 363), zuletzt geändert durch G. v. 11.11.2013 (GVOBl. S. 609); in Niedersachsenin §§ 73 ff des Niedersächsischen Justizgesetzes (NJG) v. 16.12.2014 (GVBl. S. 436), zuletzt geändert durch G. v. 24.10.2019 (GVBl. S. 300); in Nordhein-Westfalenin §§ 109 ff Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW v. 26.10.2010 (GV NRW S. 30), zuletzt geändert durch G. v. 18.12.2018 (GV NRW S. 770); in Sachsenin §§ 2, 22 ff Sächsisches Justizgesetz – SächsJG (GVBl. S. 482, ber. 2001, S. 704), zuletzt geändert durch G. v. 11.5.2019 (GVBl. S. 358), in Schleswig-Holstein in den §§ 64 ff Landesjustizgesetz (LJG) v. 17.4.2018 (GVOBl. S. 231, ber. S. 441).
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