1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 In diesem Fall liegt eine schwere Beleidigung vor, die die Reaktion des Ehemannes M nachvollziehbar erscheinen lässt.
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Sexualbezogene Kränkungenund sexuelle Untreuenehmen bei der Anwendung des § 213 seit jeher einen großen Raum ein.[16] Daneben spielt auch immer wieder eine Alkoholisierung von Opfer und Tätereine erhebliche Rolle. Insbesondere bei Alkoholikern, die im Trunkenheitszustand zu Gewalttätigkeiten neigen, zermürbt deren regelmäßiges Verhalten den Täter mit der Folge, dass jede weitere Provokation „das Fass zum Überlaufen bringt“.[17]
Die Provokation muss den Täter ohne eigene Schuldgetroffen haben. Dies ist zu verneinen, wenn der Täter den Getöteten in vorwerfbarer Weise zur Provokation veranlasst hat.
Beispiel
Hätte in obigem Beispielsfall der Ehemann die Ehefrau zuvor in dieser besonderen Situationen stets der Frigidität beschimpft, so lägen wechselseitige Provokationen vor mit der Folge, dass die Provokation der Ehefrau lediglich eine Reaktion auf die vorangegangene Provokation des Ehemannes darstellte und diesem die Berufung auf § 213 verwehrt wäre.
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Weitere Voraussetzung ist, dass der Täter aufgrund der Provokation zum Zorne gereizt, was nicht nur bei einem Affekt im engeren Sinne, sondern auch bei Wut und Empörung angenommen wird, und dadurch auf der Stelle zur Tat hingerissenwurde. Der Täter muss also bei der Tötung noch unter dem beherrschenden Einfluss der Provokation und der dadurch bedingten Gemütslage gestanden haben. Dafür braucht der Zorn nicht das einzige Motiv gewesen zu sein. Sofern jedoch auch andere Motive eine Rolle spielen (sog. Motivbündel) ist es erforderlich, dass der Zorn die maßgebliche Rollegespielt hat.[18]
Beispiel
War der Ehemann M im obigen Fall sowieso schon zur Tötung der Ehefrau entschlossen, weil er in den Genuss einer Lebensversicherung kommen und sich sein Leben mit seiner Freundin und dem Geld versüßen wollte, so kann die Provokation unerheblich sein, wenn sie ihn nicht mehr aufregt als ein weiterer regnerischer Tag nach zwei vorangegangenen Regenwochen im August.
2. Unbenannte minder schwere Fälle
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Die zweite Alternative eines „sonstigen“ minder schweren Falles ist einschlägig, wenn das gesamte Tatbild einschließlich der subjektiven Umstände und der Persönlichkeit des Täters von den vergleichbaren Fällen des Totschlages in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Auch hier ist wieder eine Gesamtbetrachtungsämtlicher Umstände erforderlich.
Beispiel
Ein unbenannter minder schwerer Fall gem. § 213 wurde angenommen bei den DDR-Mauerschützen, welche als letztes Glied einer staatlichen Befehlskette und unter entsprechendem staatlichen Druck gehandelt hatten. Hier hat der BGH aufgrund der gesamten seinerzeitigen politischen Situation und der persönlichen schwierigen Situation der Mauerschützen § 213 bejaht.[19]
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Liegt die erste Alternative des § 213 vor, so ist die Strafe entsprechend zu mildern. Kommen weitere Strafmilderungsgründehinzu (z.B. eine verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21) so sind bei der Ermittlung des Strafrahmens alle Milderungsmöglichkeiten nebeneinander zu berücksichtigen. Treffen hingegen weitere Milderungsgründe auf die zweite Alternative des § 213, so ist im Einzelfall abzugrenzen, ob diese weiteren Milderungsgründe nicht an und für sich schon geeignet sind, den unbenannten Milderungsgrund der zweiten Alternative zu begründen. Nur wenn die weiteren Milderungsgründe selbstständig neben den Milderungsgründen des § 213 zweite Alternative stehen, sind sie nebeneinander berücksichtigungsfähig.[20]
2. Teil Straftaten gegen das Leben› B. Totschlag, § 212› VII. Konkurrenzen
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§ 212 verdrängt die §§ 223 ff. und § 221. Tateinheit ist möglich zwischen §§ 212, 22, 23 und §§ 223 ff. sowie § 221. Hinter § 211 tritt § 212 zurück.
[1]
BGHSt 36, 1; BGH NJW 2003, 603 f.
[2]
BGH Entscheidung vom 22.4.2009 Az 5 StR 88/09 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[3]
BGH NStZ 2006, 685.
[4]
LG Berlin NStZ 2017, 471.
[5]
BGH JuS 2018, 492 mit Anm. Eisele .
[6]
A.a.O.
[7]
A.a.O.
[8]
BGH Urteil vom 22.3.2012 Az 4 StR 558/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de, dazu auch Puppe NStZ 201, 183.
[9]
BGH Urteil vom 22.3.2012 Az 4 StR 558/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[10]
BGH NStZ 1994, 483.
[11]
BGH NStZ 2004, 330.
[12]
BGH DAR 2003, 124.
[13]
Fischer § 212 Rn. 19.
[14]
BGH NStZ 91, 432.
[15]
Fischer § 213 Rn. 4 ff.
[16]
Vgl. BGH NStZ 2004, 500.
[17]
Fischer § 213 Rn. 6.
[18]
Schönke/Schröder-Eser/Sternberg- Lieben § 213 Rn. 8 ff.
[19]
BGH NJW 95, 2729, 2732.
[20]
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 198 ff.
2. Teil Straftaten gegen das Leben› C. Mord, § 211
2. Teil Straftaten gegen das Leben› C. Mord, § 211› I. Überblick
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§ 211 beginnt zunächst in Abs. 1 mit der Feststellung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Erst in Abs. 2 werden die Strafbarkeitsvoraussetzungen genannt. Dabei werden drei Gruppen von Mordmerkmalen unterschieden:
1. Gruppe: verwerflicher Beweggrund |
2. Gruppe: verwerfliche Begehungsweise |
3. Gruppe: verwerflicher Zweck |
• aus Mordlust • zur Befriedigung des Geschlechtstriebs • aus Habgier • aus sonstigen niedrigen Beweggründen |
• heimtückisch • grausam • mit gemeingefährlichen Mitteln |
• in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen • in der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken |
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Nach überwiegender Auffassung handelt es sich bei den Mordmerkmalen der zweiten Gruppeum objektive Tatbestandsmerkmale, die die Art und Weise der Begehung näher beschreiben und im objektiven Tatbestand zu prüfen sind.[1] Auf die Verwirklichung dieser objektiven Tatbestandsmerkmalemuss sich dementsprechend auch der Vorsatz richten. Bei den Mordmerkmalen der ersten und dritten Gruppehandelt es sich nach überwiegender Auffassung um besondere persönliche (Tatbestands-)Merkmale,[2] die im subjektiven Tatbestandzu prüfen sind. Eine in der Literatur vertretene Gegenauffassung betrachtet die Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe hingegen als spezielle Schuldmerkmale, die mithin in der Schuldzu prüfen sind.[3]
JURIQ-Klausurtipp
Die Einordnung der Mordmerkmale wirkt sich wiederum auf den Aufbauaus. In der Klausur sollten Sie den nachfolgend dargestellten, allgemein anerkannten Aufbau wählen. Eine Begründung, warum Sie die Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe im subjektiven Tatbestand prüfen, ist nicht erforderlich.
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Der Prüfungsaufbau des § 211 stellt sich, wenn man mit der überwiegenden Meinung die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe nicht als spezielle Schuldmerkmale auffasst, wie folgt dar:
Mord, § 211
I. Objektiver Tatbestand
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