122
Unangemessene Klauseln sind gem. § 307 I 1 BGB unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktionist nach § 306 II BGB ausgeschlossen, so dass § 22 nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden kann, dass zwar keine Individualvereinbarungen, wohl aber solche Ansprüche erfasst werden, die aufgrund betrieblicher Übung entstanden sind.[78]
123
Damit steht der betrieblichen Übung auf Erstattung der Mietkosten kein vertragliches Schriftformerfordernis entgegen.
III. Keine gegenläufige betriebliche Übung
124
Schließlich könnte der betrieblichen Übung noch eine gegenläufige (negative) betriebliche Übungentgegenstehen, weil P ab Januar 2007 die Mietkosten nicht mehr erstattet hat. Allerdings setzt eine gegenläufige betriebliche Übung jedenfalls[79] spiegelbildlich die dreimalige (Nicht-)Handlung voraus, so dass – wenn überhaupt – erst für die Zeit ab April 2007 ein Anspruch ausgeschlossen wäre. Eine gegenläufige betriebliche Übung steht dem Anspruch des C somit nicht entgegen.
125
C beansprucht die Erstattung der Mietkosten daher zu Recht.
[1]
Grundl. BAG v. 13.11.1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG = DB 1959, 768; zuletzt etwa v. 27.1.2011, AP Nr. 73 zu § 4 KSchG 1969 = NZA 2011, 804 (Tz. 13); v. 26.9.2013, NZA 2014, 443, 445 (Tz. 29). Zust. etwa Berkowsky , NZA 2008, 1112, 1112; KR- Friedrich , § 4 KSchG Rn. 255; APS- Hesse , § 4 KSchG Rn. 134 u. 144; ErfK- Kiel , § 4 KSchG Rn. 31; KDZ- Zwanziger , § 4 KSchG Rn. 64. A.A.etwa Boemke, RdA 1995, 211, 222; v. Hoyningen-Huene/ Linck , § 4 KSchG Rn. 137; BeckOK-ArbR- Kerwer , § 4 KSchG Rn. 75; M. Schwab , RdA 2013, 357, 359 ff.; SPV- Vossen , Rn. 2019 u. 2043.
[2]
Zum Meinungsstand vgl. etwa die Übersicht bei BeckOK-ArbR- Kerwer , § 4 KSchG Rn. 72 u. 74 f.
[3]
Typische Problemfälle sind dagegen Betriebsübergang, Anfechtung oder vertragliche Aufhebung des Arbeitsvertrags. Nach der in der Lit. vertretenen Gegenauffassung (s. Fn. 1) ist in solchen Fällen ein kombinierter Kündigungsschutzantrag nach § 256 ZPO („Schleppnetzantrag“) erforderlich, vgl. näher BeckOK-ArbR- Kerwer , § 4 KSchG Rn. 85 m.w.N.
[4]
Vgl. etwa APS- Hesse , § 7 KSchG Rn. 6 ff. Zur Relevanz für die Reichweite der Rechtskraft vgl. v. Hoyningen-Huene/ Linck , § 4 KSchG Rn. 146.
[5]
Vgl. etwa Genenger , RdA 2010, 274, 275 ff. m.w.N.
[6]
Gleichermaßen vertretbar ist es, „Anhörung“ i.S.d. § 102 I 3 BetrVG teleologisch als „ordnungsgemäße Anhörung“ auszulegen. Unklar etwa BAG v. 16.9.1993, AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG = NZA 1994, 311, 313 wo einerseits von „Ausfüllung einer Lücke“, andererseits von „teleologischer Auslegung“ die Rede ist.
[7]
Vgl. etwa Canaris , Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 198; Bydlinski , Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1991, S. 473 ff. m.w.N.
[8]
Canaris , Lücken im Gesetz, S. 16 u. 31 ff. in Anknüpfung an Elze , Lücken im Gesetz, S. 3 ff. Ebenso Bydlinski , Methodenlehre, S. 473; Engisch , Einführung, S. 137 f.; Larenz , Methodenlehre, S. 373; Larenz/Canaris , Methodenlehre, S. 194.
[9]
Vgl. exemplarisch BVerfG v. 31.5.2006, NJW 2006, 2093, 2095 sowie BGH v. 16.7.2003, BGHZ 155, 380, 389 = NJW 2003, 2601, 2603, wo aber gleichzeitig auf Canaris ausdrücklich Bezug genommen wird.
[10]
Vgl. zur Unterscheidung von Regelungs- und Normlücke (oder Anordnungslücke) etwa Larenz , Methodenlehre, S. 372 mit dem Beispiel des § 904 S. 2 BGB.
[11]
Grundl. BAG v. 28.2.1974, AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG m. Anm. Richardi = DB 1974, 1294; zuletzt etwa v. 16.1.2003, AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG = NZA 2003, 927, 928. Aus der Lit. ErfK- Kania , § 112 BetrVG Rn. 29; GK-BetrVG- Raab , § 102 BetrVG Rn. 91.
[12]
BAG v. 16.9.1993, AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG = NZA 1994, 311, 313.
[13]
Vgl. BAG v. 29.1.1986, AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG = NZA 1987, 32, 33. Zust. ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 5; Richardi- Thüsing , § 102 BetrVG Rn. 52.
[14]
So überzeugend Marhold , Anm. EzA Nr. 79 zu § 102 BetrVG 1972, S. 8 ff.; GK-BetrVG- Raab , § 102 BetrVG Rn. 64 m.w.N.
[15]
So zu Recht Marhold , Anm. EzA Nr. 79 zu § 102 BetrVG 1972, S. 9. Anderes gilt unseres Erachtens nur, wenn es z.B. um eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung geht, da deren Folgen (Einspar-Effekt) und somit auch ihre Rechtmäßigkeit vom Beendigungszeitpunkt abhängt, vgl. BAG v. 29.3.1990, AP Nr. 56 zu § 102 BetrVG = NZA 1990, 894, 896 sowie aus der Lit. Krois , ZfA 2009, 575, 607 m.w.N.
[16]
Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Unterrichtung die Gründe für die Kündigung aus seiner Sicht mitteilen (sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung), vgl. etwa BAG v. 6.7.2006, NZA 2007, 266, 267 f. sowie ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 6.
[17]
BAG v. 29.1.1986, AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG = NZA 1987, 32, 33.
[18]
Eine bewussteTäuschung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber im Anhörungsverfahren macht dieses dagegen stets fehlerhaft und zieht die Nichtigkeit analog § 102 I 3 BetrVG nach sich, vgl. etwa BAG v. 22.9.1994, AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG = NZA 1995, 363, 365; ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 8.
[19]
Bei gesetzlicher Vertretungsmacht reicht das „Können“ im Außenverhältnis häufig weiter als das „Dürfen“ im Innenverhältnis (vgl. etwa § 126 II Hs. 1 HGB für die oHG, § 37 II 1 GmbHG für die GmbH).
[20]
Vgl. etwa Richardi- Thüsing , § 26 BetrVG Rn. 33 f. m.w.N. Zur Möglichkeit der Vertrauenshaftung vgl. GK-BetrVG- Raab , § 26 BetrVG Rn. 45 ff.
[21]
Vgl. BAG v. 16.1.2003, AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG = NZA 2003, 927, 929; ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 26. A.A.GK-BetrVG- Raab , § 102 BetrVG Rn. 89, der die Problematik über die Grundsätze des Vertrauensschutzes lösen und somit nur den gutgläubigen Arbeitgeber schützen will; ähnlich Richardi- Thüsing , § 102 BetrVG Rn. 123.
[22]
Zuletzt etwa BAG v. 24.6.2004, AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung = NZA 2004, 1330, 1331 ff.
[23]
Da die ratio der Mitbestimmung nach § 102 I, II BetrVG darin liegt, dem Betriebsrat die Einwirkung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers zu ermöglichen, kommt es für die Einhaltung der Wochenfrist nach § 102 II 1, 2 BetrVG nicht auf den Zugang, sondern die Abgabe der Erklärung an, vgl. nur ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 3.
[24]
So in der Tat GK-BetrVG- Raab , § 102 BetrVG Rn. 89; Richardi- Thüsing , § 102 BetrVG Rn. 123.
[25]
Zur falschen Wortbildung des mittlerweile jedoch allgemein üblichen Begriffs „Teleologie“ s. Fikentscher , Methoden des Rechts IV, 1977, S. 367 f.
[26]
So BAG v. 24.6.2004, AP Nr. 22 zu § 620 BGB Kündigungserklärung = NZA 2004, 1330, 1332 f.; zust. ErfK- Kania , § 102 BetrVG Rn. 26. A.A.noch BAG v. 28.2.1974, AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG = DB 1974, 1294, 1294 f. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Fehler in der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst bzw. beeinflusst hat, was hier nicht der Fall ist.
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