Zur Anspruchsgrundlage der Stadtwerke bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses siehe Art. 243 EGBGB und § 10 AVB WasserV. Bei öffentl.-rechtl. Ausgestaltung siehe §§ 6a, 8 nds.KAG; § 10 KAG NRW; § 35 AVB WasserV.
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Gewissermaßen stillschweigend als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass es sich um eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde (siehe oben § 7) handelt, für die von dieser ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet wird:
„Da die öffentliche Einrichtung durch die gesetzlichen Zugangsansprüche der Berechtigten und die korrespondierende Verpflichtung der Gemeinde, den Zugang zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten, gekennzeichnet wird, kann ein Betrieb in privater Trägerschaft nur dann eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde darstellen, wenn diese in rechtlicher Hinsicht in der Lage ist, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Gemeinde muss den Berechtigten die Benutzung des privaten Betriebs zu angemessenen Bedingungen verschaffen können. Dies setzt voraus, dass ein maßgeblicher Einfluss der Gemeinde auf die wesentlichen betrieblichen Entscheidungen des privaten Unternehmens rechtlich sichergestellt ist. Sind die Rechtsbeziehungen zwischen diesem und der Gemeinde – wie regelmäßig – in einem Betreibervertrag geregelt, so muss dieser Vertrag die Verpflichtung des Betreibers enthalten, den Vertragsbeziehungen mit den Benutzungsberechtigten die rechtlichen Vorgaben von § 10 Abs. 2, 3 und 5 SächsGemO und des Satzungsrechts der Gemeinde zu Grunde zu legen. Demzufolge muss dem privaten Unternehmen in dem Betreibervertrag ein Kontrahierungszwang ebenso auferlegt werden wie die Übernahme der von der Gemeinde vorgegebenen Benutzungsbedingungen in die Vertragsbeziehungen mit den Benutzungsberechtigten. Auch muss sich das Unternehmen verpflichten, Änderungen des Betriebs, die sich auf die Benutzung auswirken, und Änderungen der Benutzungsbedingungen, insbesondere der Benutzungsentgelte, nur im Einvernehmen mit der Gemeinde vorzunehmen.“[19]
Teil I Kommunalrecht› § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang› III. Ausnahmemöglichkeit bei Unzumutbarkeit
III. Ausnahmemöglichkeit bei Unzumutbarkeit
 
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Kommunalrechtlich besteht die – unter grundrechtlichen Aspekten aus der Sicht der betroffenen Einwohner zur Vermeidung übermäßiger Ingerenzen gebotene – Option, per Satzung Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwangzuzulassen (vgl § 11 II bd.wtt.GO; § 15 II 1 m.v.KVerf.; § 13 S. 2 NKomVG; § 9 S. 2 GO NRW). Üblich und zulässig ist dabei eine Anknüpfung an den Begriff der Unzumutbarkeit.
Unzumutbar ist ein Anschluss an die kommunale Wasserleitung aber nicht bereits deshalb, weil auf einem privaten Grundstück ein funktionsfähiger Brunnen existiert. Sonst käme es in ländlichen Gebieten kaum je zu einer flächendeckenden Versorgung[20]. Auch die berechtigten Belange des Versorgungsträgers sind bei der Zumutbarkeitsfrage einzubeziehen[21]. Unzumutbarkeit ist aber etwa zu bejahen bei einer Brauerei im Hinblick auf das zur Verwendung kommende Brauwasser[22]. Mit Blick auf den Anschlusszwang an eine öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungsanlage ist eine Unzumutbarkeit anerkannt worden, wenn die Anschlusskosten in Anbetracht des Verkehrswertes des Grundstücks unverhältnismäßig sind.[23]
Teil I Kommunalrecht› § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang› IV. Verfassungsrechtliche Aspekte
IV. Verfassungsrechtliche Aspekte
 
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Verfassungsrechtliche Einwände gegen die auf kommunalrechtlicher Ermächtigung basierende satzungsmäßige Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs[24] könnten aus der Sicht der betroffenen Grundstückseigentümer vor allem unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit und das Eigentumsgrundrechtvorgebracht werden.
Die satzungsrechtliche Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs stellt einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der davon betroffenen Personen dar. Diesen werden unmittelbar durch die Satzung die Gebote auferlegt, diejenigen Maßnahmen vorzunehmen oder zu dulden, die zur Herstellung des Anschlusses an die vom Satzungsgeber vorgesehene Einrichtung erforderlich sind (Anschlusszwang) und ihren Bedarf ausschließlich von dieser Einrichtung zu decken (Benutzungszwang). Damit ist zwangsläufig das Verbot der anderweitigen Bedarfsdeckung verbunden. Den Anschluss- und Benutzungspflichtigen wird somit die Möglichkeit genommen, selbst darüber zu entscheiden, auf welche Weise sie ihre Versorgung sicherstellen wollen. Kann auf Grund des Anschluss- und Benutzungszwangs eine private Versorgungsanlage nicht mehr genutzt oder ein Versorgungsrecht nicht mehr wahrgenommen werden, so liegt ein Eingriff in das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht vor[25].
Wegen der Befugnis des Gesetzgebers zur Inhaltsbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 I 2 GG (normgeprägtes Grundrecht – Ausgestaltungsbedürftigkeit) hat das Bundesverwaltungsgericht das Eigentumsrecht eines Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kläranlage betreibt, aber von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen[26].
Es besteht Einvernehmen dahingehend, dass eine im Interesse der Volksgesundheit bei entsprechendem Bedürfnis erfolgte normative Festlegung als Ausfluss der Sozialbindung des Grundeigentums regelmäßig eine legitime Schrankenziehung (Art. 14 I 2 GG) darstellt, wenn sie die Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wahrt[27].
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Weil bei der normativen Ausgestaltung der Einzelheiten des Anschluss- und Benutzungszwangs durchgängig das rechtsstaatliche Übermaßverbot zu beachten ist, kann sich gegebenenfalls ein Anspruch auf Ausnahmegenehmigung (vgl o. Rn 277) aus dem Grundrecht ableiten lassen[28].
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Belastende Wirkungen bringt die Festlegung eines Anschluss- und Benutzungszwangs aber auch namentlich für solche Gewerbetreibendemit sich, die entsprechende Einrichtungen bislang auf privater Basis betrieben haben. Hier steht die Judikatur der obersten Bundesgerichte auf dem Standpunkt, der private Betreiber habe von Anfang an damit rechnen müssen, dass eine öffentliche Einrichtung geschaffen und ein Anschluss- und Benutzungszwang begründet werde. Insofern habe er nur eine – von den Art. 12 und 14 GG nicht geschützte – risikobehaftete wirtschaftliche Chance wahrgenommen und sich in eine Position begeben, die insoweit mit der des vorgenannten Grundstückseigentümers vergleichbar sei, dessen latente situationsbedingte Pflichtigkeiten sich leicht alsbald zu aktuellen Verpflichtungen verdichten könnten[29].
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Angesichts der besonderen Begründungsbedürftigkeit für öffentliche Monopole[30] wird aber darüber hinaus auch zu fragen sein, inwieweit durch die Schaffung und auch durch die Aufrechterhaltung eines Anschluss- und Benutzungszwangs berufliche Entfaltungschancen Privater übermäßig behindert werden[31]. Gegebenenfalls muss dem durch eine Befreiungsregelung(o. Rn 277) Rechnung getragen werden.
Teil I Kommunalrecht› § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang› V. Rechtsfragen aus dem Benutzungsverhältnis
V. Rechtsfragen aus dem Benutzungsverhältnis
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Auch wenn für eine der Volksgesundheit dienende Einrichtung ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet ist, kann die Gemeinde nach ihrem Ermessen die Einzelheiten der Benutzungsverhältnisseprivatrechtlich, nach Maßgabe entsprechender AGB, regeln. Anschluss- und Benutzungszwang einerseits und die eher verwaltungsökonomisch orientierte Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses einschließlich der einschlägigen Entgeltregelungen andererseits gehören nicht dergestalt zusammen, dass nur eine einheitliche (öffentl.-rechtl.) Ausgestaltung akzeptabel wäre. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Gemeindeordnungen nur von „öffentlichen“, nicht aber von „öffentlich-rechtlichen“ Einrichtungen sprechen und seit langem vielfach Träger der entsprechenden Einrichtung gar nicht die Gemeinde selbst, sondern eine privatrechtliche Organisation(Bsp.: Stadtwerke GmbH) ist (vgl oben Rn 247). Schließlich lässt das Kommunalabgabenrecht selbst bereits erkennen, dass für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ein privatrechtliches Entgelt möglichist (vgl Art. 8 I 2 bay.KAG; § 5 I 1 nds.KAG; § 6 I 1 KAG NRW)[32].
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