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In diesem Zusammenhang stellt sich ein besonderes Problem, wenn ein Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes[4] Vorteile, welche mit dem Ziel einer späteren Bevorzugung im Wettbewerb von einem Dritten gewährt werden, nicht für sich annimmt, sondern für die ihn anstellende Körperschaft. Durch die Erweiterung des Tatbestandes auf „Drittvorteile“ und die damit einhergehende Einbeziehung des Betriebes in den Kreis der Drittvorteilsempfänger des § 299 StGB könnte sich der Angestellte oder Beauftragte in einem solchen Fall einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 1 StGB strafbar machen.[5] Der Vorteilsgewährende läuft spiegelbildlich Gefahr, sich wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 2 StGB strafbar zu machen.
Eine besondere Brisanz erhält die Frage einer möglichen Strafbarkeit auch durch den Umstand, dass der Betriebsinhaber[6] nach der derzeitigen Fassung des § 299 StGB nach einhelliger Auffassung kein Täter einer Angestelltenbestechlichkeit gem. § 299 Abs. 1 StGB ist.[7] Damit ist für ihn das Annehmen von Vorteilen jedweder Art jederzeit möglich. Der Vorteilsgewährende macht sich mangels tauglichen Vorteilsempfängers in diesem Fall auch nicht wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 2 StGB strafbar. Der Angestellte oder Beauftragte jedoch, der nicht selten gar mit der Einwilligung des Geschäftsherrn Vorteile für diesen annimmt, könnte aufgrund der Tatsache, dass dieser Einwilligung nach überwiegender Auffassung keine strafbefreiende Wirkung zukommt, vom Tatbestand des § 299 Abs. 1 StGB erfasst sein.[8]
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Verstärkt wird die Problematik schließlich noch dadurch, dass das Aushandeln von Rabatten, das Ausschütten von Prämien und die Zahlung von Provisionen alltägliche Vorgänge im Wirtschaftsverkehr sind. Der Preis einer Leistung, das Locken mit besonders günstigen Angeboten sowie das Unterbieten etwaiger Mitbewerber gehören zu einem wirtschaftlichen Leistungswettbewerb dazu und machen diesen auch aus. Im Grundsatz muss es daher für den im Einkauf beschäftigten Mitarbeiter möglich sein, Vorteile für das Unternehmen auszuhandeln und anzunehmen.
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Dennoch darf nicht verkannt werden, dass einige Verhaltensweisen im Wirtschaftsverkehr weit über das im Allgemeinen übliche Aushandeln von Rabatten hinausgehen. Außerdem könnte die Gewährung von Vorteilen an das Unternehmen selbst als bloßes Zwischenziel fungieren, den Vorteil schlussendlich doch den Angestellten oder Beauftragten des jeweiligen Betriebes zugutekommen zu lassen. Auch würde es bei genereller Straflosstellung der Beteiligten unerheblich sein, in welcher Art und in welchem Umfang die Vorteile gewährt werden. In der Praxis muss es jedoch einen Unterschied machen, ob marktübliche Rabatte auf die abzunehmende Ware gewährt oder gefordert werden oder zum Teil erhebliche, die Marktüblichkeit verlassende materielle Zuwendungen wie beispielsweise neue Firmenfahrzeuge an das Unternehmen ausgeschüttet werden. Im letzteren Fall erscheint es auf den ersten Blick eher wahrscheinlich, dass sich die jeweiligen Entscheidungsträger in der Auswahl des zu beziehenden Produkts mehr von den materiellen Zuwendungen, als durch rationale Kriterien, wie Preis und Qualität der Ware, beeinflussen lassen. Eine unsachliche Bezugsentscheidung könnte die Folge sein.
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Aus dem beschriebenen Problem ergibt sich die Notwendigkeit, korrupte und strafwürdige Verhaltensweisen von dem im Rechtsverkehr erlaubten Aushandeln oder Annehmen von Vorteilen für das eigene Unternehmen abzugrenzen. Die nachfolgende Arbeit versucht eine Antwort auf die bislang nicht hinreichend geklärte Frage zu geben, in welchen Fällen die Annahme von Vorteilen durch Angestellte und Beauftragte für das eigene Unternehmen ein Strafbarkeitsrisiko wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 1 StGB nach sich zieht. Durch die spiegelbildliche Ausgestaltung des Tatbestandes der Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 2 StGB wird dabei auch die Frage mitbeantwortet, wie der Vorteilsgewährende in den fraglichen Konstellationen aus strafrechtlicher Sicht zu behandeln ist.
[1]
Vgl. etwa Geerds JR 1996, 309 (312). Allerdings bezogen sich die Ausführungen – so auch die von Geerds – zunächst primär auf die insoweit identische Erweiterung der §§ 331 ff. StGB. Für § 299 StGB siehe zuletzt etwa Grützner/Momsen/Behr NZWiSt 2013, 88 (88 ff).
[2]
Vgl. GK-UWG- Otto § 12 Rn. 15. Für §§ 331 ff. StGB siehe HWSt- Rönnau III, 2 Rn. 23.
[3]
Zur Begründung des Gesetzgebers vgl. BT-Drucks. 13/5584, S. 15.
[4]
Zu der Unterscheidung der Begriffe „geschäftlicher Betrieb“ und „Betriebsinhaber“ siehe ausführlich Grützner/Momsen/Behr NZWiSt 2013, 88 (88 ff.). Speziell in Bezug auf die Annahme von Drittvorteilen macht es letzten Endes aber keinen Unterschied, ob die Vorteile zugunsten des geschäftlichen Betriebes oder dessen Trägers bzw. Eigentümers angenommen werden. Daher wird eine generelle Unterscheidung nachfolgend auch nicht vorgenommen.
[5]
So kommt nach derzeit h.M. als „Dritter“ auch der geschäftliche Betrieb in Betracht, für den der Angestellte oder Beauftragte tätig ist. So Sch/Sch- Heine § 299 Rn. 12; MüKo-StGB- Diemer/Krick § 299 Rn. 10; NK- Dannecker § 299 Rn. 41; LK- Tiedemann § 299 Rn. 26; Heiß Bestechung und Bestechlichkeit, S. 31; Corsten Einwilligung, S. 304; Ulbricht Bestechung und Bestechlichkeit, S. 73 f.; Sprafke Korruption, S. 139; Kienle/Kappel NJW 2007, 3530 (3532); Lesch AnwBl. 2003, 261 (264); Bürger wistra 2003, 130 (131). Offen hingegen bei Fischer StGB, § 299 Rn. 11a. A.A. SK -Rogall § 299 Rn. 48.
[6]
Der Begriff ist zumindest in Bezug auf § 299 StGB gleichzusetzen mit dem des Geschäftsinhabers oder des Geschäftsherrn und wird in der Folge – um eine Vielzahl von Wiederholungen zu vermeiden –uneinheitlich verwendet. Es handelt sich dabei stets um den Träger des geschäftlichen Betriebes.
[7]
Zur fehlenden Täterqualität vgl. Joecks StGB, § 299 Rn. 5; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 213; Bannenberg in: Wabnitz/Janovsky, Kap. 10 Rn. 101; HWSt- Rönnau III 2 Rn. 8; Bannenberg Korruption, S. 25; Pfefferle Korruption, S. 13; Mitsch Strafrecht BT II/2; § 3 Rn. 217.
[8]
Zu einem möglichen Strafausschluss durch das Einverständnis des Geschäftsherrn auf Tatbestands- oder Rechtfertigungsebene vgl. ausführlich Rn. 263 ff.
Teil 1 Einleitung› C. Gang der Untersuchung
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Zunächst werden im zweiten Teil der Arbeit grundsätzliche Erwägungen angestellt, welche die für die weitere Untersuchung notwendigen Grundlagen vermitteln sollen. Neben einer Darstellung der historischen Entwicklung und des geschützten Rechtsguts des § 299 StGB werden die ökonomischen Grundlagen des Wettbewerbs skizziert und die Frage einer möglichen Wettbewerbsakzessorietät des Bestechungstatbestandes erörtert. Schließlich wird kurz auf das Verhältnis zu den Amtsträgerdelikten der §§ 331 ff. StGB eingegangen.
Im dritten Teil der Arbeit werden zunächst einige Beispielsfälle dargestellt, in denen Vorteile zugunsten des Unternehmens, für welches der Angestellte oder Beauftragte tätig ist, angeboten oder gefordert werden. Die Lösung der Beispielsfälle nach der herkömmlichen Interpretation des § 299 StGB wird deutlich machen, dass das strafrechtliche Bestechungsverbot eine bedenkliche Weite erreicht hat. Deshalb werden nachfolgend bisherige Lösungsansätze zu einer restriktiven Auslegung des § 299 StGB dargestellt und jeweils einer kritischen Bewertung unterzogen. Im Anschluss wird ein eigener Lösungsansatz vorgestellt. Neben methodischen Überlegungen werden hier auch einige grundsätzliche Erwägungen des zweiten Teils aufgegriffen, um ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen. Schließlich wird diskutiert, ob aufgrund der Untersuchungsergebnisse de lege ferenda Änderungen am Tatbestand des § 299 StGB vorzunehmen sind.
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