Christoph Probst - Die Flugblätter der Weißen Rose – Als Fließtext und original Faksimile

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Die Flugblätter der Weißen Rose | Als Fließtext, und zusätzlich mit den Original-Flugblättern | Vollständig verlinkt und mit eBook-Inhaltsverzeichnis | Mit einem Begleitwort des Herausgebers |"Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique regieren zu lassen. Ist es nicht so, dass sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?" | Gleich dieser erste Satz des ersten Flugblattes der Weißen Rose fasst die alle Dimensionen sprengende Unmenschlichkeit des Nazi-Regimes, die Verdorbenheit des Volkes und die Konsequenzen, die das alles für Generationen haben würde, so treffend zusammen, wie man es nirgendwo sonst lesen konnte. Sechs Flugblätter verschickten und verteilten die Mitglieder der Weißen Rose, Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst und Willi Graf und begaben sich dabei in Lebensgefahr. Nach ihrer Entdeckung im Jahr 1943 trifft sämtliche Mitglieder der mutigen Studentengruppe die Todesstrafe. Die hier abgedruckten Flugblätter sind ein einzigartiges Zeitdokument. © Redaktion DemokratieDirekt, 2015

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Vorwort des Herausgebers Während sich das breite Bürgertum in der Nazizeit in - фото 1

Vorwort des Herausgebers

Während sich das breite Bürgertum in der Nazizeit in sein Schicksal ergab, oder, schlimmer noch, als Mitläufer oder Unterstützer Teil des Regimes war, blieb es einer kleinen Gruppe mutiger Münchner Studenten vorbehalten, die bitteren Tatsachen auszusprechen und den Nazi-Staat als das darzustellen, was er war: ein Terrorregime.

Insgesamt sechs Flugblätter verschickten und verteilten sie zwischen Juni 1942 und Februar 1943. Schriften, die in ihrer Deutlichkeit nichts zu wüschen übrig ließen. – Gleich der erste Satz des ersten Flugblattes fasst die alle Dimensionen sprengende Unmenschlichkeit des Regimes, die Verdorbenheit des Volkes – und die Konsequenzen, die das alles für Generationen haben würde, so treffend zusammen, wie man es nirgendwo anders lesen konnte:

Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique »regieren« zu lassen. Ist es nicht so, dass sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?

Im zweiten Flugblatt schrieben sie u. a.:

... doch ist es noch nicht zu spät, diese abscheulichste aller Missgeburten von Regierungen aus der Welt zu schaffen, um nicht noch mehr Schuld auf sich zu laden. Jetzt, da uns in den letzten Jahren die Augen vollkommen geöffnet worden sind, da wir wissen, mit wem wir es zu tun haben, jetzt ist es allerhöchste Zeit, diese braune Horde auszurotten.

Und im vierten:

Jedes Wort, das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhaftester Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle, und seine Macht ist im Grunde verworfen.

Dies nur einige wenige Beispiele der mutigen und unverblümten Angriffe auf das Nazi-Regime. Dass Hitlers Schergen diese Untergrund-Opposition so schnell wie möglich vernichten wollte, war klar. Und klar war auch, dass sich alle Mitglieder und Unterstützer der Weißen Rose in Lebensgefahr begaben.

Keimzelle der Widerstandsbewegung »Weiße Rose« waren die Studenten Hans Scholl und Alexander Schmorell, die die ersten vier Flugblätter im Juni und Juli 1943 schrieben und an ausgewählte Adressen in München per Post verschickten und einen kleineren Teil rund um die Universität verteilten. Die Auflage war mit jeweils nur 100 bis 200 Exemplaren gering.

Im Lauf der Zeit weitete sich der Kreis der Widerständler, es kamen die Schwester von Hans, Sophie Scholl, hinzu, sowie die Studenten Christoph Probst und Willi Graf und später der Universitäts-Professor Kurt Huber. Alle halfen konspirativ beim Druck und Versand der Blätter, versuchten Kontakt zu anderen Untergrund-Gruppen zu finden und gaben inhaltliche Impulse für die Texte der Flugblätter. Der Entwurf für das letzte und sechste Blatt stammte dann von Kurt Huber.

Die Medizinstudenten Scholl und Schmorell mussten von Ende Juli bis Oktober 1942 ein medizinisches Praktikum in Lazaretten an der Ostfront ableisten. Als sie zurückkehrten, nahmen sie sich vor, den Widerstand auf breitere Basis zu stellen. Das nächste Flugblatt sollte in Tausender-Auflage (am Ende waren es annähernd 10.000) über München hinaus in ganz Deutschland verbreitet werden und das lethargische Volk, das sich in sein Schicksal ergeben hatte, endlich aufrütteln.

Weitsichtig entwarfen Scholl und Schmorell in dem Text bereits ein Bild des kommenden Deutschlands, wenn der Nazi-Spuk endlich vorbei sein würde:

»Nur in großzügiger Zusammenarbeit der europäischen Völker kann der Boden geschaffen werden, auf welchem ein neuer Aufbau möglich sein wird. Jede zentralistische Gewalt, wie sie der preußische Staat in Deutschland und Europa auszuüben versucht hat, muß im Keime erstickt werden. Das kommende Deutschland kann nur föderalistisch sein. Nur eine gesunde föderalistische Staatenordnung vermag heute noch das geschwächte Europa mit neuem Leben zu erfüllen.«

Die erhoffte Reaktion auf die Flugblätter war bislang ausgeblieben, aber die Studenten ließen sich nicht in ihrem Widerstand beirren.

Den Textentwurf für das sechste Flugblatt – es wurde in einer Auflage von rund 1200 Stück produziert – verfasste der Hochschullehrer Kurt Huber, der inzwischen auch zur Gruppe gehörte. Scholl und Schmorell redigierten es, und die anderen Mitglieder der Gruppe übernahmen Druck, Versand und Verteilung.

Ein Teil der Flugblätter wurde Mitte Februar per Post verschickt. Den Rest der Blätter brachten Sophie und Hans Scholl am helllichten Tag – es war der 18. Februar 1943 – zur Universität und legten sie vor den Hörsälen aus. Als Sophie Scholl einen Stapel Flugblätter aus dem zweiten Stock in den Lichthof herabfallen ließ, wurden sie von einem Hausmeister entdeckt und festgehalten, bis die unter dem Kommando der Nazis stehende Polizei eintraf. Hans Scholl trug bereits Christoph Probsts Entwurf für ein siebtes Flugblatt bei sich.

Bereits vier Tage später, am 22. Februar 1943, trat der »Volksgerichtshof« unter Leitung des Nazi-Richters Freisler zusammen. Der Prozess war eine Farce, eine Verteidigung war so gut wie nicht möglich, und das Urteil stand bereits vorher fest: Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst wurden zum Tode verurteilt und das Urteil noch am selben Tag gegen 17 Uhr vollstreckt.

In den folgenden Monaten fanden weitere Prozesse gegen Mitglieder und Unterstützer der Weißen Rose statt. Sämtliche Mitglieder des engeren Kreises traf ebenfalls die Todesstrafe.

Über Umwege war ein Flugblatt, das sechste, nach England gelangt. Dort wurde es vom britischen Militär in neuem Layout und einleitendem Kommentar nachgedruckt und ab dem Sommer 1943 von Flugzeugen der Royal Air Force unter dem Titel »Ein Deutsches Flugblatt« (siehe Innentitel) in mehreren Millionen Exemplaren über Deutschland abgeworfen.

Hans und Sophie Scholl und die anderen Mitglieder und Unterstützer der Weißen Rose sind im kollektiven Gedächtnis Nachkriegsdeutschlands verankert, als exemplarisches Beispiel für den Widerstand, den es doch gab. Ein Symbol, das sehr vielen nach dem Krieg half, ihre eigene Schuld zur verdrängen, mit dem Hinweis »Nicht alle waren wir Nazis«. Obwohl die meisten Deutschen – Frauen wie Männer gleichermaßen – tatsächlich begeisterte Nazis waren.

Ihnen allen, den Mitläufern, Fanatikern und Mördern, hallt der Satz der Weißen Rose nach:

Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!

© Redaktion DemokratieDirekt, Armin Fischer, 2015

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