Gegen die Mitgesellschafter hat der leistende Gesellschafter einen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB, denn zwischen mehreren analog § 128 HGB haftenden Gesellschaftern einer (Außen-)BGB-Gesellschaft besteht ein echtes Gesamtschuldverhältnis, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet[63]. Dieser Ausgleichsanspruch ist allerdings grundsätzlich subsidiär. Das bedeutet, dass der Gesellschafter zunächst versuchen muss, aus dem Gesellschaftsvermögen Befriedigung zu erlangen; nur wenn der Gesellschaft keine Mittel mehr zur Verfügung stehen, haften die Gesellschafter untereinander nach § 426 BGB.[64]
Nach § 426 Abs. 1 BGB sind die Gesamtschuldner, hier die Gesellschafter, untereinander nur dann „zu gleichen Anteilen“ zum Ausgleich verpflichtet (Ausgleich nach Kopfteilen), wenn „nicht ein anderes bestimmt ist.“ Eine solche andere Bestimmung sieht die Rechtsprechung in dem Maßstab, den die Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag für die Gewinn-und Verlustbeteiligung festgelegt haben. Dieser Maßstab ist dann grundsätzlich auch für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgebend.[65]
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Etwas anderes kann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrunde liegende Verbindlichkeit der Gesellschaft, für welche die Gesellschafter von dem Gläubiger gem. § 128 HGB analog in Anspruch genommen werden, auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht. Wie auch sonst im Gesamtschuldnerinnenausgleich kann dies unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB im Innenverhältnis zur Alleinhaftung des handelnden Gesellschafters führen[66].
Der selbstständige Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB entsteht nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses. Das hat zur Folge, dass, sobald die Schuld fällig ist, der mithaftende Gesellschafter schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen kann, dass diese ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirken und ihn insoweit von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen[67].
10. Zur analogen Anwendung des § 28 HGB
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Auf die entstandene Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnte auch § 28 HGB entsprechend anwendbar sein. Nach § 28 HGB gehen die Verbindlichkeiten eines Kaufmanns, wenn jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist in das Handelsgeschäft dieses Kaufmanns eintritt, auf die neu entstandene Gesellschaft über. Fraglich ist, ob das auch für den Fall gilt, dass eine Person Verbindlichkeiten begründet hat und sich anschließend mit einer anderen Person zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließt. Diese Frage stellt sich generell und nicht nur im Hinblick auf Anwalts-BGB-Gesellschaften.
Beispiel:
Rechtsanwalt R, der bisher als Einzelanwalt tätig war, schließt sich mit seinem Kollegen X zu einer Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen. Vor der Gründung dieser Gesellschaft hatte R bei V Computer und Zubehör für 15.600 € gekauft und noch nicht bezahlt. Kann V auch den X gem. § 433 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 28 und 128 HGB analog in Anspruch nehmen?
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Eine entsprechende Anwendung des § 28 HGBauf Fälle dieser Art lässt sich begründen, wenn man davon ausgeht, dass § 28 Abs. 1 HGB den allgemeinen analogiefähigen Rechtsgedanken enthält, eine massive Gläubigerbenachteiligungzu vermeiden, die dadurch entsteht, dass die den Gläubigern bisher haftenden Aktiva eines Unternehmens auf ein anderes, dem Gläubigerzugriff ohne eine dem § 28 Abs. 1 HGB entsprechende Vorschrift nicht zugängliches Rechtssubjekt übertragen werden. Nach Meinung einiger Autoren[68] sollte deshalb die Haftung für Altschulden des einbringenden Gesellschafters im Interesse des Altgläubigers auf die entstandene Gesellschaft (bürgerlichen Rechts) erstreckt werden. Das hätte allerdings zur Folge dass der hinzugetretene Gesellschafter nach § 128 HGB analog für die Altverbindlichkeiten in die Haftung geriete[69]. Eine entsprechende Anwendung des § 130 HGB scheidet aus, weil der zweite Gesellschafter nicht in eine bestehende Gesellschaft eingetreten ist[70].
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Der BGH[71] lehnt eine entsprechende Anwendung des § 28 HGB in einem Fall ab, in dem durch den Zusammenschluss von bisher als Einzelanwälten tätigen Rechtsanwälten eine BGB-Gesellschaft entstand, weil § 28 HGB voraussetze, dass jemand in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eintrete, der Anwalt aber nicht Einzelkaufmann sei, weil er kein Handelsgewerbe betreibe; außerdem stünde den Anwälten als Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft nicht die Möglichkeit offen, einer abweichende Vereinbarung gem. § 28 Abs. 2 HGB Dritten gegenüber zur Geltung zu verhelfen, weil eine Eintragung in das Handelsregister nicht erfolgen könne[72].
Beispiel:
Folgt man der Ansicht des BGH, so ist in dem oben genannten Beispiel § 28 HGB nicht analog anwendbar, so dass X von V nicht in Anspruch genommen werden kann.
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Die vom BGH verwandten Argumente sind vorwiegend formaler Natur[73]. Demgegenüber wiegt das Argument schwer, es drohe eine massive Gläubigerbenachteiligung, wenn man es zulasse, dass die den Gläubigem bisher haftenden Aktiva eines Unternehmens nun auf ein anderes, dem Gläubigerzugriff ohne eine dem § 28 Abs. 1 HGB entsprechende Vorschrift nicht zugängliches Rechtssubjekt übertragen werden können[74]. Deshalb ist eine analoge Anwendung des § 28 HGBauf die Außen-BGB-Gesellschaft einschließlich der Anwaltsgesellschaft zu bejahen.
Für das oben genannte Beispielbedeutet das: V kann auch den X gem. § 433 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 28 und 128 HGB analog in Anspruch nehmen.
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Lösung zu Fall 9:
I. Ansprüche des M gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
M könnte gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 BGB i. V. m. § 31 BGB erworben haben.
1.
Das setzt voraus, dass zwischen der GbR und M ein Schuldverhältnis besteht. Als solches kommt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB in Betracht. Ein solcher Vertrag hat eine Dienst – oder Werkleistung oder beides zum Gegenstand. Dazu kommt noch die eigenverantwortliche Wahrnehmung fremder Vermögensinteresses durch den Geschäftsbesorger. Der Vertrag mit einem Anwalt ist, wie hier, in der Regel ein Vertrag i. S. d. § 675 BGB.
2.
Die BGB-Gesellschaft ist, wenn sie wie hier Außengesellschaft ist, nach h. M. rechtsfähig ohne juristische Person zu sein. Sie kann also Trägerin von Rechten und Pflichten sein. Im zu erörternden Fall ist sie demnach Vertragspartnerin.
3.
Die Gesellschaft müsste eine Pflicht aus diesem Vertrag verletzt haben. Der entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag gehört zu den Verträgen ohne gesetzliche Gewährleistungsvorschriften. Die Gewährleistungsregeln des Werkvertrages mit der Betonung der Mängelbeseitigung (§§ 633 ff. BGB) passen für den Geschäftsbesorgungsvertrag nicht. Deshalb richten sich die Rechtsfolgen der vom Beauftragten zu vertretenden Schlechtleistung vorbehaltlich der deliktischen Ansprüche allein nach dem Pflichtverletzungsrecht der §§ 280 ff. BGB. Wenn also ein Rechtsanwalt mangelhaft leistet, ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 280 ff. BGB. Hier hat B eine wichtige Frist versäumt und damit eine Pflicht aus dem Vertrage verletzt.
4.
Durch die Pflichtverletzung ist M ein Schaden in Höhe von 12.700 € entstanden.
5.
B hat fahrlässig gehandelt, als er die Frist versäumte. Fraglich ist, ob und ggf. auf welche Art und Weise der GbR das Verhalten des B zuzurechnen ist. In Frage kommt eine Zurechnung nach § 278 BGB oder § 31 BGB. Nach Ansicht des BGH[75] ist der § 31 BGB auf geschäftsführende Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft analog anwendbar. Die Anwendung des § 31 BGB setzt allerdings voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat. In der BGB-Gesellschaft sind grundsätzlich alle Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung befugt, es sei denn der Gesellschaftsvertrag sieht eine andere Regelung vor. B ist vertretungs- und geschäftsführungsbefugter Gesellschafter und als solcher in der Lage, die Gesellschaft selbstständig und eigenverantwortlich im Rechtverkehr zu repräsentieren[76]. Sein Handeln muss sich die GbR deshalb in analoger Anwendung des § 31 BGB zurechnen lassen. (Hält man eine analoge Anwendung des § 31 BGB für möglich, entfällt eine Prüfung des § 278 BGB.)
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