2. Pflichten bei Annahme/Übernahme des Mandats
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In der Annahme des Mandatsist der Rechtsanwalt grundsätzlich frei.[2] Allerdings ist er gemäß § 44 BRAO zur unverzüglichen Zurückweisung eines ihm angetragenen Mandats, das er nicht übernehmen will, verpflichtet.[3] Wenn die Entscheidung über die Auftragsannahme noch nicht getroffen werden kann, d.h. das Mandat „unter Vorbehalt“angenommen wird, muss der Rechtsanwalt klar zum Ausdruck bringen, wovon die Auftragsannahme abhängt und welcher Zeitrahmen vorgesehen ist.[4] Die Kündigung des Mandatsdurch den Anwalt ist grundsätzlich jederzeit möglich, allerdings muss ein wichtiger Grund vorliegen, wenn nicht der Gebührenanspruch gefährdet werden soll.[5] Ein wichtiger Grundliegt vor, wenn für den Rechtsanwalt die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbarist, etwa weil der Mandant trotz Aufforderung den verlangten Vorschuss nicht zahlt. Die Kündigung darf nicht zur Unzeit, etwa kurz vor der Hauptverhandlung oder unmittelbar vor Fristablauf, erfolgen,[6] bei einem Verstoß drohen Schadensersatzansprüche. Im Klartext: Den Mandanten später wieder loszuwerden, ist häufig weit schwieriger, als das Mandat bereits bei der Anbahnung abzulehnen oder in einem frühen Stadium – etwa bei Nichtzahlung des vereinbarten Kostenvorschusses – niederzulegen.
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Eine Mandatsübernahme durch einen Rechtsanwalt ist auch dann ohne Weiteres zulässig, wenn der Mandant bereits vertreten ist. Übernimmt der Verteidiger ein Mandat, das zuvor von einem anderen Kollegen geführt wurde, hat er sich zu vergewissern, dass das Mandat des Kollegen/der Kollegin gekündigt wurde[7] und sodann sicherzustellen, dass der früher tätige Rechtsanwalt von der Mandatsübernahme unverzüglich benachrichtigt wird (§ 15 Abs. 1 BORA).[8] Sichergestellt ist die Benachrichtigung nicht, wenn lediglich der Mandant dazu aufgefordert wird, regelmäßig sollte der Kollege selbst angeschrieben werden.[9]
Wird man als zweiter oder dritter Verteidiger mandatiert(was nach § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO zulässig ist), so sind der andere Rechtsanwalt/die anderen Rechtsanwälte unverzüglich über die Mandatsübernahme zu unterrichten (§ 15 Abs. 2 BORA). Es empfiehlt sich des Weiteren eine unverzügliche Absprache über den bisherigen und weiteren Verlauf der Verteidigung.
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Der Strafverteidiger ist nicht verpflichtet, das Mandat bei erkennbarer Aussichtslosigkeitniederzulegen. Andererseits besteht ein Haftungsrisiko wegen eines Beratungsmangels, wenn er seinen Mandanten nicht auf die Aussichtslosigkeit von Rechtsbehelfen hinweist.[10]
3. Ausschluss einer Interessenkollision
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Um einen Verstoß gegen das Verbot, widerstreitende Interessen wahrzunehmen(§ 43a Abs. 4 BRAO),[11] zu verhindern, ist es geboten, abzuklären, ob der Mandatsannahme nicht das Hindernis des Doppelmandats entgegensteht. Insbesondere für Anwälte, die regelmäßig im gesamten Verkehrsrecht tätig sind, also neben straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Fällen auch zivilrechtliche Mandate übernehmen, empfiehlt es sich, eine EDV-gestützte Unfalldatei zu führen, die nach Unfalltag, Unfallort, Mandantenname/Geschädigtenname aufgegliedert sein sollte. Ein Blick in diese Datei gibt Aufschluss, ob eine Interessenkollision zu besorgen ist, weil bereits ein anderer Unfallbeteiligter mit widerstreitenden Interessen beraten wird oder worden ist. [12]
So darf ein Rechtsanwalt, der nach einem Verkehrsunfall den Fahrer bzw. Halter eines Kraftfahrzeugs als Schädiger in einem Ermittlungs- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren vertritt, nicht gleichzeitig oder nacheinander einen Unfallgeschädigten in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers (Fahrer bzw. Halter) vertreten.[13] Liegt eine Interessenkollision vor, so hat der betroffene Anwalt den Mandanten unverzüglich darüber zu unterrichten und alle Mandate in derselben Rechtssache niederzulegen (§ 3 Abs. 4 BORA). Der Verstoß führt zu einer Nichtigkeit des Mandatsvertrages, so dass kein Vergütungsanspruch besteht bzw. eine bereits geleistete Vergütung gemäß § 812 BGB zurückgefordert werden kann.[14] Zudem kann der Anwalt sich eines Parteiverrats gem. § 356 StGB schuldig machen.
4. Rechtsschutzversicherung
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Vor der Mandatsannahme sollte auch geklärt werden, wer die Kosten trägt. Die meisten Mandanten sind rechtsschutzversichert. Obwohl der Anwalt nicht verpflichtet ist, von sich aus das Bestehen und die Bedingungen einer Rechtsschutzversicherungaufzuklären und er darauf vertrauen kann, dass sein Mandant im Wissen um den vorhandenen Rechtsschutzversicherungsvertrag ihn aus eigenem Antrieb darauf hinweist, sollte spätestens bei der Annahme des Mandats die Frage nach dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung gestellt und möglichst um Vorlage der Police, zumindest aber um die Versicherungsnummer gebeten werden.
Hat man ausreichend Kenntnis erlangt, sollte beim Versicherer umgehend schriftlich angefragt werden, ob kostendeckender Rechtsschutz bewilligt wird. Dies wäre an sich Aufgabe des Mandanten, wird aber in der Praxis von dem beauftragten Rechtsanwalt übernommen.
Bei gelegentlichen Rückfragen des Rechtsschutzversicherers sollte beachtet werden, dass der Informationspflicht gegenüber der Versicherung auch Grenzen gesetzt sind.[15] Vertrauensschutz des Mandanten und Datenschutz Dritter stehen dem weitgehenden Auskunftsbegehren mancher Rechtsschutzversicherer entgegen. Insbesondere sollten verfahrensrelevante Unterlagen aus den Verfahrensakten zum Nachweis anwaltlichen Zeitaufwands bei einer Weiterleitung an den Versicherer ggf. geschwärzt werden.
Grundsätzlich handelt es sich bei der Deckungsanfrage um eine gebührenpflichtige Anwaltsleistung,[16] die i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nach VV 2400 gesondert zu vergüten ist; allerdings wird diese Tätigkeit von den Mandanten und einem Großteil der Anwaltschaft als Serviceleistung verstanden, was bei unproblematischen Fällen vertretbar erscheint, nicht aber für aufwändige Verhandlungen mit der Rechtsschutzversicherung gelten sollte.
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Praxishinweis
Die Mandanten setzen regelmäßig voraus, dass die Verteidigung in Straßenverkehrssachen unter den Deckungsbereich der abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung fällt. Im Rahmen seiner Aufklärungspflicht sollte der Rechtsanwalt deshalb nicht versäumen, auf mögliche Ausschlussgründe hinzuweisen. Dies gilt sowohl für erkennbare Ausschlussgründe wie eine rechtskräftige Vorsatzverurteilung (§ 2 Buchst. i ARB 2000), als auch für nicht ohne weiteres erkennbare Gründe wie Obliegenheitsverletzungen des Versicherten. Wird der Vorwurfs eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann, erhoben, kommt es für den (dann nicht zu gewährenden) Anspruch auf Versicherungsschutz nicht darauf an, ob die rechtliche Bewertung der aktenkundigen Tatsachen durch die Strafverfolgungsbehörden als Erfüllung eines bestimmten Straftatbestandes zutrifft.[17] Stehen entsprechende Fehlbewertungen im Raum, sollte der Verteidiger dies mithin – auch im Sinne des kostendeckenden Rechtsschutzes – frühzeitig mit der Ermittlungsbehörde klären.
Es ist daher nicht untunlich, je nach Sachlage vom Mandanten oder seinem Versicherer einen angemessenen Vorschuss[18] zu fordern, um den Gebührenanspruch zu sichern.[19] Selbst wenn die Deckungszusage später wirksam widerrufen wird oder Ersatzansprüche der Versicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer entstehen, beispielsweise wegen einer Vorsatzverurteilung, kann der Vorschuss vom Verteidiger nicht zurückverlangt werden, sondern nur vom Versicherungsnehmer.[20]
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