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Als bedeutsamstes Beispiel für teilrechtsfähige Personenvereinigungen wird die offene Handelsgesellschaft(OHG) betrachtet. Sie bildet eine handelsrechtliche Sonderform der Gesellschaft gem. §§ 705 ff BGB (s. § 105 III HGB) und weist ihr gegenüber eine Reihe von Spezialitäten auf. Nach § 124 I HGB kann die offene Handelsgesellschaft „unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden“. Daraus könnte man schließen, dass OHG eine juristische Person ist. Gleichwohl wird die OHG von der Rspr (BGHZ 34, 293, 296) nicht als juristische Person im vollen Sinne angesehen. Dafür wird vor allem angeführt, dass die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft und der Gesellschafter nicht vollkommen getrennt erscheinen. Vor allem haften die Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft nicht nur mit dem Gesellschaftsvermögen, sondern auch persönlich (§ 128 HGB). Ob dieser Umstand ausreicht, der OHG die volle Eigenschaft einer juristischen Person abzustreiten, ist streitig. Jedenfalls kommt diese Gesellschaftsform einer juristischen Person sehr nahe. Gleiches gilt für die Kommanditgesellschaft(KG, § 161 HGB). Nach der oben dargestellten ( Rn 160) Rechtsprechung rückt auch die BGB-Außengesellschaftkonstruktiv in die Nähe der OHG.
6. Zusammenfassung: Die Rechtsfähigkeit von Vereinigungen
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Das Zivilrecht behandelt bestimmte Arten von Personenvereinigungen und sonstige Organisationen ganz oder teilweise als rechtsfähig. Dabei sprechen wir von juristischer Person , wenn einer Organisation die generelle Rechtsfähigkeit zuerkannt wird und ihre Rechtspersönlichkeit gegenüber derjenigen der Mitglieder vollkommen getrennt ist. Fehlt es an dem einem oder dem anderen Element, so kann eine Organisation gleichwohl (teil-)rechtsfähig sein. Die Zuerkennung von Rechtsfähigkeit an Organisationen bedeutet nicht, dass sie sämtliche Rechte innehaben können wie eine natürliche Person; Einschränkungen ergeben sich bei den Persönlichkeitsrechten.
Die juristische Person kann als solche Rechte und Pflichten haben, die sie durch ihre Organe verwirklicht; sie kann als solche auch Verträge schließen und Rechte erwerben. Ihre Rechtspersönlichkeit ist von der ihrer Mitglieder streng unterschieden. Die Rechte der juristischen Person stehen nicht (auch nicht indirekt) den einzelnen Mitgliedern zu; die Mitglieder haften für Schulden der juristischen Person nicht persönlich.
Juristische Personen können nicht beliebig errichtet werden. Vielmehr herrscht Typenzwang : Es können nur solche juristischen Personen entstehen, welche die Rechtsordnung ihrer Art nach zulässt. Als Voraussetzung für die Entstehung ist vom Gesetz entweder eine staatliche Verleihung (Anerkennung) oder aber eine staatliche Registratur (Eintragung in das Vereinsregister etc) vorgesehen. Juristische Personen sind insbesondere der eingetragene Verein, die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die eingetragene Genossenschaft.
Der juristischen Person nahe kommen die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft. Diese Gesellschaften können Träger von Rechten und Pflichten sein, jedoch ist ihre Rechtspersönlichkeit von derjenigen der Mitglieder nicht vollkommen getrennt.
Auch die BGB-Gesellschaft ist nach neuer Rechtsprechung rechtsfähig, sofern sie nach außen als solche auftritt und ein Gesamthandsvermögen bildet. Gleichwohl wird sie – gleich OHG und KG – nicht als juristische Person eingeordnet.
Der nicht eingetragene Verein wurde nach der Konzeption des Gesetzes nicht als rechtsfähig angesehen, doch nimmt die Rechtsprechung schon seit längerer Zeit gewisse Angleichungen an das Recht der rechtsfähigen Vereine vor. Da nach § 54 S. 1 auf den nicht eingetragenen Verein das Gesellschaftsrecht anzuwenden ist, strahlt die neue Doktrin von der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft auch auf die Behandlung nicht eingetragener Vereine aus; die gewohnte Bezeichnung „nicht rechtsfähiger Verein“ trifft also die Rechtslage heute nicht mehr.
7. Das Handeln der juristische Person – am Beispiel des rechtsfähigen Vereins
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Wenn die juristische Person als eigenständiges Rechtssubjekt gedacht wird, das von der Rechtspersönlichkeit der Mitglieder streng geschieden ist, so muss sie auch „als solche“ handeln können. Die Handlungsfähigkeit wird rechtlich konstruiert: Das Handeln der gesetzmäßigen oder satzungsmäßigen Organe (dh also der Menschen, die als Vorstand etc fungieren) wird der juristischen Person unmittelbar zugerechnet.
Als Beispiel diene der rechtsfähige Verein. Dessen rechtliche Grundordnung findet sich in der im Gründungsvertrag gegebenen Vereinssatzung (§ 25). Für ihren Inhalt gewährt das Gesetz einen weiten Spielraum (Vereinsautonomie, Rn 178), der allerdings durch einige verbindliche Normen begrenzt ist. Das Gesetz sieht zwei Organe des Vereins vor, den Vorstand (§§ 26–29) und die Mitgliederversammlung (§§ 32–37). Daneben kann die Satzung weitere Organe schaffen, zB „besondere Vertreter“ (§ 30), die neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte handlungsbefugt sind.
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Dass ein Vorstandbestellt wird, ist obligatorisch (§ 26 I 1: „muss“). Dieser hat die Geschäfte des Vereins zu führen und ist diesem dafür verantwortlich. Für das Rechtsverhältnis zwischen Vorstand und Verein sind die Vorschriften über den Auftrag (§§ 664–670) entsprechend anzuwenden (§ 27 III 1); das bedeutet insbesondere, dass der Vorstand dem Verein zu Auskunft und Rechenschaft und bei schuldhafter Pflichtverletzung auch zu Schadensersatz verpflichtet ist. Die Vorstandsmitglieder sind unentgeltlich tätig (§ 27 III 1), soweit die Satzung nichts anderes vorsieht; den durch ihre Tätigkeit veranlassten Aufwand können sie nach § 670 ersetzt verlangen. Im Verhältnis nach außen hat der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters; er vertritt den Verein gerichtlich wie außergerichtlich (§ 26 II 1), sein rechtliches Handeln wird dem Verein unmittelbar zugerechnet. Die Vertretungsmacht des Vorstands ist umfassend; Einschränkungen sind Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in der Satzung verankert sind (§ 26 II 2).
Der Vorstand wird durch Beschluss der Mitgliederversammlung bestellt (§ 27 I). Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, die Widerruflichkeit kann durch die Satzung aber auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden (§ 27 II).
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Wie sich der Vorstand zusammensetzt, ergibt sich aus der Vereinssatzung. Der Vorstand kann aus mehreren Mitgliedernbestehen (§ 26 I 2), dies ist in der Praxis auch üblich. Dann ergibt sich die Frage, ob jedes einzelne Vorstandsmitglied den Verein vertreten kann („Einzelvertretung“) oder alle gemeinschaftlich handeln müssen („Gesamtvertretung“) oder ob es darauf ankommt, dass die Mehrheit der Vorstandsmitglieder nach ordnungsgemäßer Beschlussfassung handelt. Beim rechtsfähigen Verein gilt nach hM das Mehrheitsprinzip(§ 26 II 1), sofern die Vereinssatzung nicht abweichend hiervon Gesamtvertretung oder Einzelvertretung vorsieht. Ist jedoch eine Erklärung dem Verein gegenüberabzugeben, so gilt gemäß dem zwingenden § 26 II (§ 40 S.1) das Prinzip der Einzelvertretung; es genügt also die Abgabe der Erklärung gegenüber irgendeinem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied.
Dabei ist zu beachten: Viele Vereinssatzungen sehen über den Kreis des gemäß § 26 II vertretungsberechtigten Vorstands hinaus weitere Vorstandsmitglieder ohne Vertretungsmacht vor („erweiterter Vorstand“, etc). Diese Vorstandsmitglieder sind in keiner Weise befugt, für den Verein zu handeln, sie sind auch keine tauglichen Adressaten einer an den Verein zu richtenden Erklärung.
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