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Weißbuch 2016
A
Abrüstung und Rüstungskontrolle
~ und Nichtverbreitung sind auch im 21. Jahrhundert unverzichtbarer Bestandteil einer Sicherheitspolitik, die Risiken reduziert, Vertrauensbildung und Transparenz fördert und zu mehr Sicherheit und Stabilität im regionalen wie im globalen Rahmen beiträgt. Dies geschieht auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Nachprüfbarkeit (Verifizierbarkeit) in Form von bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen. ~ fördern die Krisenstabilität und die strategische Stabilität und können zur Senkung der durch Rüstungswettläufe entstehenden Kosten beitragen. Die hierfür zur Anwendung kommenden Maßnahmen sind vielfältig. Sie reichen von Verboten und quantitativen und qualitativen Begrenzungen von Waffensystemen, Begrenzung von Stationierungen und militärischen Übungen, Informations- und Datenaustauschen über Streitkräfte, Stationierungen und militärische Planungen, Notifizierung militärischer Aktivitäten, Beobachtung durch technische Mittel und Inspektoren, Vor-Ort-Inspektionen zur Überprüfung von Daten und eingegangener Verpflichtungen bis hin zu vertrauensbildenden Maßnahmen in Form von Kontakten und Besuchen.
Während des Kalten Krieges in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren ~ integraler Bestandteil der Entspannungspolitik zwischen West und Ost, um das prekäre Gleichgewicht zwischen den beiden nuklearen Supermächten zu stabilisieren und den Ost-West-Konflikt in Europa durch Vertrauensbildung und konventionelle Rüstungsbegrenzung zu entschärfen. Historische Verträge insbesondere zur Reduzierung der Nuklearwaffen von USA und Sowjetunion (Grundsatzartikel Strategische Rüstungskontrolle, INF-Vertrag) konnten erreicht werden. In der historischen Umbruchsituation nach dem Ende des Warschauer Pakts und der Sowjetunion hat sich ~ als erfolgreiches Konzept stabilitätsorientierter Sicherheitspolitik erwiesen. Vor allem die Aussicht auf einen Erfolg der Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa (Grundsatzartikel »Konventionelle Rüstungskontrolle«) gehörte zu den wesentlichen Voraussetzungen für die Regelung der äußeren Aspekte der Deutschen Einheit.
In den vergangenen 10–20 Jahren haben Stagnation in der konventionellen wie nuklearen Rüstungskontrolle, die Erosion und Aushöhlung vieler Verträge durch fehlende Anpassung an die veränderten militärischen und sicherheitspolitischen Bedingungen im euroatlantischen Raum, die vielfältige Verletzung von Verträgen bis hin zum Vertragsbruch (INF-Vertrag) durch die Russische Föderation den Stellenwert von ~ real verringert und bisweilen den Eindruck einer grundlegenden Krise der globalen Rüstungskontrollarchitektur erweckt.
Das Sicherheitsumfeld ist für die Rüstungskontrolle komplexer und schwieriger geworden. Zu den Gründen zählen erhebliche politische Verwerfungen und Vertrauensverlust zwischen den großen Akteuren (USA-Russland, USA-China, Russland-Europa), eine sich stärker abzeichnende multipolare Weltordnung, geopolitische Umbrüche, eine Vielzahl ungelöster Konflikte, Entwicklungen der nuklearen Proliferation und eine vielfältige Erosion der regelbasierten Weltordnung und internationalen Zusammenarbeit. Hinzu kommen rasante technologische Entwicklungen in vielen Bereichen, unter anderem Künstliche Intelligenz, Autonomie, Cyber-Technik, Biotechnologie und neuartige Raketensysteme. Neue Technologien eröffnen erhebliche Chancen für militärische Anwendungen, sie bringen aber auch erhebliche Risiken für die Sicherheit mit sich und fordern die Instrumente der Rüstungskontrolle in neuer Weise. Eine Überprüfung, Anpassung und Weiterentwicklung der bisherigen, zum Teil jahrzehntealten Instrumente ist notwendig.
Die kontrollierte und sichere Reduzierung der während des Ost-West-Konflikts gewachsenen Waffenarsenale vor allem im nuklearen und chemischen Bereich sowie die Sicherstellung konventioneller Stabilität in Gesamteuropa bleiben hierbei eine fortbestehende wichtige sicherheitspolitische Aufgabe. Die Rückkehr militärischer Gewalt in Europa durch die Russische Föderation mit dem Ziel der Veränderung von Grenzen, wie 2014 durch die russische Annexion der Krim und die nachfolgende Unterstützung von Separatisten in der östlichen Ukraine geschehen, sowie die signifikante Zunahme militärischer Übungstätigkeiten in Europa in den vergangenen Jahren haben die Notwendigkeit für mehr Risikoreduzierung, Transparenz und Vertrauensbildung in Europa deutlich unterstrichen.
Insbesondere die fortschreitende Verbreitung nuklearer, biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen in Verbindung mit weitreichenden Trägermitteln und deren potenzielle Verfügbarkeit auch in nichtstaatlicher Hand zwingen zudem weiterhin zu umfassenden, multilateralen, weltweiten, aber auch regionalen Ansätzen der ~ und Nichtverbreitung. Die Wiener Nuklearvereinbarung aus dem Jahr 2015 (Iranische Nuklearfrage) sowie die Vernichtung der deklarierten syrischen Chemiewaffenbestände 2014/15 und die internationale Verfolgung des Einsatzes von chemischen Waffen danach in Syrien sind Beispiele für die Umsetzung von kritischen Nichtverbreitungsnormen durch die internationale Gemeinschaft. Wie groß diese Herausforderung bleibt, zeigt die jüngste Bereitschaft von Staaten wie Russland oder Syrien, internationale Verträge (hier: Chemische-Waffen-Übereinkommen) zu brechen und gleich mehrfach vor einem Tabubruch, dem Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen im In- oder im Ausland, nicht zurückzuschrecken.
~ sowie Nichtverbreitung bleiben daher auch unter den veränderten Bedingungen euroatlantischer Sicherheit und Stabilität integraler Bestandteil einer Politik der globalorientierten Sicherheitsvorsorge. Dem wurde prominent im Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr Rechnung getragen, in dem ~ als eines der Internationalen Gestaltungsfelder Deutschlands und wichtige Instrumente des Krisenmanagements definiert werden. Auch die NATO wird in ihrem neuen Strategischen Konzept ~ entsprechend gewichten und die aktive Rolle des Bündnisses zur Stärkung von ~ unterstreichen.
Gerade in der Welt der Globalisierung und der grenzüberschreitenden Entwicklungen bleiben ~ wesentlich, um Berechenbarkeit und Stabilität in den internationalen Beziehungen zu fördern. Internationale Ordnungspolitik muss sich an allgemein verbindlichen und transparenten Regeln orientieren. Völkerrechtlich bindende Abmachungen erhalten gerade in politischen Schlechtwetterperioden Vertrauen und wirken deeskalierend.
Die Handlungsfelder der ~ bleiben hierbei geprägt durch unerledigte »Altlasten« wie die Universalisierung von Nichtverbreitungsverträgen und neuen Herausforderungen wie den Umgang mit neuen, militärisch nutzbaren Technologien unter Einbeziehung neuer Domänen wie Weltraum oder Cyberspace. Vor dem Hintergrund des gewachsenen Misstrauens in den internationalen Beziehungen sowie neuer Waffensysteme (z. B. Hyperschallflugkörper, Drohnen, UAVs) wird die Bedeutung der Verifikation von Regelungen und Vereinbarungen deutlich zunehmen. Den veränderten internationalen Bedingungen und Risikofaktoren angemessen zielen ~ noch stärker als bisher auf die rüstungskontrollpolitische Einbindung von Staaten außerhalb Europas, vor allem von China, um Risiken für die globale und europäische Sicherheit zu begegnen, und auf den Aufbau kooperativerer Sicherheitsbeziehungen in Krisenregionen wie im indopazifischen Raum oder im Arabischen Krisenbogen. Nichtstaatlichen Akteuren muss weiterhin wirksam der Zugang zu Massenvernichtungswaffen, aber auch zu konventionellen Waffen und Munition, verwehrt werden. Nichtverbreitungsverpflichtungen von Staaten, wirksame Exportkontrollen und regionale Projekte zur besseren Kontrolle von Kleinwaffen und Munition können hierzu einen Beitrag leisten. Sie bleiben allerdings wirkungslos, wenn Staaten und Regierungen kollabieren. NATO Strategisches Konzept; Grundsatzartikel »Neue Technologien«
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