Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
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Andreas Hepp
Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft .
Über die tiefgreifende Mediatisierung der sozialen Welt
Köln: Halem, 2021
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© 2021 für die deutsche Ausgabe Herbert von Halem Verlag, Köln
Übersetzung aus dem Englischen durch den Autor
Originaltitel: Deep Mediatization
All Rights Reserved. Authorised translation from the English language edition published by Routledge, a member of Taylor & Francis Group.
ISBN (Print)978-3-86962-599-7
ISBN (PDF)978-3-86962-595-9
ISBN (ePub)978-3-86962-561-4
Den Herbert von Halem Verlag erreichen Sie auch im
Internet unter http://www.halem-verlag.de
E-Mail: info@halem-verlag.de
SATZ: Herbert von Halem Verlag
LEKTORAT: Volker Manz, Rüdiger Steiner
DRUCK: docupoint GmbH, Magdeburg
UMSCHLAGFOTO: Timon Stadler / Unsplash
GESTALTUNG: Claudia Ott, Düsseldorf
Copyright Lexicon ©1992 by The Enschedé Font Foundry.
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Andreas Hepp
Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft
Über die tiefgreifende Mediatisierung der sozialen Welt
ANDREAS HEPP (Jg. 1970) ist Professor am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen. Aufenthalte als Gastwissenschaftler und Gastprofessor u.a. an der London School of Economics and Political Science, dem Goldsmiths, University of London, der Université Paris II Panthéon ASSAS und der Stanford University (USA).
Forschungsschwerpunkte: Mediatisierung, Datafizierung, Mediennutzung und Medienaneignung. (Foto: Beate C. Koehler)
FÜR LEVI DANIEL HEPP
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
1.EINLEITUNG
1.1Von der Mediatisierung zur tiefgreifenden Mediatisierung
1.2Traditionen und Perspektiven
1.3Die Kapitel dieses Buches
2.DAS ZUSTANDEKOMMEN DER TIEFGREIFENDEN MEDIATISIERUNG
2.1Eine politische Ökonomie der digitalen Infrastrukturen
2.2Die Rolle von Pioniergemeinschaften
2.3Die quantitativen Trends der tiefgreifenden Mediatisierung
3.MEDIEN ALS PROZESS
3.1Zur Frage der Medienlogiken
3.2Medien als Prozesse denken
3.3Die Mannigfaltigkeit der Medien
4.EIN FIGURATIONSANALYTISCHER ANSATZ
4.1Figurationen, Kommunikation und Medien
4.2Die (digitale) Gesellschaft in figurationsanalytischer Perspektive
4.3Transformation als Refiguration
5.DIE REFIGURATION DER GESELLSCHAFT
5.1Neue Relationalitäten von Figurationen
5.2Die Transformation von bestehenden Figurationen
5.3Das Entstehen neuer Figurationen
6.DAS INDIVIDUUM IN ZEITEN TIEFGREIFENDER MEDIATISIERUNG
6.1Medienrepertoires und die Vielfalt von Figurationen
6.2Die alltagsweltlichen Ambivalenzen von digitalen Daten
6.3Die Neuausrichtung des Selbst
7.DIE DIGITALE GESELLSCHAFT UND DAS GUTE LEBEN
7.1Ein tiefgreifender Generationswandel?
7.2Neue Organisationsformen
7.3Das Bedürfnis nach individueller Autonomie
LITERATUR
REGISTER
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Wir leben nicht in der digitalen Gesellschaft. Wir sind aber auf dem Weg dahin. Diese beiden Sätze mögen zu Beginn eines Buches mit dem Thema ›digitale Gesellschaft‹ überraschen. Sie sollen aber signalisieren, dass wir es bei dem, was unter dem Begriff der digitalen Gesellschaft verhandelt wird, mit einem weitaus komplexeren Zusammenhang zu tun haben, als es gemeinhin den Anschein hat. Was ist die digitale Gesellschaft? Diese Frage ist leicht gestellt. Ungleich schwieriger ist es, sie zu beantworten.
Befasst man sich näher mit dem Begriff ›digitale Gesellschaft‹, so stellt man fest, dass er seit nunmehr mindestens einem Jahrzehnt so etwas wie eine Chiffre zu sein scheint: eine Chiffre für eine Gesellschaft, in der digitale Medien und Infrastrukturen eine herausgehobene Rolle spielen. Betrachtet man alleine die Buchpublikationen im deutschsprachigen Raum, die ›digitale Gesellschaft‹ in ihrem Titel tragen, zeigt sich das Spektrum, mit dem man es zu tun hat: Man findet historische Bände, die die Wege in die digitale Gesellschaft (2018) aufzeigen, Sammelbände, die die Politik in der digitalen Gesellschaft (2019) reflektieren, Bücher zur Netzpolitik (BECKEDAHL/LÜKE 2012), Kommunikationspolitik (2015) und Partizipationskultur (2014) der digitalen Gesellschaft oder ganze Entwürfe einer Theorie der digitalen Gesellschaft (NASSEHI 2019). Die verbindende Linie zwischen so unterschiedlichen Publikationen ist, dass sie unter digitaler Gesellschaft eine Gesellschaft verstehen, die auf digitalen Medien und ihren Infrastrukturen basiert. Unterschiede gibt es dann in den Perspektiven und Zäsuren. Beispielsweise lässt sich argumentieren, dass die moderne Gesellschaft bereits seit ihren Anfängen verschiedene Probleme aufgeworfen hat, deren »Lösung« (NASSEHI 2019: 12) die heutige Digitalisierung ist. Die digitale Gesellschaft ist in einer solchen Perspektive weit älter als die digitalen Medien selbst. Oder man bringt – wesentlich dichter an unserem Alltagsverständnis – die digitale Gesellschaft mit der schrittweisen »Durchdringung« (BÖSCH 2018: 10) der Gesellschaft mit Computertechnologien in Verbindung. Man hat es dann mit einem Prozess zu tun, der in den 1950er- und 1960er-Jahren begann.
Ich möchte in diesem Buch von einem Verständnis der digitalen Gesellschaft als einer auf digitalen Medien und ihren Infrastrukturen beruhenden Gesellschaft ausgehen. Mein Kernargument dabei ist, dass wir – auch wenn es die oben genannten Publikationen suggerieren – noch nicht in einer solchen Gesellschaft leben, uns aber auf dem Weg dorthin befinden. Es geht mir also um ein Prozessargument: Will man wirklich verstehen, was die entstehende digitale Gesellschaft ausmacht, sollte man sich näher mit dem gegenwärtigen Prozess ihres Entstehens befassen. Dies ist nicht unbedingt leicht, befinden wir uns doch inmitten dieses Prozesses. Es handelt sich bei ihm um eine vielschichtige Refiguration der Gesellschaft, die gleichwohl nicht einfach nur auf die jüngsten digitalen Medien verweist, sondern im Zusammenhang der Transformation der Gesellschaft mit und durch Medien insgesamt zu sehen ist.
Die Corona-Pandemie, wie wir sie alle 2020 und 2021 erlebten, ist ein gutes Beispiel für dieses Argument. Zuerst einmal führt uns die Pandemie vor Augen, dass wir gerade nicht bereits in einer digitalen Gesellschaft leben: Egal, ob man an das eigene Arbeiten, die Schule und Universität, die öffentliche Verwaltung oder die Organisation privater Unternehmen denkt – der Druck, unter Pandemie-Bedingungen viel mehr als bisher ›online‹ zu realisieren, hat exemplarisch gezeigt, dass dies trotz der von der Politik immer wieder proklamierten Digitalisierungsstrategien nicht so einfach möglich ist. Wären wir wirklich schon in einer digitalen Gesellschaft, in der digitale Medien und Infrastrukturen wirklich die Basis jeglicher sozialen Praktiken sind, hätten wir mit der Pandemie ganz anders umgehen können als in unseren heutigen Gesellschaften, die sich mitten auf dem Weg dahin befinden. Dennoch waren aber elektronische und digitale Medien zentral für die Art und Weise, wie wir diese Pandemie sozial erfahren haben und wie wir mit ihr umgegangen sind.
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