Dem Agenten kam ein bedeutender historischer Name in den Sinn – François-Dominique Toussaint. Als Toussaint L'Ouverture sollte dieser Mann als Symbol der berechtigten Angst weißer Sklavenhalter und Herrschender vor der Macht des Voodoo in die Geschichte eingehen. Anno 1743 als Sklavensohn in Haiti geboren, war er Nachkomme eines afrikanischen Königsgeschlechts im damaligen Dahomey gewesen. Nach dem Tod des Vaters hatte sich der Voodoo-Priester Pierre Baptiste Simon seiner angenommen, ihn in Französisch und Latein unterwiesen und in die Geheimnisse und Traditionen des Voodoo eingeführt. Bereits ein freier Mann, schloss Toussaint sich 1791 dem größten Sklavenaufstand der Menschheitsgeschichte unter der Führung einiger Generäle wie Georges Biassou an, was zur haitianischen Revolution führte …
Schlagartig war Bonifacius zurück in der Gegenwart: »Djayéola, du hast nicht zufällig einen Vorfahren mit Namen Georges Biassou?«
Wie ihr überraschtes Gesicht verriet, lockte er sie damit ein erstes Mal aus der Reserve: »Ja. In der Karibik kämpfte er vor zweihundert Jahren gegen die Franzosen, für die Abschaffung der Sklaverei. - Ich bin beeindruckt.«
Zufrieden tauchte er wieder in die Historie ab. Nahezu eine Million westafrikanischer Sklaven waren im 18. Jahrhundert alleine für die Zuckerrohrplantagen Santo Domingos – später bekannt als Haiti und Dominikanische Republik – eingeführt worden. Und es war der einflussreiche Voodoo-Priester Boukman gewesen, der den entscheidenden Sklavenaufstand ausgelöst hatte, an dessen Ende 1793 die Abschaffung der Sklaverei stand. – Zunächst als Kräuterarzt aktiv, hatte sich Toussaint dank spiritueller Führung, herausragender Intelligenz und gerechter Menschenführung zu einem großen Führer entwickelt. Nachdem sich der auch als „schwarzer Spartakus“ gerühmte ehemalige Sklave 1794 siegreich in den Dienst der Franzosen gestellt hatte, gelang Toussaint – im Rang eines französischen Brigadegenerals – bis 1801 die Vertreibung Englands und Spaniens aus der Karibik, und das als militärischer Oberbefehlshaber aller französischen Truppen in der Karibikregion.
Toussaint L'Ouverture war zweifellos ein haitianischer Freiheitsheld, ohne den die erste schwarze Republik im Jahr 1804 nicht denkbar gewesen wäre. In dem einen oder anderen Geschichtsbuch war er seither auch als „schwarzer Napoleon“ tituliert worden. Ein dunkelhäutiger Brigadegeneral der französischen Armee, einstmals Sklave und mit westafrikanischen Wurzeln, hatte drei europäische Großmächte in die Knie gezwungen, einschließlich den großen Bonaparte. Denn der hatte zähneknirschend hinnehmen müssen, dass sein Protegé sich eigenmächtig zum Generalgouverneur von Haiti auf Lebenszeit ernannt und eine auf Autonomie ausgerichtete Verfassung ausgerufen hatte. Nachdem Napoleon daraufhin auch noch in einer verlustreichen Schlacht der Unterlegene gewesen war, hatte er Toussaint eine unrühmliche Falle stellen lassen, basierend auf falschen Versprechungen. Damit hatte sich der große Franzose selber entehrt. Dessen größter Widersacher in der neuen Welt jedoch, wenngleich tot, war zum Märtyrer für die Ewigkeit geworden. – Bonifacius räumte gerne ein, dass ein solcher Lebenslauf nur schwerlich ohne den spirituellen Einfluss des Voodoo erklärbar war.
Sein Auflachen zog den neugierigen Seitenblick der Beninerin auf sich. Gerade ihr wollte er eine Erklärung nicht schuldig bleiben: »Ich musste gerade an den haitianischen Freiheitshelden Toussaint L'Ouverture denken.«
Djayéolas Nicken signalisierte ihr Wissen um jene Persönlichkeit, gleichwohl ließ sie den Beifahrer kommentarlos weitersprechen.
»Ich hätte zu gerne die fassungslosen Gesichter der spanischen, englischen und französischen Obrigkeit gesehen, die von einem afrikanischen Spartakus vom Sockel der Überlegenheit gestoßen worden sind. Der Mann hat die geopolitische und rassenideologische Faktenlage seiner Zeit komplett auf den Kopf gestellt. Wirklich ein dunkles Sahnestück der Geschichte.«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.