75. Da sich Prexaspes auch Dieß zu thun bereit erklärte, ließen ihn die Magier nach Zusammenberufung der Perser auf den Thurm steigen, und hießen ihn die Rede halten. Nun vergaß er aber Das, warum sie ihn ersucht hatten, mit Fleiß, fing, von Achämenes an, die ganze Ahnenliste des Cyrus herzusagen, und endigte, als er auf Diesen herabgekommen war, mit Darlegung all des Guten, das Cyrus den Persern verschafft habe; und als er damit fertig war, entdeckte er die Wahrheit, mit der Erklärung, bisher habe er's verheimlicht, da ihm das Wahre zu sagen, gefährlich sey; jetzt aber sey er nothgedrungen, es zu entdecken; und sagte es dann heraus, den Sohn des Cyrus, Smerdes, habe er selbst, genöthigt durch Kambyses Machtwort, umgebracht, und die Magier seyen auf dem Königsthron. Darauf mit einem schweren Fluch über die Perser, wenn sie nicht ihre Herrschaft sich wiedergewinnen, und die Magier büßen ließen, stürzte er sich kopfunter vom Thurm hinab. So endigte Prexaspes, sein Leben lang ein ehrenhafter Mann.
76. Jene sieben Perser nun, nach ihrem Rathschluß, sogleich Hand an die Magier zu legen und Nichts zu verschieben, gingen hin, unter Gebet, zu den Göttern, ohne von dem Vorfall mit Prexaspes Etwas zu wissen. So waren sie gerade zur Hälfte ihres Weges gekommen, als sie die Geschichte mit Prexaspes erfuhren. Da traten sie aus dem Wege, und besprachen sich von Neuem; wobei von Seiten des Otanes durchaus die Meinung herrschte, zu verschieben, und in der allgemeinen Gährung Nichts zu unternehmen; von Seiten des Darius aber, sogleich hinzugehen, und das Beschlossene zu thun, nicht aber zu verschieben. In diesem ihren Gedränge zeigten sich sieben Falken-Paare, welche zwei Geier-Paare jagten, und zausten und verwundeten. Auf diesen Anblick gaben die Sieben allesammt der Meinung des Darius Beifall, und gingen sofort nach der Königsburg, in muthigem Vertrauen auf die Vögel.
77. Und als sie in's Thor traten, ging es so, wie Darius Meinung besagt hatte; indem die Wachen, aus Ehrerbietung vor den ersten Männern von Persien, und ferne davon, die eine solchen Vorhabens zu verdächtigen, sie durchließen, nicht ohne göttliche Schickung; wobei auch nicht Einer fragte. Wie sie nun in den Vorhof durchkamen, stießen sie auf die, immer zu den Anmeldungen aufgestellten, Verschnittenen, welche sie ausfragten, in welcher Absicht sie kamen, und unterm Ausfragen zugleich die Thorhüter bedrohten, weil sie Dieselben durchgelassen, und die Sieben, die weiter durchgehen wollten, aufhielten. Diese machten aber einander Muth, zogen ihre Dolche, und stießen, wie Jene sie aufhalten wollten, auf der Stelle sie nieder; und jetzt ging es im Lauf in den Männersaal.
78. Die Magier waren gerade damals Beide drinnen, und eben in der Berathung des Streiches von Prexaspes begriffen. Als sie nun sahen, daß die Verschnittenen, die auch schrieen, in ein Getümmel kamen, sprangen sie gleichfalls Beide auf; und wie sie merkten, was vorging, griffen sie zur Wehre. Der Eine nämlich erwischte noch geschwind den Bogen, der Andere griff zum Spieß. Da geriethen sie in's Sandgemenge. Der den Bogen zur Hand hatte, konnte, da ihm die Feinde schon so nah' auf dem Leibe waren, Nichts damit machen. Der Andere aber wehrte sich mit dem Spieß, und stieß zuerst den Aspathines in den Schenkel, dann den Intaphernes in's Auge, und wirklich verlor durch diese Hunde Intaphernes sein Auge; indessen starb er nicht. Diese verwundete also der eine Magier; der Andere, weil er mit seinem Bogen Nichts machen konnte, floh in's Gemach, welches an diesen Männerfaal stieß, und wollte da die Thüre schließen. Aber zwei von den Sieben stürzten mit ihm hinein, Darius und Gobryas. Da nun Gobryas mit dem Magier sich herumrang, stand Darius unschlüssig daneben, aus Besorgniß, im Finstern, wie es war, den Gobryas zu treffen. Gobryas aber, der ihn so ruhig dastehen sah, fragte, warum er seine Sand nicht brauche; worauf er antwortete: "Aus Besorgniß, dich zu treffen." Da entgegnete Gobryas: "Stoß meinetwegen durch uns Beide dein Messer!" Da stieß Darius mit seinem Dolche zu, und traf gerade den Magier.
79. Nach Ermordung der Magier schnitten sie ihnen die Köpfe ab, ließen dann ihre zwei Verwundeten daselbst zurück, sowohl wegen ihres Unvermögens, als zur Bewahrung der Burg. Die fünf Anderen liefen nun mit den Köpfen der Magier hinaus, und riefen mit Schreien und Lärmschlagen alle Perser herbei, erzählten die Sache, wiesen die Köpfe vor, und tödteten dabei jeden Magier, der ihnen unter der Weg kam. Wie aber die Perser mit der Handlung der Sieben zugleich den Betrug der Magier erfuhren, hielten auch sie für recht, ein Gleiches zu thun, zogen ihre Dolche, und tödteten die Magier, wo sie einen fanden; und sie hätten, wäre nicht die Nacht dazu gekommen, Keinen Magier übrig gelassen. Diesen Tag feiern die Perser sämmtlich am höchsten unter allen Tagen, und halten an ihm ein großes Fest, welches von den Persern das Magierblutfest genannt wird, an welchem kein Magier zum Vorschein kommen darf; sondern alle Magier halten sich den ganzen Tag in ihren Häusern.
80. Als nun das Getümmel zum Stillstand gekommen, und nach fünf Tagen aus war, beriethen sich die gegen die Magier verschworenen Männer über das Allgemeine, wobei Reden gesprochen wurden, die zwar einigen Hellenen unglaublich sind, darum aber doch gesprochen worden. Otanes nämlich wollte, das gemeine Wesen solle dem Volk der Perser selbst überlassen werden, indem er sprach: "Ich halte dafür, daß hinfort nicht mehr Einer aus und Alleinherrscher sey, weil Das weder angenehm noch gut ist. Denn ihr wißt selber von Kambyses Uebermuth, wie weit er gegangen ist, und habt auch den Uebermuth des Magiers mit erfahren. Wie sollte aber auch die Alleinherrschaft eine ordentliche Sache seyn, die ja Freiheit hat, zu thun, was beliebt, ohne Verantwortlichkeit? Muß sie doch selbst den, allerbesten Mann, mit der Einsetzung in diese Herrschaft aus seinen gewohnten Gesinnungen versetzen! Denn von dem vielen Guten, das er genießt, muß er in Uebermuth gerathen, und Mißgunst hat der Mensch ohnehin schon von Geburt. Wer aber diese Zwei hat, der hat alle Schlechtigkeit beisammen; indem er theils aus Uebermuth in viele Unthaten ausbricht, theils aus Mißgunst. Freilich ein Gewalthaber sollte frei von Mißgunst seyn, da er selbst jegliches Gute hat; aber er ist gegenüber von den Bürgern, gerade das Gegentheil in seiner Art. Denn er mißgönnt es den Besten, daß sie wohl und am Leben sind, und freut sich der Schlechtesten im Volk; ist in Anhören von Verläumdungen der beste, und im Umgang der wunderlichste Mann von der Welt. Denn bewunderst du ihn mit Maß, so ärgert er sich, daß ihm nicht stärker der Hof gemacht wird; macht ihm Einer stark den Hof, so ärgert er sich über ihn, als Schmeichler. - Und nun komme ich noch an's Aergste: er stößt die väterlichen Bräuche um, thut Weibern Gewalt an, tödtet Unverhörte. Das Volk dagegen, wenn es herrscht, bat erstlich den schönsten Namen von Allem, Freistaat (bürgerliche Freiheit, Rechtsgleichheit), und zum zweiten thut es Nichts von Allem Dem, was der Alleinherrscher thut. Es bestellt seine obrigkeitlichen Stellen durch das Loos, macht seine Stellen verantwortlich, und macht alle Rathschlüsse bei der Gemeinde anhängig. So gebe ich nun meine Meinung dahin, daß wir die Alleinherrschaft fahren lassen, und das Volk erheben. Denn in der Menge liegt Alles." Diese Meinung brachte Otanes vor.
81. Megabyzus aber wollte, man solle einer Minderzahl die Herrschaft geben, indem er sprach: "Was Otanes gegen eine Gewaltherrschaft spricht, das sag' auch ich; daß er aber für das Volk die oberste Macht verlangt, darin hat er die beste Meinung nicht getroffen. Denn es gibt nichts Unverstandenes und Uebermütigeres, als den blinden Haufen. Und nun, um eines Gewalthabers Uebermuth zu entgehen, dem Uebermuth einer meisterlofen Volksmenge in die Hände zu fallen, Das ist nicht auszuhalten. Jener nämlich thut doch, was er thut, mit Einsicht; im Wort aber ist kein Einsehen. Denn wie hätte es Einsicht, da es in Nichts belehrt ward, nichts Gutes, noch Anständiges weiß, und so über die Geschäfte herfällt, gleich einem jähen Bergstrom? Wer es also mit den Persern übel meint, der halte es mit der Volksmenge. Wir aber wollen einer Auswahl der besten Männer die Obers macht zutheilen, worunter ja auch wir seyn werden. Von den besten Männern kommen aber natürlich die besten Rathschlüsse. Diese Meinung brachte Megabyzus vor.
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