31. So ist es mit Fahren und Gehen ein Weg von vier Monaten, daß man den Lauf des Nil über Aegypten hinaus noch kennt. So viel Monate nämlich ergeben sich, wenn man zusammenrechnet, wie lang Einer braucht, wenn er von Elephantine zu den genannten Automolen reist. Sein Lauf geht aber von Abend und Sonnenuntergang aus. Das Weitere vermag Keiner sicher anzugeben, weil jenes Land wüste ist vor Hitze.
32. Doch hörte ich noch Folgendes vor Cyrenäischen Männern, welche aussagten, sie seyen zum Orakel des Ammon gegangen, und da mit Etearchus, dem Könige der Ammonier, in's Gespräch gekommen; wo sie nach andern Gesprächen auch darauf gekommen seyen, über den Nil zu reden, wie Niemand seine Quellen wisse, und darauf Etearchus von Nasamonischen 62Männern gesagt habe, die einmal zu ihm gekommen wären. Dieses aber ist ein Libysches Volk, und hält sich an der (großen) Syrte auf, und in dem Lande gegen Morgen von der Syrre nicht weithin. Die Nasamonen also, die gekommen und befragt worden seyen, ob sie etwas Neues zu sagen vermöchten über die Wüsten Libyens, hätten ausgesagt: bei ihnen wären muthwilige Söhne von mächtigen Männern gewesen, welche unter andern absonderlichen Streichen, die sie, als junge Männer, anstellten, auch einmal fünf unter sich durch's Loos bestimmten, die Wüsten Libyens zu besuchen, ob sie wohl, über die äußersten Entdeckungen hinaus, noch etwas Neues entdecken möchten. Wo nämlich Lybyen gegen Norden an's Meer stößt, von Aegypten an bis zum Vorgebirge Soloeis, den Enden Libyens, da entlang erstrecken sich durchgehends Libyer und viele Libysche Stämme, außer was Hellenen und Phönicier inne haben. Aber einwärts vom Meer und den am Meer wohnenden Menschen, dahineinwärts ist Libyen eine Wildniß, und hineinwärts von der Wildniß ist es Sand, arg, wasserlos und gänzlich wüste Nun seyen Jene von ihren Gesellen ausgeschickten Jünglinge, mit Wasser und Nahrungsmitteln wohl versehen, zuerst durch das bewohnte Land gegangen, nach Durchwanderung desselben in die Wildniß gekommen; und von da aus durch die Wüste gewandert, immer auf dem Wege gegen den Westwind. Und nach Durchwanderung einer langen sandigen Strecke, in Zeit vieler Tage, hätten sie endlich eine Ebene mit Baumwuchs gesehen; worauf sie zugegangen, und von den Früchten gepflückt hätten, die an den Bäumen hingen. Während dem Pflücken seyen dann kleine Männer zu ihnen herangekommen, noch unter mittelmäßiger Mannesgröße; welche sie mit sich fortnahmen; doch ohne daß die Nasamonen von ihrer Sprache, noch die Führer von den Nasamonen etwas verstanden. Diese hätten sie nun durch die größten Sümpfe geführt, nach deren Durchwanderung sie in eine Stadt gekommen, woselbst Aue ihren Führern an Größe gleich und von schwarzer Farbe wären. An der Stadt aber fließe ein großer Strom hin, und der fliese von Abend gegen Sonnenaufgang; auch zeigen sich in demselben Crocodile.
33. So weit also hatte ich die Rede des Ammoniers Etearchus angegeben, nur daß er noch hinzusetzte, die Nasamonen wären zurückgekehrt, wie die Cyrenäer gesagt haben, und die Menschen, zu welchen Dieselben gekommen, seyen alle Zauberer. Nun schloß aber auch Etearchus, jener Fluß, der dort vorbeifließt, sey der Nil; und das hat wirklich seinen guten Grund. Nämlich der Nil strömt aus Libyen her, so, daß er Libyen mitten durchschneidet, und (wie ich schließe, indem ich aus Ersichtlichem das Unbekannte abnehme,) unter dem gleichen Längenverhältnis von der Quelle an, wie der Ister. Denn auch der Isterfluß, der von den Selten und der Stadt Pyrene ausgeht, strömt durch Europa so, daß er es mitten scheidet. Diese Gelten sind außerhalb der Säulen des Herkules und Grenznachbarn der Cynesier, 63welche unter den Bewohnern von Europa zu äußerst gegen Abend wohnen. Der Ister endigt aber seinen Lauf durch ganz Europa im Meere des Pontus Euxinus, dort, wo Istrien von den Milesischen Pflanzern bewohnt wird.
34. Nun ist der Ister, da er durch bewohntes Land Strömt, Vielen bekannt; aber von den Quellen des Nil vermag Niemand Etwas zu sagen, da Libyen, wo er es durchs strömt, gerade unbewohnt und wüste ist. Von seinem Lauf aber ist schon das Aeußerste angegeben, was nur immer durch Erkundigung zu erreichen war. Zulegt fließt er heraus nach Aegypten. Und Aegypten liegt so ziemlich, dem Gebirgsland von Silicien gegenüber; und von da gerade nach Sinope am Pontus Euxinus ist es ein Weg von fünf Tagen für einen rüstigen Mann; Sinope aber liegt dem Ister, wo er in's Meer ausfließt, gegenüber. So, glaube ich, läuft der Nil durch ganz Libyen im gleichen Verhältniß, wie der Ister (durch ganz Europa).
35. Jetzt komme ich daran, noch weitläufig von Aegypten zu reden; weil es viel mehr Wunder enthält, als jedes andere Land, und, mit jedem Land verglichen, außerordentliche Werke zeigt. Dieserwegen soll ein Mehreres davon gesagt werden. Die Aegyptier haben, nebstdem, daß bei ihnen der Himmel eigenthümlich ist, und ihr Fluß eine von den übrigen Flüssen verschiedenartige Natur zeigt, meist auch in Sitten und Bräuchen durchaus das Umgekehrte, als wie die übrigen Menschen, eingeführt. Da gehen die Weiber auf den Markt und handeln, die Männer dagegen halten sich in den Häusern und weben. Nun weben sollst Alle so, daß sie den Eilschlag oben einstoßen (stehend), die Aegyptier aber unten (sitzend). Die Lasten tragen die Männer auf dem Kopf und die Weiber auf den Schultern; bei'm Pissen stehen die Weiber aufrecht und die Männer sitzen. Ihre Ausleerung verrichten sie in den Häusern, 64essen aber auf den Straßen, mit dem Bescheid, was unanständig, aber nothwendig ist, gehöre sich, im Verborgenen zu thun, was nicht unanständig, öffentlich. Priesterdienst übt kein Weib, weder bei männlichen, noch bei weiblichen Gottheiten; sondern bei Beiden durchaus Männer. Zur Erhaltung der Eltern haben die Söhne keine Verbindlichkeit, wenn sie nicht wollen, die Töchter aber volle Verbindlichkeit, auch wenn sie nicht wollen.
36. Die Priester der Götter pflegen sonst überall ihr Haar, in Aegypter aber scheeren sie sich. Bei den andern Menschen ist es Brauch, daß in der Trauer die nächsten Angehörigen ihr Haupt bescheeren; die Aegyptier aber lassen, um die Zeit eines Sterbefalls, die Haare auf dem Haupt und am Barte wachsen, während sie sollt geschoren sind. Die andern Menschen haben ein von den Thieren abgesondertes Leben, die Aegyptier leben mit den Thieren beisammen. Die Andern nähren sich von Waizen und Gerste, aber für einen Aegyptier sind diese Nahrungsmittel die größte Schande; das gegen machen sie ihre Speise von Besen, was man sonst wohl auch Spelt nennt. Den Teig kneten sie mit den Füßen und den Lehm mit den Händen, wie sie auch den Mist aufheben. Das Schamglied lassen die Andern, wie es ist, ausgenommen, Wer es von den Aegyptiern gelernt hat; Diese beschneiden es. Kleider haben die Männer immer zwei, die Weiber immer ein einziges. Die Segelringe und Taue binden die Andern auswendig an, die Aegyptier aber inwendig. Das Schreiben und das Rechnen mit Zahlzeichen geht bei den Hellenen von der linken nach der rechten Hand; bei den Aegyptiern aber von der rechten nach der linken; und dabei behaupten sie noch, bei ihnen geschehe es nach der rechten, bei den Hellenen aber nach der linken. Auch haben sie zweierlei Schrift, wovon die eine die heilige, die andere die gemeine heißt.
37. Bei ihrer Gottesfurcht, worin sie es unter allen Menschen am meisten überbieten, haben sie folgende Bräuche. Die ehernen Becher, woraus sie trinken, spülen sie jeglichen Tag aus, nicht blos Der und Jener nicht, sondern Alle. Sie tragen Kleider von Linnen, die immer frisch gewaschen sind; Was ihnen die größte Angelegenheit ist. Auch die Schamglieder beschneiden sie der Reinheit wegen, und achten es höher, rein zu seyn, als wohlanständig. Die Priester scheeren sich am ganzen Leib alle drei Tage, damit sie keine Laus, noch sonst etwas Unsauberes an sich haben bei'm Dienst der Götter. Die Kleidung, welche die Priester tragen, ist nur von Linnen, die Schuhe nur von Byblus; und eine andere Kleidung ist ihnen nicht erlaubt zu nehmen, auch nicht andere Schuhe. Dieselben baden sich zweimal jeglichen Tag kalt und zweimal jegliche Nacht. Und sonst vollziehen sie noch Pflichtleistungen in Unzahl, daß ich so sage. Doch haben sie auch nicht wenig Gutes. Von ihrem Eigenthum nämlich verbrauchen sie nichts und geben nichts aus; sondern haben sowohl ihr heiliges Gebäck, als Rindfleisch und Gänsefleisch für jeden in großer Menge, jeden Tag, und wird ihnen auch Rebenwein 65gereicht. Aber Fische zu genießen, ist ihnen nicht erlaubt. Bohnen pflanzt man eben nicht in Aegyptenland, und wenn sie herauskommen, ißt man sie nicht so, noch speis't man dieselben gekocht. Die Priester ertragen nicht einmal ihren Anblick, aus dem Glauben, diese Hülsenfrucht sey unrein. Den Priesterdienst übt aber bei jedem Gott nicht blos Einer, sondern Viele, deren Einer Oberpriester ist; und so oft einer stirbt, tritt dessen Sohn an seine Stelle.
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