133. Weiter ist nach ihren Gebräuchen Jedem unter allen Tagen sein Geburtstag der feierlichste. An diesem halten sie es für billig, ein volleres Mahl, als sonst, aufzutragen, und ihre Reichen tragen einen Stier, ein Pferd, ein Kamel und einen Esel auf, die ganz in Oefen gebraten werden; ihre Armen tragen kleines Vieh auf. Die Perser setzen sich wenig Speisen vor; aber vielen Nachtisch, und diesen nicht auf einmal. Eben darum behaupten sie auch, die Hellenen hören hungrig auf, zu speisen, weil ihnen nach der Mahlzeit Nichts aufgetischt werde, das der Rede werth wäre; würde ihnen Etwas aufgetischt, so hörten sie wohl nicht auf zu essen. Dem Weine setzen sie stark zu, und dürfen nicht speien und nicht pissen in eines Andern Gegenwart. So hält man es in diesen Stücken. Auch sind sie gewohnt, über die wichtigsten Angelegenheiten sich trunken zu berathen; und was ihnen in ihrem Rath gefallen hat, Das legt ihnen Tags darauf, wenn sie nüchtern sind, der Hausherr vor, bei welchem sie sich gerade beriethen. Und wenn es ihnen auch nüchtern gefällt, so gilt's; wo nicht, so wird es aufgegeben. Was sie aber nüchtern vorschlugen, Das untersuchen sie noch einmal, wenn sie trunken sind.
134. Treffen sie sich auf der Straße, so läßt sich daran erkennen, ob die Begegnenden gleiche Leute sind; dann nämlich küssen sie einander, anstatt der Begrüßung, auf den Mund. Ist jedoch Einer etwas geringer, so küssen sie die Mangen; ist aber Einer viel gemeiner, als der Andere, so wirft er sich vor ihm nieder und huldigt ihm. Sie ehren vor Allen ihre nächsten Nachbarn, nach sich selber nämlich, dann die Zweiten, hernach die Weitern, indem sie in dieser Ordnung fortschreiten; so daß sie Die am wenigsten in Ehren halten, die von ihnen am entferntesten wohnen. Denn sie halten sich selbst bei weitem für die allervortrefflichsten Menschen, und die Andern lassen sie in der angegebenen Ordnung an ihre Trefflichkeit sich anschließen, und um so schlechter seyn, je entfernter sie von ihnen wohnen. Nämlich unter der Medierherrschaft herrschten zugleich die Völker übereinander, und zwar die Medier über Aue zusammen, und insbesondere über ihre nächsten Nachbarn, Diese über ihre Grenznachbarn, und Diese wieder über die Angrenzenden. Nach derselben Ordnung nun werden auch die Völker von den Persern geschätzt; denn (nach Jenen) gelangte dieses Volk zur Herrschaft und Verwaltung.
135. Zu fremden Sitten versteht sich Niemand leichter, als die Perser. So tragen sie die Medische Kleidung, weil ihnen dieselbe schöner dünkte, als ihre eigene, und so im Kriege die Aegyptischen Panzer. Auch gehen sie allen möglichen Genüssen nach, wenn sie davon hören; insbesondere haben sie von den Hellenen die Knabenliebe gelernt. Jeder Perser hat viele Ehefrauen, nimmt aber noch viel mehr Kebsweiber.
136. Für Mannhaftigkeit gilt es, nächstem daß mau ein Mann im Kampf ist, wenn einer viele Kinder aufweisen kann; und Wer die meisten aufweist, dem schickt der König Geschenke von Jahr zu Jahr. Denn Menge, denken sie, gibt Stärke. Ferner erziehen sie die Knaben, vom fünften Jahr an bis zum zwanzigsten, nur in Dreierlei: Reiten, Bogenschießen, Wahrheit reden. Bevor er aber fünfjährig ist, kommt Keiner dem Vater zu Gesicht; sondern hat seinen Aufenthalt bei den Frauen. Und Das macht man deßwegen so, damit Keiner, falls er unter der Pflege stärbe, dem Vater Leid zuziehe.
137. Diesen Brauch lobe ich, und lobe auch den, daß Keiner um einer einzigen Schuld willen, nicht einmal vom König selbst getödtet wird, auch sonst kein Perser einen seiner Hausleute wegen einer einzelnen Schuld heillos 43behandeln darf; sondern wofern Einer nach Abrechnung die Verbreden häufiger und größer findet, als die Dienste, dann läßt er seinen Zorn aus.
Noch habe, sagen sie, Steiner jemals seinen Vater umgebracht, noch seine Mutter; sondern wenn je so Etwas geschah, habe man ganz nothwendig, behaupten sie, bei der Untersuchung auffinden müssen, daß solches Unterschobene oder im Ehbruch Erzeugte waren; denn es ist, nach ihrer Behauptung, gar nicht anzunehmen, daß wirklich ächte Eltern durch ihre eigenen Kinder sterben.
138. Sodann ist ihnen Alles, was ihnen nicht erlaubt ist zu thun, nicht einmal zu sagen erlaubt. Für das Schändlichste aber gilt ihnen zu lügen, und nächstem, Etwas schuldig zu seyn; Dieß aus vielen Gründen; besonders aber behaupten sie auch, ein Schuldner werde nothwendig die eine oder andere Lüge sagen. Wo ein Bürger den Aussaß oder den weißen Ausschlag hat, so kommt Dieser nicht in die Stadt, noch gesellt er sich zu den andern Persern; und, nach ihrer Behauptung, hat er Das wegen eines Vergehens gegen die Sonne. Auch treiben sie jeden Fremden, der davon ergriffen wird, eiligst aus ihrem Lande; so wie auch die weißen Tauben unter demselben Vorwurf. In einen Fluß pissen sie weder Etwas, noch spucken sie hinein, noch waschen sie darin die Hände; auch lassen sie Das keinem Andern zu; sondern verehren die Flüsse höchlich.
139. Folgendes findet sich auch bei ihnen. Was wohl den Persern entgeht, nicht so aber uns. Ihre Namen, die ihrem Aeußern und ihrer Würde entsprechen, endigen sich alle auf denselben Buchstaben, den die Dorier San, und die Ionier Sigma heißen. Wer darauf achten will, wird finden, daß darauf die Persischen Namen sich endigen, nicht etwa einige, und andere nicht, sondern alle gleichmäßig.
140. Dieses weiß ich, und kann darüber mit Bestimmtheit reden; über ihre Todten aber hört man, als etwas Geheimes, und nicht mit Sicherheit, daß kein Leichnam eines Persers eher begraben werde, als bis ein Vogel oder Hund daran gezerrt habe. Ja, von den Magiern weiß ich mit Bestimmtheit, daß sie es so machen; thun sie's doch öffentlich. Die Perser überziehen den Leichnam erst mit Wachs; dann bergen sie ihn in der Erde. Die Magier aber unterscheiden sich sehr von andern Menschen, und auch von den Priestern in Aegypten. Denn Diese halten es heilig, kein Lebendes zu tödten, außer, was sie opfern; die Magier dagegen tödten gerade eigenhändig Alles, außer Hund und Mensch, und machen sich Das zur großen Aufgabe, sowohl Ameisen, wie auch Schlangen zu tödten, und sonst, Was kriecht und fliegt. So lassen wir's denn mit diesem Brauch, wie es von jeher gegolten hat. Ich aber gehe zurück auf die vorige Geschichte.
141. Die Ionier und die Aeolier sandten nun, sobald die Lydier unterworfen waren, Boten nach Sardes an Cyrus, bereit, unter denselben Bedingungen ihm unterthan zu seyn, wie sie es dem Krösus waren. Als aber Derselbe ihren Vortrag angehört hatte, erzählte er ihnen eine Geschichte: Es Habe nämlich ein Flötenspieler, der Fische im Meer sah, auf seiner Flöte gepfiffen, in der Meinung, sie sollten an's Land herauskommen; als er sich aber in seiner Hoffnung betrog, ein Netz genommen, und darin eine große Menge Fische gefangen und herausgezogen. Wie er sie zappeln sah, habe er zu den Fischen gesprochen: "höret mir auf, zu tanzen; habt ihr ja nicht, als ich euch pfiff zum Tanze herauskommen wollen." Diese Geschichte erzählte aber Cyrus den Ioniern und Aeoliern deßwegen, weil wirklich die Ionier früher, als Cyrus selbst durch Gesandte sie bat, von Krösus abzufallen, nicht gehorchen wollten; jetzt aber, nachdem die Sachen abgemacht waren, sich bereit zeigten, dem Cyrus zu gehorchen. Er also gab ihnen, in seinem Zorn, Dieß zur Antwort. Die Ionier aber, als sie solche Nachrichten in ihren Städten hörten, schützten sich Alle mit Mauern, und versammelten sich in Panionium, nur die Milesier ausgenommen. Denn mit Diesen allein hatte Cyrus einen Bundeseid gemacht, unter denselben Bedingungen, wie der Lydier (Krösus). Die übrigen Ionier aber beschloßen, im Namen Ader Gesandte nach Sparta zu schicken, mit der Bitte, den Ioniern beizustehen.
142. Diese Ionier, aus denen eben das Panionium besteht, haben unter allen Menschen, von denen wir wissen, gerade da ihre Städte gegründet, wo der Himmel und die Jahreszeiten am schönsten sind. Denn weder die Lande oberhalb Ioniens thun es ihm gleich, noch die unterhalb, weder die gegen Morgen, noch die gegen Abend. Denn die Einer sind der Kälte und Nässe, die Andern der Seite und Dürre unterworfen. Die Sprache ist aber nicht unter allen Ioniern dieselbe, sondern in vier Abarten gebildet. Milet ist ihre erste Stadt gegen Mittag, dann Myus und Priene; und diese sind in Karien gelegen und sprechen gleich miteinander. In Indien aber sind: Ephesus, Kolophon, Lebedus, Teos, Klazomenä, Phocäa. Diese Städte stimmen mit den früher genannten in der Sprache gar nicht überein, unter sich aber haben sie die gleiche Sprache. Noch sind drei Ionische Städte übrig, wovon zwei auf Inseln liegen, auf Samos und Chios, eine auf dem Festland gegründet ist, Erythrä. Nun sprechen zwar die Chier und Erythräer miteinander die gleiche Sprache, die Samier aber ihre eigene für sich. Das sind die vier Mundarten.
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