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Die Phase IIIdient der Überprüfung der Testergebnisse aus Phase II. Dazu wird die Prüfung an einer großen Probandenzahl, die bis zu mehreren tausend Personen umfassen kann, fortgesetzt. Phase III erfolgt meist multizentrisch, also zeitgleich an unterschiedlichen Kliniken nach einem einheitlichen Versuchsplan; daneben können auch die Praxen niedergelassener Ärzte einbezogen werden.[141]
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Durch die Phase III werden die Voraussetzungen für den Zulassungsantrag geschaffen, mit welchem dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als der zuständigen Bundesoberbehörde (§ 77 Abs. 1 AMG) die in § 22 AMG aufgeführten Zulassungsunterlagen vorzulegen sind.[142] Im Falle eines positiven Bescheids folgt auf die Zulassung die Phase IV, die der Überwachung des Arzneimittels dient. Im Fokus dieser auf den Gedanken der Verkehrssicherungspflicht[143] zurückzuführenden Überwachung stehen unerwünschte Arzneimittelneben- oder -wechselwirkungen; darüber hinaus sollen offene Fragen bezüglich der Dosierung oder Applikationsform geklärt werden. Langzeiterfahrungen ermöglichen weitere Erkenntnisse hinsichtlich der therapeutischen Effekte und der gesundheitlichen Risiken.[144] Bisweilen werden in Phase IV auch Therapieoptimierungsstudien durchgeführt, die der Verbesserung therapeutischer Strategien durch Hochdosierung des Arzneimittels, neue Arzneimittelkombinationen oder modifizierte Anwendungsschemata dienen.[145] Da auch die Phase IV als Teil der klinischen Prüfung gilt, sind die in den §§ 40 ff. AMG normierten Vorschriften zum Probandenschutz weiterhin zu beachten.[146] Anders ist dies bei Anwendungsbeobachtungen, für die nach § 67 Abs. 6 S. 1 AMG lediglich eine Anzeigepflicht besteht.[147]
2. Rechtliche Rahmenbedingungen nach dem AMG und der VO (EU) Nr. 536/2014
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Bei der Betrachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung klinischer Prüfungenwird neben den einschlägigen Vorschriften der §§ 40 ff. AMG zukünftig auch die VO (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln zu berücksichtigen sein. Da die durch die Verordnung veranlassten Änderungen im nationalen Recht bereits durch das 4. AMG-ÄndG vorgenommen wurden, ihr Inkrafttreten jedoch teilweise bis zur Geltungserlangung der Verordnung aufgeschoben wurde ( Rn. 13), geht die nachfolgende Darstellung auf beide Rechtsregime ein. Bereits verabschiedete aber noch nicht in Kraft getretene Vorschriften des AMG werden durch den Zusatz „n.F.“ gekennzeichnet.
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Damit der sachliche Anwendungsbereichder §§ 40 ff. AMG eröffnet ist, muss es sich bei dem Prüfpräparat zunächst um ein Arzneimittel i.S.v. § 2 AMG handeln.[148] In Abgrenzung zum Heilversuch muss die Erprobung des Prüfpräparates (auch oder ausschließlich) der Gewinnung verallgemeinerungsfähiger Erkenntnisse in Bezug auf dessen Wirksamkeit und/oder Sicherheit dienen.[149] Gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AMG muss ein Sponsoroder ein Vertreter des Sponsors[150] vorhanden sein, der seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat (vgl. zukünftig Art. 74 der VO (EU) Nr. 536/2014, § 40a S. 1 Nr. 1 AMG n.F.). Als Sponsoren kommen gemäß § 4 Abs. 24 AMG natürliche oder juristische Personen in Betracht, welche die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen übernehmen (vgl. zukünftig § 4 Abs. 24 AMG n.F. i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Nr. 14 VO (EU) Nr. 536/2014). Dabei verbleibt die Gesamtverantwortung auch dann beim Sponsor, wenn dieser die Durchführung der Studie auf ein privates Forschungsunternehmen (sog. Contract Research Organization) überträgt.[151] Während in Deutschland bislang das Prinzip des einheitlichen Sponsors gilt,[152] erlaubt Art. 72 der VO (EU) Nr. 536/2014 in Zukunft das sog. Co-Sponsoring.[153]
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Die klinische Prüfung muss darüber hinaus gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG in einer geeigneten Einrichtung[154] von einem angemessen qualifizierten Prüferverantwortlich durchgeführt und von einem Prüfer mit mindestens zweijähriger Erfahrung in der klinischen Prüfung von Arzneimittelngeleitet werden. Nach § 4 Abs. 25 S. 1 AMG soll es sich bei dem Prüfer in der Regel um einen Arzt handeln; in begründeten Ausnahmefällen kommt jedoch auch eine andere Person, deren Beruf auf Grund seiner wissenschaftlichen Anforderungen und der seine Ausübung voraussetzenden Erfahrungen in der Patientenbetreuung für die Durchführung von Forschungen am Menschen qualifiziert, als Prüfer in Betracht.[155] Die VO (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln enthält in Art. 49 Abs. 1 eine entsprechende Formulierung und bringt daher wohl keine Veränderung bei den Anforderungen an die Qualifikation des Prüfers mit sich; sie führt allerdings in Art. 2 Abs. 2 Nr. 16 den sog. Hauptprüfer wieder ein, auf den im nationalen Kontext erst im Jahr 2012 verzichtet worden war.[156] Zu den Anforderungen an die Prüfeinrichtung vgl. zukünftig § 40a S. 1 Nr. 5 AMG n.F., Art. 50 i.V.m. Anhang I Nr. 67 VO (EU) Nr. 536/2014.
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Gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 AMG darf die klinische Prüfung vom Sponsor nur begonnen werden, wenn die zuständige Ethikkommissiondiese nach Maßgabe des § 42 Abs. 1 AMG zustimmend bewertet[157] und die zuständige Bundesoberbehörde(§ 77 AMG) diese entsprechend § 42 Abs. 2 AMG genehmigt hat. Mit Rücksicht auf die lange Verfahrensdauer wird von einer Anfechtung der Bewertung der Ethikkommission oder der Entscheidung der Bundesoberbehörde abgeraten und stattdessen vorgeschlagen, auf einen Kompromiss hinzuwirken oder den Antrag nach Rücknahme in modifizierter Form erneut einzureichen.[158] Eine gewisse Entlastung könnten insofern die in der VO (EU) Nr. 536/2014 vorgesehenen strengen und knappen Fristen mit sich bringen, die vor allem die Ethikkommissionen unter einen erheblichen Handlungsdruck setzen dürften.[159] Als wesentliche Neuerung bringt die Implementierung der Verordnung eine Zusammenführung der bislang getrennten Verfahren bei Ethikkommission und Bundesoberbehörde zu einem nationalen Genehmigungsverfahren unter Federführung der Bundesoberbehördemit sich (vgl. im Einzelnen § 40 AMG n.F.).[160] Soll eine klinische Prüfung in mehreren Mitgliedstaaten der EU durchgeführt werden, so übernimmt ein Mitgliedstaat auf Vorschlag des Sponsors (Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 der VO (EU) Nr. 536/2014) als sog. berichterstattender Mitgliedstaat die Rolle des Koordinators zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten.[161]
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Wie beim Heilversuch muss auch bei der klinischen Prüfung eine positive Risiko-Nutzen-Bewertungund eine wirksame Einwilligungdes ordnungsgemäß aufgeklärten Probanden vorliegen (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nrn. 2, 2a, 3 AMG bzw. zukünftig Art. 28 Abs. 1 lit. a–c der VO (EU) Nr. 536/2014). Im Rahmen der Aufklärung ist der Proband über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung sowie über sein Recht zu informieren, die Teilnahme jederzeit zu beenden (§ 40 Abs. 2 S. 1 AMG bzw. Art. 29 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 536/2014). Die Aufklärung soll den Probanden zu einer eigenständigen Risikoeinschätzung befähigen; sie muss daher insbesondere auf den Charakter als Forschungseingriff und die damit verbundenen besonderen (unter Umständen noch unbekannten) Risiken eingehen.[162] Darüber hinaus besteht eine Verpflichtung zur umfassenden datenschutzrechtlichen Aufklärung des Teilnehmers (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3c, Abs. 2a AMG bzw. § 40b Abs. 6 AMG n.F.).[163] Der Aufklärung kommt nach dem Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 536/2014 gesteigerte Bedeutung zu, da der Widerruf der Einwilligung in die Datenverarbeitung gemäß Art. 28 Abs. 3 S. 2 der Verordnung nur ex nunc wirkt und deshalb die zuvor gewonnenen Daten entsprechend verwendet werden können.[164] Besondere Relevanz besitzt außerdem die Freiwilligkeit der Studienteilnahme, die nach Auffassung des Gesetzgebers bei Personen, die aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Anordnung in einer Anstalt untergebrachtsind, von vornherein nicht gewährleistet werden kann, weshalb § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG die Durchführung klinischer Prüfungen mit dieser Personengruppe ausschließt (vgl. zukünftig § 40a S. 1 Nr. 2 AMG n.F.).[165]
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