1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Die Berechnung von Indizes auf der Personen- und Gruppenebene, die Identifikation von Gruppen sowie die Visualisierung von Netzwerkdaten in einem Graphen kann durch Software-Anwendungen unterstützt werden. Eine umfangreiche Übersicht zu klassischen Programmen der SNA bietet beispielsweise der Übersichtsartikel von van Duijn und Huisman (2011). Für Einsteigerinnen und Einsteiger in die SNA sind vor allem zwei Programme empfehlenswert: (1) UCINET (Borgatti, Everett & Freeman, 2002), ein kommerzielles Programm, dessen Stärken gleichermaßen in der Visualisierung, der Berechnung von Indizes und der Identifizierung von Gruppen liegen. (2) Gephi (Bastian, Heymann & Jacomy, 2009), eine freie Alternative, die den Fokus noch deutlicher auf Netzwerkvisualisierungen setzt, wobei jedoch Abstriche hinsichtlich der Berechnung von Indizes und der Identifizierung von Gruppen in Kauf genommen werden müssen. Für die Berechnung komplexer inferenzstatistischer Modelle sind beide Programme ungeeignet, wobei sich in UCINET zumindest einige basale inferenzstatistische Modelle schätzen lassen.
Bildungsforschende und Lehrpersonen in Schulen haben unterschiedliche Motive, die Peerbeziehungen von Lernenden zu erfassen. Neben der Fragebogenmethode ist es die SNA, die im vorliegenden Kapitel als geeignete Methode vorgestellt wurde. Das Alleinstellungsmerkmal der SNA gegenüber anderen Methoden liegt dabei in der Möglichkeit, Selbst- und Fremdbericht direkt miteinander in Bezug zu setzen. Eine solche Beschreibung und Auswertung der Peerbeziehungen kann dabei auf der Ebene des Individuums, einzelner Gruppen oder des ganzen Netzwerkes mithilfe von Indizes, Visualisierungen und inferenzstatistischen Modellen erfolgen.
• Soziale Strukturen aufdecken: Für eine gezielte Förderung von Lernenden ist eine entsprechend gute Diagnostik unabdingbar (Hesse & Latzko, 2017), dies gilt auch für die Peerbeziehungen von Lernenden. Lehrende können Fragebögen und die Methoden der SNA einsetzen, um detaillierte Informationen über die Peerbeziehungen einer Vielzahl von Lernenden zu erhalten. Auf Grundlage dieser Informationen dürfte es Lehrenden beispielsweise leichter möglich sein, soziale Ausgrenzung und Bullying im Klassenzimmer frühzeitig zu erkennen und entsprechend regulierend einzugreifen (Harks & Hannover, 2017).
• Zeitökonomisch und erprobt: Ein Vorteil von Fragebögen ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Verfahren besonders zeitökonomisch eingesetzt werden können. Beim Einsatz von Fragebögen sollten nach Möglichkeit standardisierte Fragebögen verwendet werden, da sie theoretisch fundiert und bereits an größeren Stichproben erprobt wurden.
• Objektiv: Vor allem die Methoden der SNA ermöglichen über die Verknüpfung von Selbst- und Fremdbericht eine objektivere Sicht auf die sozialen Beziehungen einer Klasse und die Eingebundenheit Einzelner in dieses Netzwerk. Vergleiche ausgehender und erhaltener Nominierungen (Outdegree und Indegree) können Aufschluss über die soziale Stellung eines Lernenden aus Sicht der Peers geben und dabei helfen, Lernende zu identifizieren, die von der Klassengemeinschaft ausgeschlossen sind.
• Grenzen kennen und achten: Bei allen Methoden, mit denen sich die sozialen Beziehungen von Lernenden erfassen lassen, insbesondere der SNA, sind die Zusicherung von Vertraulichkeit und die Einhaltung des Datenschutzes gegenüber den Teilnehmenden unabdingbar. Keinesfalls sollten die erhobenen Daten an die Lernenden zurückgespiegelt werden (Bell-Dolan & Wessler, 1994; Borgatti & Molina, 2005). Weder in aufbereiteter Form noch in Form von Grafiken und Darstellungen gehören solch sensible Informationen ohne die Zustimmung aller Befragten in die Hände von Lernenden oder Außenstehenden, da dies das Recht des Individuums auf informationelle Selbstbestimmung verletzen würde. Weiterhin sollten, bei aller Nützlichkeit, auch die Grenzen der vorgestellten Methoden berücksichtigt werden. So sagt die Kenntnis über das Vorhandensein einer oder mehrerer Peerbeziehungen einer Person noch nichts über deren Qualität oder deren langfristige Stabilität aus (Poulin & Chan, 2010).
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