Peter Höner - Das Elefantengrab

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Eine junge Elefantenforscherin, die im Mulika Range Nationalpark das Verhalten der Tiere beobachtet, wird nach einer Erkundungsfahrt vermisst. Die Polizei befürchtet, dass sie Wilderern in die Hände gefallen ist. Es geht um das Geschäft mit dem weissen Gold, dem Elfenbein.Der Privatdetektiv Mettler und sein kenyanischer Freund, der Chef der Kriminalpolizei der Insel Lamu, nehmen sich des Falles an und reisen im Privatflugzeug Mettlers in den Park im Landesinnern. Der Nationalpark wird zum Schauplatz einer Mordgeschichte, mit Männern im Mittelpunkt, die sich der Illusion hingeben, in der afrikanischen Wildnis seien ungestraft wahre Abenteuer zu erleben, würden letzte Heldenträume wahr.
Der eigentliche Held des Romans ist aber weder Mettler noch Tetu, sondern der Elefantenbulle Hannibal.

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Eine junge Elefantenforscherin, die im Mulika Range Nationalpark das Verhalten der Tiere beobachtet, wird nach einer Erkundungsfahrt vermisst. Die Polizei befürchtet, dass sie Wilderern in die Hände gefallen ist. Es geht um das Geschäft mit dem weissen Gold, dem Elfenbein.Der Privatdetektiv Mettler und sein kenyanischer Freund, der Chef der Kriminalpolizei der Insel Lamu, nehmen sich des Falles an und reisen im Privatflugzeug Mettlers in den Park im Landesinnern. Der Nationalpark wird zum Schauplatz einer Mordgeschichte, mit Männern im Mittelpunkt, die sich der Illusion hingeben, in der afrikanischen Wildnis seien ungestraft wahre Abenteuer zu erleben, würden letzte Heldenträume wahr.

Der eigentliche Held des Romans ist aber weder Mettler noch Tetu, sondern der Elefantenbulle Hannibal.

Foto Anne Buergisser Peter Höner geboren 1947 in Eupen aufgewachsen in - фото 1

Foto Anne Buergisser

Peter Höner, geboren 1947 in Eupen, ­aufgewachsen in Belgien und der Schweiz, Schauspielstudium in Hamburg und Schauspieler u. a. in Basel, Bremen und ­Berlin. Seit 1981 freischaffender Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, 1986–1990 ­Afrikaaufenthalt. Autor von Theaterstücken, Hörspielen und Büchern.

«Der Zürcher Schauspieler und Schriftsteller Peter Höner ist ein Schalk. Und er ist überdies ein feinsinniger Diagnostiker unserer verirrten und verwirrten Gesellschaftsformen.» Luzerner Zeitung

Petert Höner

Das Elefantengrab

Limmat Verlag

Zürich

I. T E I L

«Ist es nicht herrlich hier?» fragte Joe.

«Prachtvoll!» antwortete Tom.

«Was würden wohl die anderen Jungen sagen, Huck, wenn sie ebenfalls hier sein könnten?»

Mark Twain: TOM SAWYER

Seit Wochen sind die Quellen versiegt. In den Hügeln rund um die Ma-Uri-Plains fiel kein Regen, der Fluß führt kein Wasser mehr. Die Pfützen in den Biegungen des Flusses sind ausgetrocknet, und vom Grund des Beckens unter dem stummen Wasserfall leuchtet der Sand.

Zwischen zwei Inseln dürrer Bergbambusse, vor den Stengeln einer Lobelie, deren Blütentrauben -- wollige Stummelschwänze -- dunkel ins zarte Blau des Himmels wachsen, steht ein Elefant.

Und? Keine Angst?» stört Mettler Tetus Ruhe. Die beiden Männer sitzen im Cockpit einer orangegelben Piper Cup. Hinter dem Steuerknüppel Jürg Mettler. Neben ihm döst der Chef der Kriminalpolizei von Lamu, Robinson Njoroge Tetu.

«Angst? Wovor?»

«Wir, zwei dicke Männer, unter einem Leinwandfetzen, der an ein paar Stangen über unsere Köpfe gespannt wurde. Ein paar hundert Meter über dem Erdboden, auf dem Weg in den Busch. -- Keine Angst vor dem großen Abenteuer?»

«Du hast ja auch keine Angst.»

«Ich fliege, weil ich Angst habe.»

Tetu dreht sich nach Mettler um, schüttelt den Kopf: «Nicht gerade sehr ermutigend. Nicht für mich als Passagier.»

«Du hast mich mißverstanden», besänftigt Mettler und witzelt: «Nur wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um ... »

Tetu lacht, verlegen und ein bißchen griesgrämig. Einer dieser Witze, die er nicht versteht und wie sie Weißen gefallen.

Seit gut zwei Stunden folgt das einmotorige Kleinflugzeug dem trüben Mäander des Tanas, der der Maschine den Weg durch die ausgetrocknete Savanne weist.

In der ersten halben Stunde nach dem Start wußte Tetu nicht, worauf er achten sollte. Auf den Piloten? Die vielen Armaturen, Zeiger und Lämpchen, Pedale und Hebel? Auf den Himmel, in den sie hineinflogen, oder auf die Erde, die unter ihnen weg sank? Lamu, das so klein wurde, als ließe sich die Insel in die Tasche stecken. Er drehte sich bald nach hinten, zur Seite, befühlte die kurzen Hebel, die sich ihm in den Oberschenkel bohrten oder beugte sich zur Instrumententafel, auf der die vielen Zeiger in ihren runden Anzeigen kreisten oder zitternd stehenblieben, zwischen minus und plus, als wüßten sie nicht, wo sie hingehörten. Erst die knappe Anweisung Mettlers, er möge doch bitte stillsitzen, wenigstens während ihres Starts, dämpfte seine Neugier, und fast andächtig beschränkte er sich darauf, den Piloten zu beobachten.

Eine feine Schweißspur aus dem kurzen Haar das Ohr entlang schien zu verraten, daß Fliegen, zumindest für den Hotelier aus Lamu, eine anstrengende Sache sei; und, teils pikiert, teils amüsiert, erinnerte Tetu sich an ihre erste Begegnung vor zwei Jahren, als Mettler, ein bleicher Msungu und naß geschwitzt, in seinem Büro aufgetaucht war und ihn mit seiner Pedanterie, der Haarspalterei eines europäischen Privatdetektivs, verärgert hatte. Doch die Jahre in Lamu haben ihn verändert. Der schwere Mann ist leichter geworden. Die buschigen Augenbrauen haben im braungebrannten Gesicht ihre bedrohliche Strenge verloren und gleichen zerzausten Schattendächern über heiteren Augen, deren Wärme Vertrauen und Ruhe ausstrahlt.

Tetu und Mettler fliegen in den Mulika Range Nationalpark, der für seine Elefanten berühmt ist. Vor allem für Hannibal, den ältesten Elefanten Afrikas. -- Hannibal. Eine Schnapsidee von Weißen. Als ob jemand die Geburtstage von Elefanten gesammelt hätte. -- Seit zehn Tagen wird die Elefantenforscherin Jill Parker vermißt, und der letzte, der die Forscherin gesehen hat, ist Tetus Schwager, Stanley Muruti, ein Parkwächter im Mulika Range Nationalpark. Es wird vermutet, daß Muruti die Forscherin ausgeraubt und getötet hat, obwohl bis heute weder ihre Leiche noch ihr Fahrzeug gefunden wurden.

«Wir werden sie finden. Sie lebt», unterbricht Mettler Tetus Gedanken, wohl wissend worüber dieser grübelt.

«Sie ist hinter Hannibal her. Sie wird ihn entdeckt haben, kurz bevor sie den Park verlassen wollte ...»

«Du weißt, daß im Mulika Range Elefanten gewildert werden.»

«Sie lebt. Dein Verwandter hat mit der Sache nichts zu tun.»

Tetu nickt. Er glaubt zu wissen, warum Mettler ihn trösten will. Die Forscherin war oft in Lamu. Sie war Gast des Rafiki Beach Hotels, und Mettler schien eine Schwäche für die grazile Engländerin zu haben, ein Feuer, das weder ihm noch Alice entgangen war, Alice, die zusammen mit Mettler das Hotel in Lamu führt.

«Du warst mit ihr befreundet.»

«Ich bin, ich bin.»

«Die Kleine war verliebt in dich.»

«Um Gottes Willen, wie kommst du denn darauf? -- Sommersprossen, rote Haare. Eine Jill Parker ist doch nicht mein Typ.»

Tetu grinst. -- Nicht sein Typ. Und warum spielte er sich vor ihr auf wie ein Gockel vor der Henne?

Tetu lockert den lästigen Gurt, der ihn an den Sitz fesselt, dreht sich zur Seite und versucht, an seinem Knie vorbei durch das Plexiglas des Seitenfensters die Savanne unter ihnen zu beobachten. Viel zu sehen, gibt es nicht. Staubige Böden, die auf Regen warten, kahle Felsgruppen mit windpolierten Steinrücken, ab und zu ein ausgetrockneter Flußlauf, eingefressen in die rote Erde Afrikas. Nur der Tana führt um diese Jahreszeit noch Wasser, eine rostrote Brühe, die in den Biegungen des Flusses zu versickern scheint.

Unter ihnen auf dem Boden entdeckt Tetu das kleine Schattenkreuz der Piper Cup. Wie es durch kahle Strauchwälder huscht, über dem Wasser des Tanas tanzt, sich durch Astskelette riesiger Affenbrotbäume kämpft, Gräben überspringt, in Senken purzelt, zurückfällt ... Ja, das heißt fliegen. Hoch über Allem, und nur der Schatten müht sich auf der Erde ab, stolpert hinter dem Flugzeug her, das ruhig und gleichmäßig dem fernen Gebirge des Kiriyagas entgegenbrummt.

Verletzt und wütend stapft Alice Maiwa den Strand entlang. Nachdem sie am neuen Spital Lamus vorbeimarschiert ist, verläßt sie den Uferweg, zieht ihre Schuhe aus und platscht durchs Wasser der ausrollenden Wellen. Ein Vergnügen, das ihr als Kind gefiel, jetzt aber keine Freude macht, auch ihre Wut nicht besänftigt, im Gegenteil, und voll Zorn hackt sie ihre Fersen ins Wasser, den Sand.

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