Über dieses Buch
Es geht um Millionen. Gold wird unterschlagen, aus dem Land geschmuggelt, gewaschen, eine Schweizer Bank bietet ihre Dienste an. Ein paar wenige scheffeln ein Vermögen. Die Hände schmutzig macht sich kein Reicher, den Dreck erledigen andere.
Der kenyanische Kriminalbeamte Tetu, in die Wüste strafversetzt, untersucht die Ermordung eines Geheimagenten. Die Spur führt in die Hauptstadt, im Dickicht der Stadt ermittelt er gegen eine Bande korrupter Politiker und deren weiße Beraterclique. Trotz Erfolgen scheitert er am Ende doch.
Der ehemalige Privatdetektiv Mettler, der seit ein paar Jahren in Lamu ein Hotel besitzt, steckt in privaten Schwierigkeiten. Sein Sohn Ali heiratet in der Schweiz, ein Kind ist auch schon da. Mettlers Freundin Alice reist in die Schweiz, sie will ihren Enkel sehen. Daß Ali und Alice sich vor einen Karren spannen lassen, der ihnen zum Verhängnis wird, kann Mettler nicht verhindern.
Eine Geschichte von zwei Enden angepackt, die wohl einen glücklicheren Ausgang nähme, fänden ihre Helden zusammen.
Foto Anne Buergisser
Peter Höner, geboren 1947 in Eupen, -aufgewachsen in Belgien und der Schweiz, Schauspielstudium in Hamburg und Schauspieler u. a. in Basel, Bremen und -Berlin. Seit 1981 freischaffender Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, 1986–1990 -Afrikaaufenthalt. Autor von Theaterstücken, Hörspielen und Büchern.
Peter Höner
Seifengold
Limmat Verlag
Zürich
Seifengold. Goldseifen sind in Flußbetten, im Sand oder Kies zu finden. Das Gold kommt in Form von Staub, kleinen Körnern oder Klumpen (Nuggets) vor.
Aus dem ABC der Schweizerischen Bankgesellschaft: Begriffe rund um das Gold
Die Handlung des Romans ist frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und Firmennamen sind zufällig. Vor allem soll sich niemand dazu verleitenlassen, in Kenya nach Gold zu suchen.
Kurz vor Mitternacht entlädt sich das Gewitter. Der Regen trommelt auf die Blechdächer und schlägt den Staub zu Boden, den Windböen soeben noch um die Baracken fegten. Schon nach wenigen Minuten wird der Wüstensand in den Gassen und auf dem Markt zu Schlamm. Ein schmutziger Brei aus Abfällen und Dreck rutscht auf der Straße ins ausgetrocknete Flußbett.
Seit Tagen flackerten die schäbigen Häuserzeilen Lodwars Nacht für Nacht im Widerschein der Blitze, zuckte das dürre Schattengeäst der Baumriesen über den leeren Marktplatz. Doch die Wolken jagten über die Oase und stauten sich jenseits der Wüste vor einem Gebirge, dessen Flüsse im salzigen Sand versiegten.
Der Polizeichef von Lodwar, Robinson Njoroge Tetu, steht nackt am Fenster seiner Kammer und träumt in die Nacht hinaus. Der Regen hat ihn aus dem Bett gelockt.
Das Gewitter erinnert ihn an Lamu, wo der erste Sturm jeweils eine wahre Erlösung bedeutete. Nicht nur von der Hitze des Aprils. Die Hotels wurden geschlossen, und die Insel gehörte wieder den Einheimischen. Die wenigen Weißen, die in Lamu eigene Häuser besaßen, störten ihn nicht.
Ein Blitz schlägt in einen der Eukalyptusriesen unterhalb des Busbahnhofs. Das grelle Licht gespenstert mit den Fassaden der Hütten. Im Turm der Presbyterianer auf der gegenüberliegenden Straßenseite schlägt die Glocke an.
Im kaltblauen Geflacker entdeckt Tetu eine Gestalt, die rasch näherkommt. Ihr Mantel flattert im Wind. Eine Hand über dem Kopf, den Oberkörper seltsam schief und nach vorne geduckt, hetzt ein Mann die Straße hoch. Er stolpert, strauchelt. Seine Hand fährt zum Rücken, greift in die Luft, verkrampft sich zur Faust. Er fällt, stürzt auf die Knie und kippt in den weichen Schlamm.
«Saufkopf, blöder!» brummt Tetu.
Der Mann rappelt sich wieder auf, stützt sich auf seine Ellenbogen und kriecht durch den Schlamm auf die nächsten Häuser zu.
«Gut, so ist es gut. Und nun mach, daß du weiterkommst.»
«Njoroge? – Was ist denn? Was brummst du? Warum stehst du am Fenster?» fragt leise und beunruhigt eine Frauenstimme.
«Nichts, es ist nichts. Ich schau' dem Regen zu.»
Die Frau schlüpft aus dem Bett und tastet sich durch die Dunkelheit. Der Polizist streckt die Hand nach seiner Wirtin aus und zieht sie an sich.
Der Regen rauscht auf die Oase nieder, eine Wassermusik, die alle übrigen Laute übertönt. Selbst im Zimmer riecht es angenehm nach feuchter Erde, nach nassem Holz, Rost und Staub.
Plötzlich und mit einem Schlag springt die Hüttentüre auf. Tetu und seine Freundin fahren auseinander.
«Was war das?»
«Der Saufkopf», murmelt Tetu. «Ich sah ihn vorhin durch die Straße torkeln.»
«Soll ich Licht machen?»
«Warte. Erst zieh' ich mich an.»
Tetu schlüpft in seine Hosen, angelt nach seinem Uniformhemd. Die Frau verknotet ein Tuch über der Brust. Dann sucht sie nach Streichhölzern und macht Licht. Tetu öffnet die Kammertüre.
Auf der Schwelle zwischen Veranda und Küche kauert eine Gestalt. Aus ihrem Rücken ragt der Griff eines Messers, eines Dolches, wie ihn die Nomaden der Wüste unter ihren Gewändern tragen. Das Gesicht liegt flach auf dem nackten Boden, Ziegendreck hängt in seinen Haaren, der durchnäßte Mantel, vom Schaft des Messers festgehalten, ist bis zum Kragen mit Fasern, Strohstückchen und winzigen Schmutzsplittern übersät, die sich im Gewebe des Stoffes verhaken.
Die Frau schreit und flüchtet ins Zimmer zurück. Tetu fährt dem Mann mit beiden Händen unter die Arme, reißt ihn hoch und zieht ihn ins Haus. Mit dem Fuß schlägt er die Türe zu und schleppt den Verletzten durch die dunkle Küche in die Kammer, wo er ihn, so wie er ihn unter der Türe gefunden hat, vorsichtig auf sein Bett legt.
Der Fremde stößt einen gurgelnden Laut aus. Blut stürzt ihm aus Nase und Mund. Von einem Hustenanfall geschüttelt, würgt er einen Klumpen hervor, endlos, ein zähflüssiges Band aus dunklem Schleim.
«Er braucht einen Arzt! Fatuma, schnell! Nein. Er erstickt. Wir müssen ihn umdrehen. – Los, so hilf mir doch.»
Tetu kippt den Verletzten zur Seite und stopft ein Kissen unter seinen Kopf. Blut und Schleim besudeln das Laken. Dann, jäh und ungestüm, bäumt sich der Mann auf. Ein Blutschwall schießt über Kissen und Bett. Er schreit:
«Lomazzi! Salvatore Lomazzi.»
Einen Augenblick später ist er tot.
Der Regen hat nachgelassen. Manchmal schüttelt ein Windstoß aus den Palmwipfeln eine letzte Tropfenkaskade und läßt sie auf die Dächer prasseln. Das Gewitter hat die Wolkendecke aufgerissen, und aus dem hellen Sturmfenster fällt ein schwaches Licht, gerade stark genug, um die Straße zu erkennen. Zwischen Pfützen und Schlammlachen hasten der Polizeichef von Lodwar und seine Freundin durch den Ort zum Krankenhaus. Sie holen Hilfe, einen Arzt, die Polizei. Damit man den Toten aus ihrem Hause schafft.
Seit der Gewitternacht hofft Robinson Njoroge Tetu auf einen neuen Fall. Eine Aufgabe. Doch heute, eine Woche nach dem häßlichen Tod des Mannes, weiß er kaum mehr als den ominösen Namen.
Er hockt in seinem Büro hinter Lodwars einziger Tankstelle gleich neben der Hauptstraße und spitzt seine Bleistifte.
Aus dem grauen Kraushaar des Polizisten lecken feine Schweißbahnen, kleine Bäche, die den Speckfalten seines Halses entlang fließen und im Kragen der Uniform versickern. Die Augen sind verquollen, die Lider gerötet. Selbst auf der Nase perlt der Schweiß.
Tetu ist nicht freiwillig hier. Weiß Gott nicht. Seine Beförderung zum Polizeichef von Lodwar war die Strafe für einen Erfolg, den niemand gewollt hatte. Zugegeben, er hatte sich schuldig gemacht. Zusammen mit Jürg Mettler. Eine Kompetenzüberschreitung. Er wurde vom Dienst beurlaubt und erwartete eine Geldstrafe. Aber Nairobi hat ihn in die Wüste geschickt. Buchstäblich.
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