THEMA
Freundinnenschaft
Von Stephanie Klein
Männer-Freundschaft
Von Markus Hofer
Männer-Freundschaften und die Frage nach ihren gesellschaftlichen Implikationen
Die Replik von Stephanie Klein auf Markus Hofer
Über das Leben reden
Die Replik von Markus Hofer auf Stephanie Klein
„Deus amicitia est“ (Aelred von Rieval)
Trinitarisches Denken als Tiefengrammatik lebendiger Freundschaft
Von Joachim Negel
PROJEKT
Kaleidoskop der Freundschaft
Persönliche Gedankensplitter Von E. E., Hadwig Müller, Gregor von Papp, Anna Findl-Ludescher, Florentine Fritzen und Gerrit Spallek
INTERVIEW
Freundschaftsikone von Taizé
Ein Gespräch mit Frère Alois Loiser
PRAXIS
„Nur der Tod soll uns trennen“ (Rut 1,17)
Biblische Impressionen zum Thema Freundschaft
Von Sabine Bieberstein
Selbstfreundschaft
Wie das Leben leichter wird
Von Wilhelm Schmid
Freundschaft mit den Armen
Die Gemeinschaft Sant’Egidio
Von Ursula Kalb
Freundschaft in der Pastoral
Ein kritischer Blick
Von Monika Rudolph und Andreas Hölscher
FORUM
Literarische Stimmen zum verborgenen Klang der Welt
Von Stephan Schmid-Keiser
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
Kirche im Dienst an der Freundschaft
Von Daniel Born
POPKULTURBEUTEL
Das Leben ist ein Rätsel
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Re: Lecture
Von Gotthard Fuchs
Buchbesprechungen
Impressum
Christian Bauer Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Menschen feiern die Freundschaft. Freundschaften sind symmetrische Beziehungen, die auf gegenseitiger Sympathie beruhen. Sie bereichern das Leben und tragen durch schwierige Zeiten. Auch jene Freundschaften, die ich gerne als Espresso-Freundschaft bezeichne – lange nicht gesehen, kurzer aber dichter Kontakt und es ist, als ob keine Zeit vergangen wäre: „Ein Freund ist ein Mensch, der dich an die Melodie deines Lebens erinnert, wenn Du in der Gefahr bist, sie zu vergessen“ (Rolf Zerfaß).
Theodor W. Adorno zufolge ist Freundschaft, wenn „du dich schwach zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren“. Und für Georges Bataille wird sie überhaupt erst durch einen „Fehler in der Rüstung“ möglich: „Sie erfordert eine Koinzidenz von zwei Rissen, in mir selbst und im anderen.“ Aristoteles geht sogar noch weiter und definiert Freundschaft gleich als „eine Seele in zwei Körpern.“
Aber vielleicht ist es auch nur so, wie Albert Camus schreibt: „Freundschaft ist die Kunst des freien Menschen.“ In dieselbe Richtung weist Dietrich Bonhoeffer, wenn er sie eine „schöne Kornblume“ im Weizenfeld des Zweckrationalen nennt: „Schutzlos wächst sie in Freiheit und heiterer Zuversicht, dass man das Leben unter dem weiten Himmel ihr gönne. Neben dem Nötigen will auch das Freie leben.“
Und was ist mit Theologie und Kirche? Gleich zwei ihrer Heiligen Schriften sind an ‚Theophilus‘ adressiert – an einen unbekannten Gottesfreund. Und sie handeln von Gott als einem freilassenden und mitgehenden Menschenfreund. Ziemlich aktuell in einer Zeit, in der für viele Freundinnen und Freunde die neue Familie sind. Kirche als jesusbewegte ‚Wahlverwandtschaft‘ wäre dann eher freigewählter Freundeskreis denn schicksalhafte Pfarrfamilie: „Netzwerk statt Fachwerk“ (Martin Hecht).
Vielleicht gilt für sie dann ja auch das Lied Gute Nacht, Freunde, in dem Reinhard Mey bei einer letzten Zigarette dankt: für den freien Platz am Tisch seiner Freundinnen und Freunde, für die Geduld bei verschiedenen Meinungen, für die im Kommen und im Gehen jederzeit offene Tür, für die Freiheit, die als Dauergast bei ihnen wohnt – und dafür, dass sie bei alldem nie nach ihrem eigenen Nutzen fragen. Genau deswegen scheint in ihren Häusern auch das Licht wärmer zu leuchten als anderswo.
Das wär doch was, auch in der Pastoral – meint Ihr
Prof. Dr. Christian Bauer
Freundinnenschaft
Eine gute Freundin zu haben ist für viele Frauen und Mädchen von großer Bedeutung. Und doch gibt es für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen in unserer Sprache keinen eigenen Begriff, weshalb hier der Begriff „Freundinnenschaft“ gewählt wurde. Auch in der biblischen Tradition und in unserer Kultur hat sie keinen expliziten Ort. Ausgehend von der Erfahrung von Frauen beschreibt der Beitrag Phänomene der Freundinnenschaft und zeigt einige kulturelle, politische und theologische Implikationen auf. Stephanie Klein
Wenn von Freundschaft die Rede ist, wird oft an eine Beziehung zwischen Männern gedacht, oft speziell auch an Kameradschaft, Kumpelschaft, Genossenschaft, Brüderlichkeit oder an den Männerbund. Bereits seit der Antike haben die Reflexionen über Freundschaft primär die Beziehung zwischen Männern vor Augen, die zum Prototyp von Freundschaft überhaupt wurde. Eine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau hat oft eine sexuelle Konnotation, zumindest besteht diesbezüglich Klärungsbedarf. Für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen gibt es keinen eigenen Begriff. Und doch hat sie eine große Bedeutung für viele Frauen und ist in ihre Biographien eingeschrieben. Erst in jüngerer Zeit gibt es Theorieansätze zur Bedeutung der Freundinnenschaft (vgl. zur neueren Diskussion zu Freundschaft und Theologie Walser ; Hofheinz).
DIE BESTE FREUNDIN
Die Erfahrung von Freundinnenschaft unter Frauen kommt am ehesten in der Rede von der „besten Freundin“ zum Ausdruck. Der Begriff ist nicht in Lexika zu finden, doch im Alltag von Frauen ist die Erfahrung einer besten Freundin allgegenwärtig. Die Sehnsucht nach ihr ist so groß, dass es bereits Internetplattformen für die Suche nach einer besten Freundin gibt.
Für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen gibt es keinen eigenen Begriff.
Was ist eine beste Freundin? Es geht um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Frauen, doch die Erfahrungsweisen und Gestalten dieser Beziehung sind so vielfältig wie das Leben von Frauen selbst. Deshalb möchte ich zunächst kurz eine eigene Erfahrung erzählen, bevor ich auf Theorien und die politische und religiöse Bedeutung der Freundinnenschaft eingehen werde.
Stephanie Barbara Maria Klein
Dr. theol. habil., Dipl. Päd., Prof.in für Pastoraltheologie an der Universität Luzern, Co-Leiterin des Universitären Forschungsschwerpunkts „Wandel der Familie im Kontext von Migration und Globalisierung“; Publikationen zu Biographieforschung, qualitativ-empirischer Methodik, Familien- und Geschlechterforschung, Alltagsreligiosität.
Nach der Grundschule kam ich auf ein ehemaliges Knabengymnasium, in dem es nur wenige Mädchen gab. Es muss an einem der ersten Tage in der neuen Klasse gewesen sein, dass Uli auf mich zukam und mich ansprach.
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