2.3.2Selbstverwaltung und freiwillige Aufgaben
Sofern eine Kommune leistungsfähig ist, kann sie zusätzliche Aufgaben freiwillig erfüllen. Einige Beispiele, wie Schwimmbäder, Eislaufplätze, Altenheime, Büchereien sind in Art. 57 Abs. 1 GO (Art. 51 Abs. 1 LKrO, Art. 48 Abs. 1 BezO) genannt. Ob und welche freiwilligen Aufgabendie Kommune übernimmt und welchen finanziellen Aufwand sie dafür betreibt, steht im Ermessen der Kommune. Hier eröffnet sich das eigentliche Spielfeld der „Politik“ oder besser des Verwaltungshandelns für die Mandatsträger.
Kommunale Pflichtaufgaben
Bei der Abwägung, in welcher Reihenfolge Aufgaben zu erledigen sind, gilt: Pflichtaufgaben, die die Rechtsordnung vorgibt, sind zuerst zu erfüllen. Kann es sich die Kommune dann noch leisten, so liegt es im Ermessen der Entscheidungsträger, welche Aufgaben und mit welchem Kostenaufwand diese freiwillig erfüllt werden.
Kommunale freiwillige Aufgaben
Pflichtaufgaben vor freiwilligen Aufgaben
Im Wahlkampf wurde den Jungwählern die Errichtung einer modernen Kletterwand für 50.000 € versprochen. 14 Tage nach Installation des neuen Gemeinderats stellt sich heraus, dass die Trinkwasserversorgung mit einem Kostenaufwand von 150.000 € saniert werden muss, weil die einzuhaltenden Grenzwerte für das Trinkwasser nicht mehr erfüllt werden können. Der Kämmerer betont, dass mit Rücksicht auf die laufenden Projekte nur entweder die Kletterwand oder die Trinkwassersanierung erfolgen kann.
Lösung: Hier besteht keinerlei Entscheidungsermessen! Die Pflichtaufgabe Trinkwasser muss zwingend mit Vorrang erledigt werden.
2.4Selbstverwaltung – gibt es Grenzen?
Wenn eine Kommune auch die örtlichen Angelegenheiten selbst regeln darf, heißt das freilich nicht, dass der Gemeinderat kraft Mehrheitsentscheidung schalten und walten kann, wie er will.
Die Mandatsträgermüssen sich bei ihren Entscheidungen trotz Selbstverwaltungsrechts (Art. 1 GO; Art. 28 Abs. 2 GG; Art. 11 Abs. 2 BV) im Rahmen der Gesetze bewegen.
Die Grenzen des Selbstverwaltungsrechts werden vor allen Dingen in der kommunalen Bauleitplanung sehr deutlich, wo z. B. Schutzvorschriften, etwa zur Planung und Errichtung eines Lärmschutzwalls zwingen, auch wenn er hässlich ist.
Die Verpflichtung, die Rechtsordnung zu beachten, gilt im Übrigen generell und immer, also auch da, wo die Kommune übertragene Aufgaben wahrnimmt, z. B. im Pass- oder Meldewesen.
Insofern spricht man vom allgemein übergeordneten Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 56 BayGO niedergelegt ist.
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
Art. 56 BayGOGesetzmäßigkeit; Geschäftsgang
(1) Die gemeindliche Verwaltungstätigkeit muss mit der Verfassung und den Gesetzen in Einklang stehen. Sie darf nur von sachlichen Gesichtspunkten geleitet sein.
(2) Die Gemeinden sind verpflichtet, für den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte zu sorgen und die dafür erforderlichen Einrichtungen zu schaffen.
(3) Jeder Gemeindeeinwohner kann sich mit Eingaben und Beschwerden an den Gemeinderat wenden.
2.4.1Selbstverwaltung – welche Handlungsformen gibt es?
Die Zulassung zum Kindergarten, das Erlauben der Badbenutzung, die Gestattung, Trinkwasser zu beziehen, die Abrechnung von Erschließungskosten, das Einheben von Erstattungsgebühren, der Erlass eines Bauleitplans, die Umsetzung eines Angestellten in ein anderes Sachgebiet usw. – all das sind Verwaltungshandlungen die in Ausübung des Kommunalen Selbstverwaltungsrechts geschehen.
Unabhängig davon, ob die Kommune nur nach innen, z. B. auf die Mandatsträger oder nach außen, d. h. besonders in Richtung Bürger einwirken, lassen sich vier folgende Grundhandlungsformen unterscheiden:
a)
Privatrechtliches Handeln,z. B. der Verkauf eines alten Feuerwehrautos
b)
Normsetzendes Handeln,z. B. Erlass einer Gebührensatzung oder Erlass einer Lärmschutzverordnung
c)
Hoheitliches Handelndurch Einzelfallregelung (Verwaltungsakt, Art. 35 BayVwVfG), z. B. Zulassung eines Bewerbers zu einem Jahrmarkt
d)
Hoheitliches Handeln durch öffentlich-rechtlichen Vertrag, z. B. öffentlich-rechtlicher Erschließungsvertrag. (Art. 54 BayVwVfG).
Hinweis: Das kommunale Verwaltungshandeln ist grundsätzlich zweigeteilt. Die Willensbildung und Entscheidung erfolgt i. d. R. durch das kommunale Kollegialorganper Beschluss. Der Vollzug und die Umsetzung dieser Entscheidungen obliegt dem Bürgermeister, Landrat bzw. Bezirkstagspräsident und seinen Mitarbeitern (= der Verwaltung im engeren Sinn). Gesetzmäßigkeit bedeutet, dass sowohl der Akt der Willensbildung als auch der des Vollzugs in Einklang mit der Rechtsordnung stehen müssen.
2.4.2Selbstverwaltung – welchen Rang haben die Handlungsformen in der Normenhierarchie?
Sie haben erfahren, dass das Selbstverwaltungsrecht nur im Rahmen der Gesetze besteht. Sie wissen, dass die öffentliche Verwaltung, deren Teil Sie als kommunaler Mandatsträger sind, an Gesetz und Recht gebunden sind. Was bedeutet das genau?
Der Gemeinderat hat einen Bebauungsplan erlassen. Die dabei verwendete Handlungsform ist die kommunale Satzung(§ 10 Abs. 1 BauGB). Die Beachtung des Gesetzmäßigkeitsprinzips verlangt, dass diese Satzung mit der übrigen, insbesondere der höherrangigen Rechtsordnung in Einklang steht.
Innerhalb der Rechtsordnung gibt es eine Hierarchie! Jeder Rechtsakt muss in Einklang mit höherrangigen Normen stehen.
Das höherrangige Recht ist
das europäische Recht
die Bundesverfassung (GG)
das Bundesgesetz
die Bundesrechtsverordnung
die Bundessatzung,
dann erst
Landesverfassung
Landesgesetz
Landesrechtsverordnung
Landessatzung,
dann erst
kommunale Rechtsverordnung
kommunale Satzung
sonstige kommunale Handlungsformen.
In unserem Beispiel muss die kommunale Satzung also mit der kommunalen Rechtsverordnung, Landesvorschriften und allen Bundesvorschriften bis hin zum Grundgesetz übereinstimmen, um rechtmäßig zu sein. Sie sollten allerdings auch beachten, dass eine hoheitliche Regelung zunächst immer gilt. Ihre Unwirksamkeit muss immer förmlich festgestellt werden.
Das hat zum Teil fatale Konsequenzen. Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht form- und fristgerecht angefochten kann er nur mehr unter sehr engen Grenzen aus der Welt geschafft werden. Die Rechtsordnung akzeptiert sozusagen um der Rechtssicherheit und Verbindlichkeit Willen fehlerhafte Entscheidungen! Vgl. Art. 43 ff. BayVwVfG.
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