Wenn im Folgenden von Kommunen die Rede ist, so betrifft dies zunächst die kreisangehörigen Gemeinden. Für kreisfreie Gemeinden, Landkreise und Bezirke gilt mit Ausnahme bestimmter Sonderregelungen allerdings Ähnliches. Verwendete Personen- oder Städtenamen sind rein willkürlich ohne jeden Bezug gewählt.
2.Selbstverwaltung und die verfassungsmäßige Verankerung im Grundgesetz und in der Bayer. Verfassung
Zunächst bitten wir Sie sich zu vergegenwärtigen, dass Sie als kommunale Mandatsträger Teil der Staatsverwaltung sind. Auch wenn die Kommune zum Teil eigenes Recht setzt ist sie dennoch nicht der Legislativezuzuordnen. Kommunales Handeln und damit Ihr Handeln als Bürgermeister oder Gemeinderat ist wie das Handeln der Mitarbeiter Ihrer Verwaltungen der Exekutivezuzuordnen.
Wenn Sie sich mit ihren neuen Aufgaben und Zuständigkeiten erstmals auseinandersetzen ist es besonders effizient, sich mit Hilfe unserer Verfassungen, also dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung einen ersten Überblick zu verschaffen. Es ist ein Vorzug des Rechtsstaates, dass sich seine Grundlagen in den jeweiligen Verfassungen wiederfinden, die gleichzeitig das höchstrangige Recht des jeweiligen Staates darstellen.
Als Mandatsträger sollten Sie sich unbedingt ein paar wichtige Gesetze besorgen, die Sie immer wieder benötigen. Dazu gehören: Grundgesetz, Bayer. Verfassung, Bayer. Gemeindeordnung, Bayer. Landkreisordnung, Bayer. Bezirksordnung (Abkürzungen: GG, BV, GO, LKrO, BezO). Die Satzungzur Regelung des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts, die Geschäftsordnungder jeweiligen Gebietskörperschaft sowie den Geschäftsverteilungsplan.
Die Satzung betreffend das Gemeindeverfassungsrecht, die Geschäftsordnung und den Geschäftsverteilungsplan erhalten Sie bei Ihrer Gemeinde auf Anfrage. Textausgaben, z. T. sogar Kommentare zu GG, BV, GO erhalten Sie als Mandatsträger kostenfrei bei der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Brienner Str. 40, 80333 München, Internet: www.km.bayern.de/blz/. Daneben hält der Buchhandel umfangreiche Literatur vor.
Immer mehr Kommunen sind dazu übergegangen ihre Satzungen und Verordnungen auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. Im Internet existieren auch viele kostenfreie Portale, die die Gesetzestexte in ihrer aktuellen Fassung zur Verfügung stellen.
2.1Selbstverwaltung – was ist das?
Beispiel:
„Wir wollen aber die Tempo-30-Regelung in unserer Ortsstraße! Das ist unsere Sache und geht das Landratsamt nichts an!“, ruft Gemeinderat Berger erzürnt, als der Bürgermeister ein Schreiben des Landratsamts verliest. Darin wird beanstandet, dass die Gemeinde für die Uferstraße keine Tempo-30-Regelung anordnen darf, weil nach der StVO die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Die Ratsmitglieder sehen durch das Schreiben des Landratsamts „ihr“, d. h. das Selbstverwaltungsrechtder Gemeinde verletzt.
„Das ist unsere eigene Sache, hier entscheiden wir alleine, das betrifft unsere Hoheit oder Autonomie“, sind die Schlagworte.
Nicht alles was nach dem ersten Anschein rein örtlichen Bezug hat ist damit automatisch ureigene und damit selbstverantwortbare Angelegenheit einer Kommune. Eine Grundüberlegung bei der Abgrenzung ob wir uns tatsächlich im Bereich der Selbstverwaltung bewegen ist immer, ob es wirklich um eine rein örtliche Angelegenheit geht oder eher um eine Aufgabe die die Gemeinden für den Staat erledigen.
In unserem Fall geht es um die Umsetzung der bundesrechtlich geregelten Straßenverkehrsordnung. Die Umsetzung dieser Verordnung wird zwar kommunal gemanagt, ist aber auf die Gemeinden gesetzlich übertragen und damit nicht Teil der Selbstverwaltung! Das ist auch gut so. Stellen sie sich vor jede Gemeinde würde eigene Verkehrsregeln erlassen.
Was aber ist dann Selbstverwaltung?
Im Kontext der französischen Revolution finden wir den Begriff „Pouvoir Municipal“. Übersetzt: kommunale Gewalt. Das begründet eine Eigenständigkeit der Gemeinde gegenüber dem Staat. Im deutschsprachigen Raum prägte Freiherr vom Stein das Verständnis der Selbstverwaltung im Sinne einer bürgerschaftlich orientierten, staatsergänzenden Verwaltung. Aber erst die liberale Bewegung Mitte des 19. Jahrhunderts führt zum Selbstverwaltungsverständnis der Neuzeit, das bis heute gilt.
Das Selbstverwaltungsrechtder Kommunen ist demnach das verfassungsrechtlich eingeräumte Recht auf eigenständige, d. h. staatsunabhängige Organisation und Regelung der eigenen Angelegenheiten. Wesentlich und zum Kern der Selbstverwaltung gehören
die Gebietshoheit, verstanden als der räumliche Wirkungsbereich
die Organisationshoheit, verstanden als das Recht, die Organisation der Kommune im Inneren zu regeln, z. B. welche Abteilungen und Sachgebiete gebildet werden, wer in der Kommune wofür zuständig ist
die Satzungshoheit, verstanden als das Recht, durch das zuständige Gremium (in der Regel Gemeinderat etc.) Satzungen als Ortsrecht zu erlassen
die Personalhoheit, verstanden als das Recht, eigenes Personal einzustellen und entsprechend einzusetzen sowie die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen
die Finanz- und Abgabenhoheit, verstanden als das Recht, im Rahmen der Gesetze die Finanzen der Kommune eigenverantwortlich zu regeln und einen Haushalt zu bilden und
Bereiche der Selbstverwaltung
die Planungshoheit: Dies ist das Recht, die wesentlichen Entwicklungsleitlinien der Gemeinde durch verbindliche Planungen festzulegen, insbesondere durch Flächennutzungsplan und Bauleitplan Baurecht zu schaffen oder zu versagen.
2.2Selbstverwaltung – wo steht was?
Auch im Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung finden sich wesentliche Bestimmungen zum Selbstverwaltungsrecht. Ergänzend zu beachten sind natürlich auch Bestimmungen der jeweiligen Kommunalgesetze.
Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände (Anm.: gemeint sind Landkreise und Bezirke) haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
In der Bayerischen Verfassung:
Die Gemeinden haben das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesondere ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen.
(1) Für das Gebiet jedes Kreises und jedes Bezirks besteht ein Gemeindeverband als Selbstverwaltungskörper.
(2) Der eigene Wirkungskreis der Gemeindeverbände wird durch die Gesetzgebung bestimmt.
(3) Den Gemeindeverbänden können durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben. Sie besorgen diese Aufgaben entweder nach den Weisungen der Staatsbehörden oder kraft besonderer Bestimmung selbständig.
(4) Das wirtschaftliche und kulturelle Eigenleben im Bereich der Gemeindeverbände ist vor Verödung zu schützen.
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