aa) Rechtsgrundlage der justiziellen Rechtshilfe
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Rechtsgrundlagen der zwischenstaatlichen Rechtshilfe ergeben sich aus multi- und bilateralen Verträgen sowie ergänzend aus dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe (IRG) und den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt)[55]. Die wichtigsten Zusammenarbeitsverträge sind beispielhaft:
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das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen(EuRhÜbk)[56] vom 20.4.1959 mit Zusatzprotokollen vom 17.3.1978 und vom 8.11.2001. Darin enthalten ist eine Einschränkung für Fiskalstraftatennach Art. 2 EuRhÜbk, für die Rechtshilfe nur geleistet werden muss, wenn dies in Zusatzabkommen zum EuRhÜbk ausdrücklich vorgesehen ist. |
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Das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten (MS) der Europäischen Union (EU-RhÜbk)[57] vom 20.5.2000 erleichtert die Anwendung des EuRhÜbk zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und ersetzt bestimmte Regelungen der Schengener Durchführungs-Übereinkunft (SDÜ). Der Fiskalvorbehalt wurde aufgegeben, gilt aber bis zum Beitritt zum Übereinkommen für Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg und Malta weiter. |
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Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich zudem im Zusatzprotokoll zum EU-RhÜbk vom 16.10.2001 verpflichtet, Auskünfte über Bankkontenim Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen zu erteilen. Ein eventuell nach nationalem Recht bestehendes Bankgeheimnis darf der Rechtshilfe nicht entgegen stehen. |
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Das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)gibt eine Reihe von zwischenstaatlichen Informations- und Hilfepflichten. Allerdings wird Art. 51 SDÜ, der die Bedingungen für Durchsuchungen und Beschlagnahmen regelt, weder durch das EU-RhÜbk noch durch das Zusatzprotokoll vom 16.10.2001 berührt. |
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Daneben sind bestehende bilaterale Verträgezwischen den EU-Mitgliedsstaaten und weiteren Schengen-Staaten (z.B. die Schweiz) anwendbar, Art 1 Abs. 2 EU – RhÜbk bzw. Art 48 Abs. 2 SDÜ. |
Rechtshilfe im vertragslosen Bereich richtet sich ausschließlich nach dem IRG.
bb) Weg der justiziellen Rechtshilfe
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Nach der Zuständigkeitsvereinbarung 2004 zwischen Bund und Ländern über den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten[58] ist grundsätzlich die Bundesregierung für die Bewilligung der Rechtshilfe in Abgabensachen zuständig, die die Zuständigkeit auf das Bundesamt für Justiz delegiert hat.
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Das Rechtshilfeersuchen geht in der Praxis über die Staatsanwaltschaft zum nationalen Ermittlungsrichter. Dessen Entscheidung wird dann mit einem Antrag auf Gewährung von Rechtshilfe durch den nationalen Staatsanwalt über das Bundesamt für Justiz (BfJ) in den ersuchten Staat geleitet und nach Bewilligung der Rechtshilfe von den dortigen Behörden vollzogen. Regelmäßig wird dabei um die Erlaubnis der Anwesenheit von inländischen Beamten nachgesucht, die in den meisten Fällen auch bewilligt wird. Die deutschen Beamten haben allerdings nur ein Anwesenheitsrecht, aber keinerlei Befugnisse im ersuchten Staat.
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In gleicher Weise ersucht der deutsche Staatsanwalt um Beschlagnahme und Herausgabe der bei der ausländischen Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel. Der Adressat der Zwangsmaßnahme hat die nach seinem nationalen Recht gegebenen Rechtsmittel gegen die Rechtshilfemaßnahmen.
cc) Umfang der justiziellen Rechtshilfe
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Der Umfang des zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrsbestimmt sich nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen (§ 1 Abs. 3 IRG) oder nach §§ 59 ff. IRG, insbesondere ist möglich:[59]
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Durchsuchung von Personen und Räumen, |
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Beschlagnahme und Herausgabe von Beweismitteln, |
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Vernehmung von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen, |
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Einnahme richterlichen Augenscheins oder |
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Zustellung von Verfahrensurkunden. |
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Der Umfang der beschlagnahmefähigen Unterlagenrichtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates und ist grundsätzlich nicht wesentlich unterschiedlich zu dem, was in Deutschland als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt werden kann (s.o. Rn. 101).
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Weitere Besonderheiten:
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Die Anwesenheit deutscher Beamte im Auslandist mit Genehmigung des ausländischen Staates zulässig, die jeweils im Einzelfall beantragt werden muss. Amtshandlungen dürfen im Ausland keine vorgenommen werden. |
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Umgekehrt können auch ausländische Beamte im Inlandkeine Amtshandlungen vornehmen, aber mit Genehmigung der Bewilligungsbehörde anwesend sein. Die erforderlichen Amtshandlungen müssen von deutschen Beamten vorgenommen werden.[60] |
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Die Bildung gemeinsamer strafrechtlicher Ermittlungsgruppenregelt Art. 13 EU–RhÜbk: danach können ausländische Mitglieder der Ermittlungsgruppe mit der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen im Inland beauftragt werden. |
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Im Verhältnis zu einzelnen Vertragsstaaten gibt es viele weitere Besonderheiten, deren Darstellung den hier gegebenen Rahmen sprengen würden. Einzelheiten finden sich im Rechtshilfe-Merkblattes vom 16.11.2006 zu Luxemburg (Tz. 6.1.), Liechtenstein (Tz. 6.2.), Österreich (Tz. 6.3.), der Schweiz (Tz. 6.4.), Kanada (Tz. 6.5.) und den USA (Tz. 6.6.). |
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Das Steuergeheimnisgilt auch gegenüber ausländischen Behörden. Es steht jedoch dem Rechtshilfeverkehr nicht entgegen, soweit die mit einem deutschen Rechtshilfeersuchenverbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse zur Durchführung eines Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens zulässig und erforderlich ist, § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO[61] oder die mit der Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchensverbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse durch völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch §§ 117, 117a AO i.V.m. § 59 Abs. 3 IRG ausdrücklich zugelassen ist, § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. |
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Rechtsschutzgegen Maßnahmen im Rechtshilfeverkehr fällt in die Zuständigkeit der Strafgerichte, § 33 Abs. 3 FGO. Der Beschuldigte ist allerdings nicht vorher von der steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbehörde über die beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten.[62]
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Gegen Maßnahmen aufgrund eingehender Ersuchenstehen die allgemeinen Rechtsbehelfe nach der StPO zur Verfügung. Im Falle von Herausgabe–Verlangen von Gegenständen an den ersuchenden Staat gilt § 61 i.V.m. § 66 IRG.
g) Polizeiliche Rechtshilfe nach der Schwedischen Initiative
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Die sog. Schwedische Initiative geht auf einen Vorschlag des Königreichs Schweden zurück, in dem in einem zusammenwachsenden Europa, das die Kontrollen an den Binnengrenzen weitestgehend abgeschafft hatte, die polizeiliche Zusammenarbeit und der Informationsaustausch über Staatengrenzen hinweg von förmlichen Verfahren, Verwaltungsstrukturen und rechtlichen Hindernissen entlastet werden sollten.
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Rechtsgrundlageist der Rahmenbeschluss 2006/960/JI des EU-Rates vom 18.12.2006[63] (abgekürzt in Deutschland als RbDatA), der 30.12.2006 in Kraft getreten ist (Art. 13). Das deutsche Umsetzungsgesetz trat erst am 26.7.2012 in Kraft,[64] schuf die neuen §§ 117a und 117b AO und änderte umfangreich die entsprechenden Passagen des IRG.[65] Je nach Art des Auskunftsaustausches sind die Rechtsgrundlagen der AO oder dem IRG zu entnehmen:
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