Das Anwesenheitsrecht des Prüferskann die Erledigung von Amtshilfeersuchen wesentlich effizienter machen, denn als mit dem Sachverhalt bestens vertraute Person kann er/sie das Ersuchen erläutern, die Ermittlungsergebnisse entgegen nehmen und etwaige Hinweise für weitere Ermittlungen geben,[38] die jedoch ggf. erst noch förmlich beantragt werden müssen. Zu beachten ist jedoch, dass der ausländische Beamte keine eigenen Amtshandlungen vornehmen darf.
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Ein Hindernis für eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit dürfte sein, dass das deutsche Finanzamt dem ausländischen Beamten Auskünfte nur geben darf, wenn das Bundeszentralamt für Steuern den Auskünften zugestimmt hat.[39] Es müsste daher ein Vertreter des BZSt dabei sein, wenn ein ausländischer Beamter im Rahmen des Amtshilfeverkehrs in Deutschland ist oder das BZSt muss seinen Genehmigungsvorbehalt auf die entsprechende Landesfinanzbehörde delegieren. In der Praxis werden Prüfer untereinander vermutlich wesentlich offener miteinander umgehen als es sich das BZSt wünscht.
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Hinweis:
Eine Prüfung darf in Deutschland nicht nur ausschließlich wegen eines eingegangen Amtshilfeersuchens durchgeführt werden, sondern ist nur zulässig, wenn im Inland die Voraussetzungen der §§ 193, 194 AO für die Durchführung einer Außenprüfung erfüllt sind und ohnehin eine Außenprüfung aus anderen Gründen durchgeführt werden muss.[40]
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Gleichzeitige Prüfungenin mehreren Staaten können als Alternative zum Anwesenheitsrecht ausländischer Beamter bei einer nur inländischen Prüfung stattfinden. Solche Prüfungen werden künftig zunehmen (wenn auch auf niedrigem Niveau). Finanzbehörden aus verschiedenen Staaten können einander eine gleichzeitige Prüfung vorschlagen, um
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Doppelbesteuerungen bzw. -belastungen zu verhindern, besonders durch übereinstimmende Abgrenzung der Gewinne verbundener Unternehmen oder um |
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grenzüberschreitende Sachverhalte durch Informationsaustausch aufzuklären.[41] |
Beispiel:
Der Unternehmer hat Betriebsstätten in verschiedenen EU–Mitgliedsstaaten und verbringt ständig Wirtschaftsgüter von der einen in die andere Betriebsstätte, zwischen denen umfangreiche Verrechnungen stattfinden.
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Der Weg zur gemeinsamen Prüfung ist aber mühsam, weil die zuständige Finanzbehörde nur ein Vorschlagsrecht gegenüber dem BZSt hat, vorher der inländische Steuerpflichtige anzuhören ist und dann durch das BZSt eine entsprechende Vereinbarung mit der ausländischen Finanzbehörde getroffen werden muss.
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Die Möglichkeit einer Spontanauskunftist gegeben, wenn …
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Gründe für die Vermutung bestehen, dass im anderen Mitgliedstaat der objektive Tatbestand einer Steuerverkürzung erfüllt ist oder erfüllt wird; |
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zum Zwecke der Steuerumgehung Geschäftsbeziehungen über dritte Staaten geleitet worden sind; |
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insgesamt eine niedrigere Steuerbelastung dadurch eintreten kann, dass Gewinne zwischen nahe stehenden Personen nicht wie bei einem Fremdvergleich üblich abgegrenzt werden; |
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ein Sachverhalt, aufgrund dessen eine Steuerermäßigung oder eine Steuerbefreiung gewährt worden ist, für den Steuerpflichtigen zu einer Besteuerung oder Steuererhöhung im anderen Staat führen könnte; |
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ein im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung eines anderen Staates ermittelter Sachverhalt für die zutreffende Festsetzung der Steuern in diesem Staat erheblich ist. |
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Das Instrument der Spontanauskunft ist nicht sehr verbreitet und fristet eher ein Schattendasein. Die Fallzahlen liegen meist im niedrigen zweistelligen Bereich.
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Rechtsschutz durch die Finanzgerichtekann gegen die geplante Amtshilfe durch Weitergabe von Informationen ins Ausland in Anspruch genommen werden, indem vor der Datenübermittlung durch das BZSt rechtliches Gehör (§ 91 AO) gegeben wird. Allerdings gibt es verschiedene Ausnahme – Tatbestände, nach denen die Gewährung des rechtlichen Gehör nicht zwingend ist.[42] Der von der Datenweitergabe Betroffene kann Einwendungen erheben, deren Zurückweisung einen Verwaltungsakt darstellt. Dagegen ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) und – bei zurückweisender Einspruchsentscheidung – die Klage vor dem Finanzgericht (§ 40 FGO, auch als vorbeugende Unterlassungsklage) statthaft. Parallel sollte die Weitergabe der Daten bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch die Beantragung einer einstweiligen Anordnung(§ 114 FGO) unterstützt werden, damit nicht vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dieser Rechtsschutzweg steht im Übrigen auch einem ausländischen Beteiligten offen.[43]
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Keinen Rechtsschutzgibt es de facto gegen ausgehende Amtshilfeersuchen, in denen die deutsche Finanzverwaltung um Informationen aus dem Ausland nachsucht. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Steuerpflichtiger über die Ermittlungen des Finanzamtes zu informieren ist.[44] Er ist allenfalls im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens auf die Möglichkeit eines Amtshilfeersuchens hinzuweisen. Ebenso genügt bei Außenprüfungen, die sich auf Auslandsbeziehungen erstrecken, der Hinweis, dass sich die Finanzbehörden die Nachprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen und die weitere Aufklärung des Sachverhalts über den Weg der zwischenstaatlichen Amtshilfe vorbehalten.
Hinweis:
Nach der Verwaltungsanweisung im Amtshilfe–Merkblatt ist die Mitteilung von Einzelheiten eines beabsichtigten Amtshilfeersuchens aber geboten, wenn die Gefahr besteht, dass dem Steuerpflichtigen ein mit dem Zweck der Amtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden droht.
Allerdings: „Eine zutreffende Besteuerung des Steuerpflichtigen oder seiner Geschäftspartner im Ausland ist für sich allein nicht als Schaden in diesem Sinne anzusehen.“[45]
c) Amtshilfe nach DBA, insbesondere Gruppenanfragen
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Doppelbesteuerungsabkommen sind klassische bilaterale Abkommen zwischen zwei Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn Steuerpflichtige in beiden Vertragsstaaten die Merkmale der jeweiligen Besteuerungs-Tatbestände erfüllen. Zum Vollzug eines Doppelbesteuerungsabkommens ist ein Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten notwendig, der sich entweder nur auf die im DBA geregelten Steuern und Tatbestände beschränkt (kleine Auskunftsklausel) oder aber Auskünfte auch über die im DBA geregelten Steuern hinaus vorsieht (große Auskunftsklausel). Die Reichweite der möglichen Auskünfte wird in dem von der OECD herausgegebenen Kommentar zum OECD-Musterabkommen erläutert.[46]
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Inhaltlichreichen die Auskunftsmöglichkeiten (je nach Art der Auskunftsklausel) von Informationen über die Erzielung von Einkünften (z.B. Konten, Grundstücke, Betriebsstätten etc.) und Tatsachen zur Anknüpfung von Besteuerungspflichten (z.B. Wohnorte und Aufenthalte) bis hin zur konkreten Ausgestaltung der Besteuerung im anderen Vertragsstaat (z.B. dort gezahlte Steuer, gewährte Steuerausnahmen oder auch angesetzte Verrechnungspreise).
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Der Weg der Informationengeht von der die Auskunft begehrenden Stelle der Landesfinanzverwaltung über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn an die jeweilige Partnereinrichtung im anderen Vertragsstaat, die national die Information beschafft und über den gleichen Weg zurück leitet an die Landesfinanzbehörde.
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Während bisher der Informationsaustausch nach DBA auf den Einzelfall beschränkt war, ist durch eine Änderung des Kommentars zu Art. 27 des OECD-Musterabkommens am 17.7.2012 auch ein Auskunftsersuchen zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen möglich geworden, die durch eines oder mehrere gemeinsame steuerlich relevante Merkmale definiert ist.
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