63
Einen speziellen Rechtsbehelfzur Geltendmachung eines Befangenheits- oder Ausschlussgrundes in der Person eines Richters sehen weder die EMRK noch die Rules of Court vor. Der Bf. bzw. der Verteidiger sollte bei berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Richters ein schriftliches Ablehnungsgesuchan den Präsidenten der Kammer bzw. der Sektion richten und dieses entsprechend begründen.
64
Die Kanzlei („ La plume de la Cour “)[66] unterstützt die Arbeit des Gerichtshofs. Sie führt die Korrespondenzmit den Beschwerdeführern, nach der Zustellung auch mit den Regierungen der betroffenen Staaten, und legt Aktenüber die Beschwerden an ( Rule 17 Abs. 2), die grundsätzlich öffentlich sind ( Rule 33). Die Mitarbeiter der Kanzlei sorgen auch für die Vervollständigung dieser Akten. Den Juristen der Kanzlei obliegt außerdem die erste Einschätzung der Erfolgsaussichtender Beschwerde.[67]
65
Sind die Akten vollständig, weist der bearbeitende Jurist die Beschwerde vorläufig einem Entscheidungsorganzu. Außerdem bereitet die Kanzlei auf Anweisung des (richterlichen) Berichterstatters[68] (siehe Rn. 300) auch Entscheidungs- und Urteilsentwürfeunter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor.[69] Zu den Aufgaben der Kanzlei gehört ferner die Öffentlichkeitsarbeit. Sie sorgt für die Zugänglichkeit der Rechtsprechungund verbreitet auch aktuelle Informationenund Statistiken zur Tätigkeit des Gerichtshofs.[70]
[1]
Der Text der EMRK nebst Ratifikationsstand und die Verfahrensordnung des EGMR sind über die Homepage des Gerichtshofs ( www.echr.coe.int) erhältlich.
[2]
Die Konvention ist von 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert worden und am 1.2.1989 (für Deutschland: 1.6.1990) in Kraft getreten (BGBl. II 1989, 946). Die beiden (Änderungs-)Protokolle vom 4.11.1993 (CETS 151, 152) hat Deutschland ebenfalls gezeichnet und ratifiziert. Zur Arbeit des CPT: Lettau ZfStrVo 2002, 195 ff.; Puhl NJW 1990, 3057 ff.; Alleweldt EuGRZ 1998, 245 ff.; ausführlich: Cernko Die Umsetzung der CPT-Empfehlungen im deutschen Strafvollzug, S. 12 ff.; Kicker The European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (the CPT), in: de Beco (Hrsg.), Human Rights Monitoring Mechanisms of the Council of Europe, S. 43 ff.
[3]
Siehe etwa: EGMR Burga Ortiz v. Deutschland, Entsch. v. 16.10.2006, Nr. 1101/04 (Auslieferung), Dougoz v. Griechenland, Urt. v. 6.3.2001, Nr. 40907/98 sowie Modarca v. Republik Moldau, Urt. v. 13.11.2012, Nr. 37829/08 (Haftbedingungen); Tekin Yildiz v. Türkei, Urt. v. 10.11.2005, Nr. 22913/04 (Hungerstreik).
[4]
Auf Art. 24 Abs. 3 GG kam es dabei nicht an, vgl. Schweitzer/Dederer Rn. 1170.
[5]
BVerfG NJW 2009, 1133, 1134; hierzu siehe auch Schweitzer/Dederer Rn. 826, 835.
[6]
BGBl. II 1952, 686, 953; 1954, 14.
[7]
Zur Geltung der lex-posterior -Regel im Verhältnis zur EMRK: Kühne StV 2001, 73, 74 f.; Weigend StV 2000, 384, 387.
[8]
Hierzu siehe auch Zehetgruber ZIS 2016, 52 f.
[9]
BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3407 (Görgülü) = JZ 2004, 1171 mit Anm. Klein ; siehe zu diesem Beschluss auch: Cremer EuGRZ 2004, 683; Esser StV 2005, 348 ff.; Gaede HRRS 2004, 387; Kühne GA 2005, 195 ff.; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15; LR/ Esser EMRK Teil II, 251 ff.; zur Anklage der Richter am OLG Naumburg wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB): OLG Naumburg NJW 2008, 3585; Lamprecht NJW 2007, 2744.
[10]
Vgl. Esser StV 2005, 348, 352 ff.; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15, 18 f.
[11]
Abgesichert wird diese Pflicht dadurch, dass die Nichtberücksichtigung als Verletzung des jeweils betroffenen (parallelen) Grundrechts i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vor dem BVerfG gerügt werden kann (dazu Rn. 14).
[12]
BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 321, 323 f. = NJW 2004, 3407 (Görgülü); BVerfG NJW 2009, 1133, 1134; NJW 2015, 1083, 1085; BGH NJW 2001, 309, 311. Eine ähnliche Berücksichtigungspflicht gilt im Bereich des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) v. 24.4.1963 und der diesbezüglichen Rechtsprechung des IGH, vgl. BVerfG NJW 2014, 532 f.
[13]
Vgl. BVerfGE 111, 307, 317; 128, 326, 371; BVerfG NJW 2008, 2978, 2981; NVwZ 2016, 1079 = EuGRZ 2016, 311, 313 f.
[14]
Vgl. auch BVerfGE 112, 1, 25 f.; Schweitzer/Dederer Rn. 829, 1174.
[15]
Vgl. BVerfGE 111, 307, 327; 128, 326, 370 f.; BVerfG NJW 2015, 1083, 1085; EuGRZ 2016, 311, 314.
[16]
EGMR Glien v. Deutschland, Urt. v. 28.11.2013, Nr. 7345/12, § 124; Bergmann v. Deutschland, Urt. v. 7.1.2016, Nr. 23279/14, § 163.
[17]
Vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 82, 106, 115; 83, 119, 128; NJW 2001, 2245, 2246; BGHSt 45, 321, 329; 46, 93 = NJW 2000, 3505, 3507.
[18]
BVerfGE 111, 307, 323.
[19]
BVerfGE 111, 307, 329.
[20]
Hierzu vgl. Burhoff/Kotz/ Geipel Teil B, Rn. 1 ff.; speziell zur Anhörungsrüge im Revisionsverfahren (§ 356a StPO): Burhoff/Kotz/ Junker Teil A, Rn. 2022 ff.
[21]
Vgl. BVerfG Beschl. v. 4.5.2015, 2 BvR 2169/13, 2170/13, krit. hierzu Esser NJW 2016, 604, 607 f.
[22]
Vgl. BVerfGE 128, 326, 366 ff.; 131, 268, 295 f.; 134, 33, 60; BVerfG NJW 2015, 1083, 1085; BVerfG EuGRZ 2016, 311, 313 f.; Schweitzer/Dederer Rn. 1172.
[23]
So Schweitzer/Dederer Rn. 1172; zu den Grenzen dieses faktischen Vorrangs siehe Rn. 10.
[24]
Zur Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes vgl. Schweitzer/Dederer Rn. 241 ff.
[25]
Vgl. BVerfGE 111, 307, 317 = NJW 2004, 3407 m.w.N.
[26]
BVerfG NJW 2009, 1133, 1134; NJW 2005, 1567; BVerfGE 10, 271, 274; 34, 384, 395; 41, 126, 149; 64, 135, 157; Limbach EuGRZ 2000, 417, 418.
[27]
Für Bayern: BayVerfGH 57, 144, 150; hierzu: Lindner BayVBl. 2009, 65, 72 f.
[28]
Ebenso Meyer-Ladewig/Brunozzi Art. 46, Rn. 35.
[29]
Durch das am 1.11.1998 in Kraft getretene 11. Protokoll zur EMRK (BGBl. II 1995, 578; II 1998, 2582; BR-Drucks. 42/95; Erläuternder Bericht, EuGRZ 1994, 328 ff.; BT-Drucks. 13/858; Schlette ZäöRV 56,2 (1996) 905 ff.; ders . JZ 1999, 219 ff.; Meyer-Ladewig NJW 1995, 2813 ff.; ders . NJW 1998, 512 f.; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 1999, 1165 f.) wurde die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR)abgeschafft und der früher nur bei Bedarf tagende Gerichtshof durch einen ständigen Gerichtshof ersetzt (Art. 19 Satz 2 EMRK). An die Stelle des ursprünglich zweistufigen Verfahrens, das eine Beschwerdemöglichkeit allein zur EKMR vorsah, ist die direkte Anrufungdes EGMR im Wege der Individualbeschwerdegetreten (Art. 34 EMRK). Eine Vorprüfung der Beschwerde findet nicht mehr statt.
[30]
Das Europäische Übereinkommen vom 5.3.1996 über die am Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen(CETS 161; BGBl. II 2001, 358) hat praktisch nur eine geringe Bedeutung. Es regelt die Verpflichtung der Vertragsstaaten, den Einzelnen bei der Einlegung und Verfolgung einer Beschwerde vor dem EGMR nicht zu behindern und räumt den am Verfahren vor dem EGMR Beteiligten Befugnisse und Erleichterungen ein, die für die Ausübung ihrer Rechte bzw. für die Wahrnehmung ihrer Funktionen, Aufgaben und Pflichten vor dem EGMR notwendig sind.
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