[1]
Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 230.
[2]
EuGH NJW 1996, 579 ff. – Gebhard; vgl. auch Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 271.
[3]
EuGH NJW 1984, 2022; Rengeling/Middeke/Gellermann /Dannecker/ Müller § 39 Rn. 33.
[4]
EuGH NJW 1996, 579, 581, Rn. 39 f. – Gebhard.
2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts› V. Begrenzung nationalen Strafrechts durch europäische Freiheitsrechte und Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH› 5. Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV)
5. Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV)
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Ähnlich hat der EuGH in der Sache Arblade / Leloup [1] entschieden: Werden Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat entsandt, so stelle die Anforderung, auch in diesem Zielstaat die Dokumentationspflichten zu erfüllen, eine unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit[2] nach Art. 56 ff. AEUV dar, soweit im Ausgangsstaat vergleichbare Dokumentationspflichten bereits erfüllt werden. Eine Strafbarkeit dürfe auf die Verletzung solcher Dokumentationspflichten nicht gestützt werden.
[1]
EuGH EuZW 2000, 88 – Arblade/Leloup.
[2]
Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 233 ff.
2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts› V. Begrenzung nationalen Strafrechts durch europäische Freiheitsrechte und Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH› 6. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV)
6. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV)
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Ebenfalls auf die Dienstleistungsfreiheit und zusätzlich auf die Kapitalverkehrsfreiheit[1] (Art. 63 ff. AEUV) hat der EuGH in der Entscheidung Luisi/Carbone das Recht eines Unionsbürgers gestützt, wirtschaftliche Dienstleistungen in der gesamten Union frei in Anspruch zu nehmen.[2] Der Gerichtshof hatte einer italienischen Staatsbürgerin das Recht zuerkannt, auch unter Verletzung italienischer Ausfuhrbestimmungen einen ausreichenden Bargeldbetrag mit sich zu führen, um sich in Deutschland medizinisch behandeln zu lassen. Die Verhängung einer Geldbuße wegen eines Devisenvergehens verletze in einem solchen Fall die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Mitgliedstaaten seien zwar zur Kontrolle von Devisen berechtigt; diese dürfe aber nicht zur willkürlichen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führen.
51
Aus dieser Entscheidung folgt etwa für Bankdienstleistungen, dass Bankkunden und Kreditinstitute sich im Rahmen von Bankgeschäften, die Transfers innerhalb der Europäischen Union beinhalten, auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können. Aus solchen Bankgeschäften dürfen grundsätzlich keine negativen steuerlichen Schlüsse gezogen werden und sie dürfen nicht unverhältnismäßig erschwert werden.[3]
[1]
Hierzu Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 236 f.
[2]
EuGH NJW 1984, 1288 – Luisi/Carbone.
[3]
Vgl. hierzu auch Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 256 ff.
2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts› V. Begrenzung nationalen Strafrechts durch europäische Freiheitsrechte und Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH› 7. Freizügigkeit (Art. 21 AEUV)
7. Freizügigkeit (Art. 21 AEUV)
52
Ebenfalls im strafrechtlichen Kontext in der Entscheidung Calfa hat der EuGH[1] entschieden, dass die Verhängung eines Einreiseverbotsgegenüber Unionsangehörigen das Recht auf Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV verletzen kann.[2] Ein solches Verbot sei nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig und dürfe nur zum Schutz zwingender Interessen der inneren Sicherheitverhängt werden. Eine Sanktion wegen der Verletzung eines unverhältnismäßigen Einreiseverbots sei unzulässig, eine entsprechende Sanktionsvorschrift müsse zur Wahrung der Freizügigkeit außer Anwendung bleiben.
[1]
EuGH EuZW 1999, 345.
[2]
Vgl. Wabnitz/Janovsky/ Dannecker / Bülte Kap. 2 Rn. 237.
2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts› V. Begrenzung nationalen Strafrechts durch europäische Freiheitsrechte und Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH› 8. Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten auf wirtschaftliche Betätigung
8. Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten auf wirtschaftliche Betätigung
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In der Entscheidung Unborn Child [1] hat der EuGH allerdings deutlich gemacht, dass die Berufung auf die Verkehrsfreiheiten und Freiheitsrechte, die dem Schutz und dem Ausbau des europäischen Binnenmarkt dienen, unter der Bedingung wirtschaftlicher Betätigungstehe. Daher könne sich niemand außerhalb wirtschaftlicher Tätigkeit auf die Dienstleistungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit etc. berufen.
[1]
EuGH NJW 1993, 776, 777 Rn. 22 ff. –Unborn Children.
2. Kapitel Europäisierung des Strafrechts› V. Begrenzung nationalen Strafrechts durch europäische Freiheitsrechte und Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH› 9. Europäische Missbrauchsrechtsprechung (Missbrauchsverbot)
9. Europäische Missbrauchsrechtsprechung (Missbrauchsverbot)
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Eine weitere – grundsätzlich völlig selbstverständliche – Beschränkung finden die Freiheitsrechte im allgemeinen Missbrauchsverbot.[1] In den Entscheidungen Halifax [2] und Emsland [3] hat der EuGH dies im Kontext des Mehrwertsteuerrechts exemplifiziert: Jeder Unionsbürger habe das Recht, sein Handeln steuerlichoder auch ansonsten rechtlich günstig einzurichten. Das schließe auch das Recht ein, seinen Geschäftsbetrieb in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern, um dort Steuervorteile wahrzunehmen, die man im Ausgangsstaat nicht erhalten würde. Genauso dürfe der Unternehmer seine Produktion in einen anderen Mitgliedstaat verlagern, um dort Waren herzustellen und diese dann in den Ausgangsstaat importieren, wenn er die eingeführten Waren im Ausgangsstaat nicht hätte herstellen dürfen. Das Unionsrechts decke aber keine Handlungen, die keine wirtschaftliche Begründung haben, sondern nur zum Schein getätigt werden, um Vorteile aus dem Unionsrechts zu erlangen. Niemand dürfe sich missbräuchlich auf das Unionsrechts berufen.[4]
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Bei missbräuchlichen Umsätzenbesteht nach der Judikatur des EuGH kein Recht auf einen Vorsteuerabzug. Missbräuchlich seien Umsätze, hinsichtlich derer die Gewährung des Vorsteuerabzugs den ausdrücklichen Zielen der Mehrwertsteuerrichtlinien zuwiderliefe. Dies sei dann der Fall, wenn die fraglichen Umsätze zwar formal die Bedingung der einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts zur Umsetzung des Mehrwertsteuerrechts der Union erfüllen, die Gewährung des steuerlichen Vorteils jedoch dem Sinn und Zweck des Unionsrechtszuwiderlaufe.[5] Ein Missbrauch dürfe angenommen werden, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkteersichtlich sei, dass im Wesentlichen oder sogar ausschließlich der Steuervorteil und nicht die wirtschaftlichen Vorteile des Geschäfts selbst gewollt sind. Die Gestaltung müsse sich also als wirtschaftlich weitgehend sinnlose Umgehungsgestaltung darstellen.[6]
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In der Collée -Entscheidung[7] hat der Europäische Gerichtshof jedoch deutlich gemacht, dass nicht jede wirtschaftlich unsinnig erscheinende Gestaltungzwangsläufig einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauchbedeutet. Ungewöhnliche Gestaltungen können durchaus durch ungewöhnliche wirtschaftliche Situationen oder einfach persönliche Gründe bedingt sein. Letztlich sei damit die Frage des Missbrauchs im konkreten Einzelfall zu beurteilen.[8]
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