
Abb. 7. Lebenslanger Durchschnittsverzehr an Tieren in Deutschland pro Person 5
Alleine in Deutschland werden pro Tag (!) mehr als 2 Millionen Landtiere für den Verzehr geschlachtet (Fische nicht einberechnet). 6Weltweit sind es täglich über 200 Millionen. 7Würde man Menschen in dieser Geschwindigkeit töten, wäre die Menschheit in etwa 40 Tagen vom Planeten verschwunden. Abbildung 8illustriert, wie jung die allermeisten Nutztiere sterben müssen und wie lange ihre eigentliche Lebenserwartung wäre. Männliche Küken von Legehennen werden bereits am Tag ihrer Geburt getötet, weil sie einerseits für die Eierindustrie nicht zu gebrauchen sind und andererseits einer Zuchtrasse entspringen, die zu langsam Fleisch ansetzt, sodass ihre Aufzucht aus Sicht der Betriebe unökonomisch wäre. Aber auch Masthähnchen (männliche wie weibliche) werden nur wenige Wochen alt, obwohl ihre natürliche Lebenserwartung mehrere Jahre beträgt. Dasselbe gilt für Kaninchen, Schweine, Rinder und weitere Tiere, deren Fleisch vom Menschen verzehrt wird. Wie nachfolgend in diesem Buch beschrieben wird, ist der schnellere Tod dieser Tiere aber in vielen Fällen sogar noch die bessere Alternative als das Überleben von beispielsweise Milchkühen und Legehennen, deren Leid sich dadurch lediglich in die Länge zieht.
Zwar sprechen auch ökologische, (welt)gesundheitliche und weitere Argumente für eine drastische Reduktion des Konsums von Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln 12, aber eine komplette Abkehr von der Tierausbeutung kann nur ethisch begründet werden, da alle anderen negativen Aspekte der aktuell vorherrschenden Tierhaltung bereits durch Reformen der Haltungsbedingungen bzw. eine Einschränkung der Tierhaltung erreicht werden könnten. Mit anderen Worten: Die desaströsen ökologischen Auswirkungen der weltweiten Tierhaltung sowie die Gefahren von Antibiotikaresistenzen und Zoonosen könnten bereits damit in Schach gehalten werden, dass deutlich weniger Tiere unter anderen Bedingungen gehalten werden. Dadurch würden zwar insgesamt weniger Tiere ausgebeutet, aber für das weiterhin ausgebeutete Individuum machte es keinen Unterschied. Wie der amerikanische Philosoph Tom Regan schrieb, verlangt der Tierrechtsaktivismus nicht größere Käfige, sondern leere Käfige. 13Daher treten vegan lebende Menschen dafür ein, dass nicht weniger Ausbeutung und Grausamkeiten gegenüber Tieren geschehen, sondern dass nichts mehr davon geduldet wird. Das Ziel kann dabei nicht sein, Tierleid komplett zu verhindern; das ist in einer derart komplexen Welt für ein Individuum nicht umsetzbar. Allerdings macht es ethisch gesehen einen bedeutenden Unterschied, ob Leidverursachung und Tötung mit oder ohne Absicht begangen werden und welche Maßnahmen unternommen werden, um Leid für Menschen und andere Tiere auf ein möglichstes Minimum zu reduzieren.

Abb. 8. Lebensdauer in der »Nutztierhaltung« im Vergleich zur Lebenserwartung von Tieren 8,9,10,11
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland in der Eierindustrie etwa 45 Millionen männliche Küken an ihrem ersten Lebenstag vergast, weil sie keine Eier legen und aufgrund ihrer Zuchtlinie zu wenig schnell Gewicht für die Mast zulegen und somit unrentabel sind .
Abb. 9. Hühner mit ausreichend Auslauf – ein seltenes Bild in der Tierhaltung
Zur Vertiefung: Die Dokumentation The Game Changersbeschäftigt sich mit der Frage, wie sich der Wechsel zu einer veganen Ernährung auf die Leistungsfähigkeit von Athlet*innen auswirkt und ob diese trotz oder gerade wegen der veganen Kost zu Höchstleistungen imstande sind. Zu Wort kommen unter anderem Arnold Schwarzenegger, Lewis Hamilton, Patrik Baboumian, Dotsie Bausch und viele weitere. Trotz kleinerer einseitiger pro-veganer Verzerrungen ist dies eine durchweg gute Dokumentation, die auch von Organisationen wie dem American College of Lifestyle Medicine befürwortet wird. Ein ähnliches Konzept verfolgt die vegane Sport-Dokumentation V like Victory aus Deutschland, die kostenlos auf Youtube angesehen werden kann.
GRÜNDE
für die Exklusion von Fleisch
Vieles spricht dafür, dass dem Verzehr von Fleisch eine bedeutende Rolle in der Evolution des Menschen zukam. 14Dennoch überschätzen viele Personen dessen evolutive Relevanz vor allem in Bezug auf die Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten, für die andere Aspekte wie das Kochen von deutlich größerer Bedeutung waren. 15Egal welche Rolle der Fleischverzehr zu früheren Zeiten gespielt haben mag, in der heutigen Zeit mit dem Zugang zu einem solch reichhaltigen veganen Lebensmittelangebot inklusive angereicherter Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel ist hierzulande niemand mehr auf den Fleischverzehr angewiesen. 16Das soll nicht heißen, dass es auf keinem Teil der Welt in keiner Situation jemals eine gerechtfertigte Argumentation für den Fleischverzehr geben kann. Aber in privilegierten westlichen Ländern wie den DACH-Staaten gibt es dafür keine ethische Rechtfertigung. Dort stellt der Konsum tierischer Lebensmittel lediglich ein (kulinarisches) Begehren dar. Diesem liegt keine ernährungsphysiologische Notwendigkeit zugrunde, und gleichzeitig verletzt er schwerwiegende Bedürfnisse von Tieren, wie ihr Interesse an der Vermeidung von Leid, Ausbeutung und der Tötung.
Die Ethik als philosophische Disziplin versucht dabei, sehr vereinfacht gesagt, zu gewährleisten, dass möglichst viele Individuen ein möglichst gutes Leben führen können. Ein ethisches Miteinander ist somit im Sinne aller Individuen, die nicht vollkommen isoliert von jeglicher Gesellschaft leben. Wichtig ist dabei, dass Willkür (ein für andere nicht nachvollziehbares Handeln aufgrund rein persönlicher Beweggründe, welches sich nicht an bestimmte Regeln hält) zum Wohle aller Personen innerhalb der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Denn wie uns die Geschichte lehrt, ist dort, wo Willkür herrscht, auf Dauer kein funktionierendes, gelingendes Miteinander möglich. Da Willkür zu unbegründeter Schlechterbehandlung führen sowie einem funktionierenden Miteinander im Wege stehen kann, ist es im Interesse aller Menschen, Willkür in allen Lebensbereichen zu vermeiden – denn die willkürliche Schlechterbehandlung kann jeden treffen. Ein wichtiger Grundsatz, um Willkür zu vermeiden, lautet Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Ein Beispiel: Eine Forderung, der die allermeisten Menschen bereitwillig zustimmen, ist das Ziel, dass keinem leidensfähigen Individuum willkürlich Leid zugefügt werden sollte, weil jenes Leid sonst auch sie selbst treffen könnte. Wenn zur Vermeidung von Willkür Gleiches gleich zu behandeln ist, dann kann das Ziel, jemandem nicht willkürlich Leid zuzufügen, allerdings nicht einfach ohne Weiteres auf Menschen alleine beschränkt werden; die Fähigkeit zu leiden macht nicht an der Speziesgrenze Halt.
Wer diese Form der Berücksichtigung auf Menschen beschränken will, müsste im Sinne der Willkürvermeidung aufzeigen können, welche in dieser Hinsicht relevante Eigenschaft alle Menschen von anderen Tieren bezüglich des Zufügens von Leid trennt. Die bloße Spezieszugehörigkeit kann für sich genommen kein ausreichendes Kriterium sein, um eine klare Mensch-Tier-Grenze zu ziehen. Trotz vielfältiger Bemühung zahlreicher Menschen, die ihren Fleischkonsum rechtfertigen wollen, konnte keine derartige einzigarte Eigenschaft beim Menschen schlüssig, konsistent und frei von Willkür aufgezeigt werden.
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