In der Praxis sind diese Fälle nicht etwa selten, sondern es handelt sich um eine sehr große Gruppe von Menschen, die meist vegetativ labil sind. Man könnte sie als Dystoniker bezeichnen: Dystonie, verstanden als ein psychosomatisches Syndrom, dessen Ursprung im Erleben des Menschen verwurzelt ist und das auf Lösungen der Spannungen zwischen Umweltbedingungen und Eigenkapazität drängt. Aus dieser prozessualen Begegnung von Umwelteinfluss und Mensch ergibt sich als primäre Folgeerscheinung der ungenügenden Anpassung des Organismus an die periphere Einwirkung das so genannte Anpassungssyndrom.
Anpassungssyndrom
Stressreaktionen sind Reaktionen des Organismus auf die in Form von Stress übernormal stark empfundenen Reizeinwirkungen qualitativ oder quantitativ ungewohnter Beanspruchung, Belastung oder Beeinträchtigung. Sie versetzen den Körper in einen Zustand erhöhter Spannung, Anstrengung und Abwehrbereitschaft. Es handelt sich dabei um eine gesetzmäßig auftretende Prozessfolge des Stressablaufs, bei dem man drei verschiedene Stadien beobachten und unterscheiden kann, die zeitlich aufeinander folgen, aber auch ineinander übergehen können:
Schock
Die erste, unmittelbar erfolgende Schock- oder Alarmreaktion: Die beeinträchtigende Einwirkung von außen mobilisiert die natürlichen Abwehrkräfte des Organismus.
Resistenz
Das Stadium der Resistenz: Äußere Aktion und organismische Reaktion halten sich bei erhöhter Tonuslage im Gleichgewicht.
Erschöpfung
Das Stadium der Erschöpfung: Die Anpassungsreaktionen des Organismus unterliegen den stärkeren Umwelteinflüssen.
In der BioKosmetik bleiben wir im biologischen und physiologischen Rahmen. Denn im Prinzip handelt es sich um natürliche, an sich gesunde Reaktionen des Organismus:
Einwirkungen von außen werden von den Sinnesorganen wahrgenommen, und der Organismus reagiert auf sie aktionsgerecht oder organspezifisch. Das heißt, das erste Stadium der Mobilisierung der Abwehrkräfte des Körpers und auch das zweite Stadium der Resistenz als ein Gleichgewicht der Reizaktionen durch adäquate, ihnen gewachsene Reaktionen des Organismus sind in jedem Falle zunächst physiologische Prozesse von Aktionen und Reaktionen, von Empfindung und ihr adäquater Reagibilität. Darum muss eine Stresseinwirkung nicht unbedingt die Gesundheit oder die Lebenserwartung beeinträchtigen.
Stress in Maßen
Im Gegenteil, ein Stress in Maßen, insbesondere im rhythmischen Training wiederholt, erhöht die Abwehr- und Aufbaukräfte des Organismus und verlängert die Lebenszeit. J. M. Ordy in Cleveland hat eine Mehrzahl von Versuchsgruppen mit und ohne Stressbeanspruchung vergleichend untersucht und stets eine Erhöhung des Gesundheitszustandes durch eine maßvolle Stressbeanspruchung festgestellt. Erst in dem Augenblick, in dem die Reaktionen des Organismus krankhafte Symptome zeigen, wird der Stress pathologisch. Zwischen den normalen Abwehrreaktionen sowie ihren Symptomen und den pathologischen Syndromen liegt das Gebiet der Erscheinungsformen, welche als Grenzgebiet der Kosmetologie und der praktischen BioKosmetik als ästhetisch störend definiert und betreut werden können. Wenn wir oben definiert haben, dass bei den Stress-Aktionen die verursachenden Geschehnisse und Einwirkungen vor allem von außen auf den Körper wirken, so kann primär auch die Haut als ein intensiv empfindendes Organ davon betroffen sein und angesprochen werden. Der Vehemenz der jeweiligen Einwirkung entspricht normalerweise die Intensität der Stressreaktion. Der impulsartigen Aktion entspricht die meist schockartige Reaktion des ersten Stress-Stadiums:
Erythem Hyperämie
Auf der Haut zeigen sich als erste Symptome das Erythem, Hyperämien, Quaddel- und Blasenbildung, subjektiv ein Juck-, Wärme-, Hitzegefühl bis zur Empfindung brennenden Schmerzes. Es entsteht somit der Symptomenkomplex, den wir in der Kosmetologie diagnostisch unter den Begriffen der Hypersensibilität, Hyperergie und erhöhten Disposition zu Irritationen zusammenfassen.
Folgereaktionen
Auf dieser Basis des neurovegetativ gesteigerten Stresszustandes können als Folgereaktionen akneiforme Effloreszenzen, Hyperkeratosen, Hyperpigmentationen und eine gesteigerte Anfälligkeit gegenüber Allergenen entstehen.
Resistenz
Hält die Stresseinwirkung in gleich bleibender Intensität an und sind die natürlichen Abwehrkräfte des Organismus in der Lage, ihr standzuhalten, dann tritt das zweite Stress-Stadium, das der Resistenz ein. Die primär entstandenen Effloreszenzen der Haut als unmittelbare oder mittelbare Schockwirkung treten zurück, sie normalisieren sich. Aber es bleibt infolge der anhaltenden Stresswirkung neurovegetativ ein Status erhöhter Sensibilität und Reagibilität bestehen, der bei einer nur geringen Zunahme der äußeren Reizbedingungen wiederum in eine übersteigerte Reaktion, in eine Hyperergie übergehen kann. In diesem Fall treten die ursprünglichen Effloreszenzen und Hautsymptome wieder auf, häufig sogar in intensivierter Form.
Erschöpfung
Nimmt die Stress-Einwirkung jedoch so stark zu, dass die Kapazität der organismischen Anpassung und Resistenz überfordert und überschritten wird, dann tritt der Stress in das dritte Stadium, das der Erschöpfung, bei dem die natürlichen Heilungs- und Anpassungsreaktionen des Organismus den Umwelteinflüssen unterliegen.
Atrophieren
Denn der gesteigerte Stoffwechsel, der erhöhte Blut- und Lymphumlauf während der beiden ersten Stadien des Stress können von der Haut als Organ, wie vom gesamten Organismus, eine bestimmte Zeit lang getragen und bewältigt werden, jedoch nur solange, wie der Organismus aufgrund seiner individuellen Kapazität dazu befähigt ist. Wird diese überschritten, dann schlägt die überforderte Hyperergie in eine Erlahmung der Organfunktionen um: Die Hautzellen ermüden, atrophieren. Die Gefäßwände verlieren ihre Elastizität, die Kapillaren selbst bleiben erweitert oder verkrampft. Es treten frühzeitig Alterungserscheinungen der Haut auf. Die ursprüngliche Hyperergie geht in eine Hypergie über, in eine Unterfunktion des Stoffwechsels, in ein Versagen der Reaktionsfähigkeit. Die Hypersensibilität jedoch als Nervosität der Haut bleibt nach wir vor bestehen. Deshalb reagiert die Haut trotz ihrer Unfähigkeit zur Regeneration überempfindlich, überreizt. Andererseits ist sie aber histologisch schlaff, welk, von vermindertem Turgor und Tonus, müde und erschöpft. Das heißt, es erscheinen verfrühte, möglicherweise nur vorübergehende Symptome von Atrophie.
Behandlungen
Wie kann die behandelnde Kosmetik im Sinne einer vorbeugenden, ästhetischen Gesundheitspflege auf die Stress-Reaktionen und die drei Stadien des Stresszustandes Einfluss nehmen?
1. Stadium
Die Behandlung der Hypersensibilität und der Hyperergie im ersten Stadium lässt sich am vorteilhaftesten mit Azulen oder Bisabolol in Kombination mit Panthenol, Glycyrrhicin, Aucubin und Hamamelin durchführen. Dieser Wirkstoffkomplex hat sich als ausgezeichnet wirksam, beruhigend, ausgleichend und normalisierend bewährt. Hinzu sollte eine entsprechende, beruhigende, ausgleichende Art des gesamten Behandlungsmodus treten, insbesondere durch eine Beruhigungsmassage, durch eine Suggestivmassage im Sinne einer Entspannung, Entlastung und Lösung der schockartigen Stress-Reaktion. Wenn die Stress-Einflüsse seelisch belastender Natur waren und sind, dann liegt hier ein ganz besonders fruchtbares Betätigungsfeld für eine psychokosmetische Behandlung.
2. Stadium
Im Stadium der Resistenz gilt es, die natürliche Regenerations- und Abwehrbereitschaft des Organismus prophylaktisch, aufbauend, tonisierend, im Sinne einer Steigerung der Abwehrkräfte zu beeinflussen. Eine fachgemäß durchgeführte biokosmetische Behandlung kann schon von sich aus in diesem Sinne kräftigend und stärkend wirken, allein durch die Tatsache, dass die Klientin während der Behandlung entspannt und möglichst gelöst in einer dialogischen Partnerschaft zu der behandelnden Kosmetikerin steht. Die psychischen Momente einer Katharsis, einer inneren Entspannung und Befreiung durch das gelöste positive Gespräch steht auch hier stark im Vordergrund zur Lösung der Stress-Situation. An Wirkstoffen kann man insbesondere Vitamin-Komplexe, Vitamin A und E oder Keimlecithin mit gutem Erfolg anwenden.
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