Diese Organisation musste also so geheim sein, dass ihre Existenz an allen Stellen abgestritten wurde. Auch deren Ziele waren für die beiden jungen Frauen nicht feststellbar. Allerdings gab es alleine in den Vereinigten Staaten so viele Organisationen mit drei Buchstaben, von denen noch nie jemand auch nur den Hauch einer Information zu hören bekam. Hollywood machte sich teilweise auch in Filmen darüber lustig. Zum Beispiel erschuf man für eine ganze Filmreihe die Abkürzung MIB, die sich mit außerirdischen Lebensformen beschäftigte. Die Bewohner der Staaten waren der Meinung, dass eine Organisation, die geschaffen wurde, für ihre Sicherheit sorgte. Als herauskam, dass die NSA zum Beispiel die ganze Welt abhörte, begründete man das mit der Sicherheit der Nation. Der Aufschrei darüber war in den Staaten deutlich geringer als in Europa. Die ganze Europäische Union verurteilte die Abhöraktion sämtlicher Spitzenpolitiker der einzelnen Länder auf das Schärfste, sorgte aber trotz allem dafür, die USA weiter als Freunde zu betrachten. Sämtliche Politiker kamen nicht einmal auf die Idee eine genaue Untersuchung darüber zu verlangen.
Auch bei der Einreise in die Vereinigten Staaten gab es eine deutlich übertriebene Untersuchung. Es war beinahe unmöglich mal eben eine Zwischenstation in den USA einzulegen, ohne sein gesamtes Leben offenzulegen. Die DHS, also das Department of Homeland Security, unterzog jeden Besucher einer genauen Prüfung. Bevor man auch nur in ein Flugzeug steigen konnte, was auf amerikanischem Boden landen würde, musste man mindestens einen Monat vorher einen Antrag stellen. Der sogenannte ESTA Antrag musste bereits lange vorher ausgefüllt und positiv beschieden sein, um überhaupt in ein Flugzeug zu kommen. Selbst, wenn man dann auf einem Flughafen landete, war es aber noch lange nicht sicher, ob man auch wirklich einreisen durfte. Jeder Besucher wurde einzeln geprüft und mit geschickten Fragen über seine Angaben des Antrags zugeschüttet. Gab es dabei auch nur die geringste Abweichung, wurde man nicht in das Land gelassen, sondern wieder in ein Flugzeug gesetzt und zurückgeschickt. Das ganze Verfahren war aber nicht nur für die Einreise vorgeschrieben, sondern, auch wenn man auf einem Flughafen der Vereinigten Staaten umstieg und das eigentliche Flugziel außerhalb des Landes lag.
Vivian wollte zumindest feststellen, für wen sie da eigentlich Aufträge erledigte. Sie durfte deutlich gefährlichere Aufträge erledigen als ihre Freundin. Bei Ti waren es meist nur irgendwelche Botendienste, während es bei Vivian auch mal um Überwachungen ging. Auch wenn das bisher nur einmal der Fall war, aber ihre Botendienste beschränkten sich darauf, verschiedene Fahrzeuge von einem Ort zum anderen zu bringen. Bei Tiana handelte es sich in den meisten Fällen nur um Botendienste, die zu Fuß zu erledigen waren. Auch ihr neuester Auftrag fiel in diese Kategorie. Sie sollte ein Paket aus einem Bürogebäude in der Innenstadt abholen. Dort war es in einer Schlauchbox in einem oberen Stockwerk versteckt. Tiana sollte das Päckchen dann durch die Stadt zu einem Etablissement bringen, das Frauen eigentlich nur betraten, wenn sie in einem gewissen Bereich arbeiteten. Es sollte in einem Bordell auf der Toilette hinter einer Wandfliese versteckt werden.
Die genaue Adresse bekam sie von ihrer Freundin. Die Anweisung war klar und deutlich formuliert. Um die Wandfliese zu lösen, sollte sie eine kleine Nagelfeile verwenden, das Päckchen verstecken und die Fliese wieder so anbringen wie sie war. Um sie zu finden, gab es sogar die genaue Lage, die man abzählen konnte. Fünfte Reihe von unten und die 18. Platte rechts der Tür. Viviane dachte sich nichts dabei. Das war ein Auftrag, wie sie ihn für SNB schon einige Male erledigt hatte. Das war wohl die Anfängerliga der Organisation. Ihre Aufträge waren etwas höherwertiger und auch etwas besser bezahlt als die ihrer Freundin. Trotzdem wollte sie endlich wissen, für wen sie da eigentlich arbeiteten. Immerhin war es mehr als ungewöhnlich als Privatperson von einer staatlichen Organisation als Agent eingesetzt zu werden, obwohl man sich weder beworben hatte, noch eventuelle Vorkenntnisse vorhanden waren.
Der Auftrag, den sie für Tiana erledigen würde, könnte vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkle bringen. Jedenfalls wollte Viviane dieses Mal wissen, was sie da für wen transportierte. Auch Tiana selbst wollte ein bisschen mehr darüber erfahren, von wem sie das Geld für ihre abgeschlossenen Aufträge bekam. Nicht das sie sich beschweren wollten, es war einfach der Wunsch nach mehr Hintergrundwissen über diesen Geheimdienst, für den sie arbeiteten. Wer weiß, vielleicht könnte man auf diese Weise auch ein paar höherwertige Jobs ergattern.
* * *
Wenige Kilometer entfernt von den beiden jungen Frauen setzte eine Boeing 737 auf der Landebahn auf, die in Washington gestartet war. An Bord hatten es sich die beiden Special Agenten, die das FBI auf den Fall des SNB ansetzte, gemütlich gemacht. Ashleigh Spears und Cooper Knight waren endlich am Einsatzort angekommen. Ihr erster Weg führte sie zu den Beamten, die Edwin Nash mit der großen Menge Chrystal Meth festnehmen konnten. In ihrem Bericht waren sie als Sergeant Roger Barber und Officer Jeffrey Hester angegeben. Der letztgenannte war auch der Beamte, der den unglücklichen Edwin Nash mit einer Kugel durchlöcherte, um seinen Vorgesetzten zu schützen. Sie wollten mit den beiden Beamten ein informelles Gespräch führen.
Das Polizeirevier der beiden Beamten lag etwas außerhalb der Innenstadt und gehörte zum 14. Bezirk. Die FBI Agenten wurden dort bereits erwartet. Der Chief hatte die Beamten Roger Barber und Officer Jeffrey Hester im Büro behalten seit er wusste das Washington jemand anwies den Fall zu untersuchen. Der Sergeant hatte das als Untersuchungshaft für Polizeibeamte verurteilt. Erst als er erfahren hatte, dass Agenten des FBI zu ihnen unterwegs waren, verstand er den Sinn dahinter. Sein Chief wollte die Wartezeiten der Agenten möglichst kurz halten, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Die beiden Polizisten saßen schon den ganzen Tag in ihrem Großraumbüro und schrieben einige liegengebliebene Berichte.
Ashleigh Spears und Cooper Knight kannten diese Reviere aus vorhergehenden Ermittlungen schon zur Genüge. Der Geruch nach altem Papier, Reinigungsmittel und Kaffee war über die gesamten Vereinigten Staaten gleich. Spears mochte den Geruch nicht besonders, aber manchmal musste sie da eben durch. Insbesondere neue Ermittlungen begannen meist in den Revieren der normalen Polizei. Man nahm die beiden Agenten bereits am Eingang in Empfang und brachte sie ohne lange Erklärung in ein leeres Büro. Nur wenige Minuten später betraten die beiden Beamten den Raum und schlossen die Tür. Der Officer war extrem nervös und fummelte ohne Unterlass an seinem Gürtel herum. Es war das erste Mal für ihn, dass er von FBI Agenten vernommen wurde. Sein Sergeant hatte das bereits des Öfteren erlebt und war demnach ein alter Hase was das anging. Ohne Scheu setzte er sich auf einen freien Stuhl, schlug die Beine übereinander und wartete auf die ersten Fragen.
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