2. Allerdings liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB vor. Dabei handelt es sich zwar im Ausgangspunkt um ein Inhaltsverbot; wenn die Planungspflicht allerdings den zentralen Vertragsgegenstand bildet, verdichtet sich das Verbot zu einem Handlungsformverbot (s.o. Rn 750).
3. Die formelle Rechtmäßigkeit ist gegeben; G war zuständig, § 57 wurde beachtet, es liegt kein Verstoß gegen § 58 Abs. 2 vor, da ein Genehmigungsvorbehalt der höheren Behörde nicht besteht: § 11 BauGB.
4. Materielle Rechtmäßigkeit:
In Betracht käme ein Verstoß gegen § 56. Dies ist aber nicht der Fall; vielmehr sind Folgekostenverträge erlaubt, es liegt auch kein „Verkauf von Hoheitsrechten“ vor.
5. Folge der festgestellten Rechtswidrigkeit:
Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1? Ja, Vertrag ist nichtig wegen Verletzung von § 134 BGB: ein qualifizierter Rechtsverstoß gegeben, weil die Grundsätze der Bauleitplanung, insbes. das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB, umgangen werden: die Gemeindevertretung ist in ihrer Entscheidung nicht mehr frei.
Ausbildungsliteratur:
Gurlit, Grundlagen des Verwaltungsvertrags, JURA 2001, 659 und 731; Höfling/Krings, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, JuS 2000, 625; Ruffert, Verträge mit der Stadtverwaltung, JURA 2003, 633; Scherzberg, Grundfragen des verwaltungsrechtlichen Vertrages, JuS 1992, 205; Voßkuhle/Kaiser, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, JuS 2013, 687.
§ 18 Sonstige verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse
814
Fall 23:
Der Leiter eines Einkaufsmarkts meldet der Polizei, dass ein volltrunkener Mann einen Hund auf dem Parkplatz angebunden und sich anschließend entfernt hat. Die Polizei stellt am Hals des Hundes ältere und frische, blutende Verletzungen in der Art von Strangulationsmerkmalen fest und bringt ihn zu einem Tierarzt, wo er behandelt wird. Sie informiert zudem das Ordnungsamt der Stadt X, das eine Zuständigkeit für den Hund verneint. Das Ordnungsamt informiert jedoch einen Tierschutzverein, der den Hund bei dem Tierarzt abholt und bei einer seiner Pflegestellen unterbringt. Am folgenden Tag ermittelt die Polizei den Hundehalter: Er ist noch am Vorabend zu dem Parkplatz zurückgekehrt und hat nach dem Hund gesucht. Am nächsten Tag wendet sich das Ordnungsamt an das Veterinäramt der Landkreises Y und teilt mit, es handele sich um eine Tierschutzangelegenheit, weshalb der Landkreis zuständig sei. Die Polizei habe den Hund zum Tierarzt gebracht; dessen Rechnung werde nachgereicht. Der Hund befinde sich derzeit bei einem Tierschutzverein. Mit Schreiben vom 23.5.2021 wendet sich der Tierschutzverein an die Kreispolizeibehörde und bittet um Mitteilung, was mit dem Hund geschehen solle. Diese ersucht das Veterinäramt des Landkreises um tierschutzrechtliche Prüfung. Nach Rücksprache mit dem Veterinäramt teilt die Kreispolizeibehörde dem Tierschutzverein in einem Schreiben vom 2.6.2021 mit, sie habe ihn nicht beauftragt, sei daher nicht zuständig und könne keine Auskunft zum weiteren Verbleib des Hundes erteilen. Hat der Tierschutzverein einen Anspruch gegen den Landkreis auf Erstattung der ihm für die Betreuung des Hundes entstandenen Aufwendungen?
Rn 829
815
In Anknüpfung an den weit gefassten Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses (s.o. § 10) wurden im vorausgehenden § 17 solche verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse behandelt, die durch örV begründet wurden. Über solche verwaltungsvertraglichen Schuldverhältnisse hinaus[1] gibt es aber weitere Sonderverbindungen, die zwar nicht vertraglich begründet wurden, aber ebenfalls ein spezifisches Näheverhältnisaufweisen und die sich durch eine besonders intensive Pflichtenstellung der Beteiligten auszeichnen[2]. Sonstige verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse können insbes. zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Bürger bestehen, aber auch zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern[3]. Zu den bedeutsamsten verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen gehören die öffentlich-rechtliche Verwahrung, die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftragsowie das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis. Teilweise wird auch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruchin diesem Zusammenhang behandelt[4]. Da diese Ansprüche jedoch die Reaktion auf ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen bilden, sollen sie (erst) bei den öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen behandelt werden (s.u. § 26).
816
Wegen der Zuordnung der (sonstigen) verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse zum öffentlichen Recht bestimmt sich deren Inhalt primär nach öffentlich-rechtlichen Regelungen. Allerdings ist die Regelungsdichte im Vergleich zu verwaltungsvertraglichen Schuldverhältnissen nochmals reduziert. Daher bedarf es hier erst recht eines Rückgriffs auf die Vorschriften des Privatrechts. Methodisch erfolgt dies durch eine analoge Anwendung der Bestimmungen des Privatrechts[5]. Die alternativ vertretene Begründung, dass die schuldrechtlichen Regelungen des BGB Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze seien, steht in einem Spannungsverhältnis zur unterschiedlichen Ausgangslage privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Handlungsformen (s.o. Rn 30 ff). Insbes. in den Bereichen moderner Massenverwaltung, etwa im Rahmen des Benutzungsverhältnisses bei einer Anstalt, kommt zudem eine analoge Anwendung des AGB-Rechtsnach §§ 305 ff BGB in Betracht[6]. Von der grundsätzlichen Zuordnung verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse zu unterscheiden ist der Rechtsweg für Streitigkeiten aus diesen: Wegen der Wertungen des § 40 Abs. 2 VwGO ist hier nach den einzelnen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen zu differenzieren.
III. Öffentlich-rechtliche Verwahrung
817
Nimmt die öffentliche Verwaltung bewegliche Sachen in Gewahrsam, etwa nach dem Abschleppen eines PKW, so wird ein verwaltungsrechtliches Verwahrungsverhältnis begründet. Beruht dies auf einem Verwahrungsvertrag, so kommen §§ 688 ff BGB bereits über § 62 S. 2 zur ergänzenden Anwendung (s.o. Rn 719). Regelmäßig wird in solchen Konstellationen aber keine vertragliche Vereinbarung zugrundeliegen, vielmehr handelt die Behörde einseitig hoheitlich(so auch im angesprochenen Abschleppfall).
818
Die Rechtsgrundlagen zur Bewertung eines solchen Verwaltungsrechtsverhältnisses ergeben sich primär aus öffentlichem Recht. So enthalten etwa die Polizeigesetzeder Länder typischerweise Vorschriften zur Ausgestaltung des Verwahrungsverhältnisses[7]. Im Übrigen sind die §§ 688 ff BGB analoganwendbar[8]. Dies gilt insbes. für Aufwendungsersatzansprüche nach § 693 BGB, sofern keine vorrangige Bestimmung des öffentlichen Rechts eingreift. Aber auch bei Leistungsstörungen, insbes. bei einer Beschädigung der verwahrten Sache, kommen die Bestimmungen des BGB zur ergänzenden Anwendung[9]. Rechtsstreitigkeiten aus (nichtvertraglicher) öffentlich-rechtlicher Verwahrung werden nach § 40 Abs. 2 S. 1 VwGOzwar den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Diese abdrängende Sonderzuweisung einer eigentlich öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist jedoch nach hM begrenzt auf Ansprüche des Bürgers. Demgegenüber sollen Ansprüche der Verwaltung aus einem Verwahrungsverhältnis vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen sein[10].
IV. Geschäftsführung ohne Auftrag
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Die Figur der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist bereits aus dem Privatrecht bekannt und dort in §§ 677 ff BGB geregelt. Auch im öffentlichen Recht kann es zu Situationen kommen, in denen insbes. die öffentliche Verwaltung ohne vertragliche Vereinbarung im Interesse des Bürgers Handlungen vornimmt. In Abgrenzung zur privatrechtlichen GoA muss das Geschäftallerdings dem öffentlichen Recht zuzuordnensein (zur Abgrenzung s.o. Rn 31 ff)[11]. Auf die öffentlich-rechtliche GoA sind die Bestimmungen der §§ 677 ff BGB analog anwendbar[12].
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