511
Nach § 37 Abs. 2 S. 2 ist ein mündlicher VA schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dieses unverzüglich verlangt[94]. Ein berechtigtes Interesse an der Bestätigung ist insbes. zu bejahen, wenn der Betroffene die Existenz des VA anderen Stellen gegenüber nachweisen muss. Der Betroffene hat die Bestätigung „unverzüglich“, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, s. § 121 Abs. 1 BGB, zu verlangen. Eine gewisse Überlegungsfrist ist ihm jedoch einzuräumen. Die Bestätigung selbst ist kein VA[95].
c) Die elektronische Form
512
Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1kann ein VA bereits seit Längerem in elektronischer Form erlassen werden. Der teilautomatisierteVA, bei dem einzelne Verfahrensschritte in elektronischer Form vorgenommen werden, ist inzwischen in vielen Bereichen bereits Verwaltungsrealität. Mit Wirkung ab dem 1.1.2017 hat zudem der vollautomatisierteVA Eingang in § 35a gefunden[96]. Im Geltungsbereich des VwVfG müssen jedoch zunächst Anwendungsfelder für diesen ermittelt werden (zum Ganzen bereits Rn 411 ff)[97].
4. Die Einhaltung des Begründungsgebots
513
Nach § 39 Abs. 1 S. 1 ist ein schriftlicher oder schriftlich bestätigter und elektronisch oder elektronisch bestätigter VA zu begründen. Das Begründungsgebot[98] wurzelt im Verfassungsrecht. Insbes. erfordert das in Art. 19 Abs. 4 GGverankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass der Bürger durch die Angabe von Gründen, die die Behörde zur Entscheidung bewogen haben, in die Lage versetzt wird, die Erfolgsaussichten eines möglichen Rechtsbehelfs zu erkennen[99]. Ferner hat die Begründung eine Klarstellungs- und Dokumentationsfunktion; diese Funktionen dienen zugleich der Eigenkontrolle der Verwaltung. Trotz dieses materiellen Fundaments ordnen Rechtsprechung und Literatur Begründungsfehler allerdings als Verfahrens- oder Formfehlerein[100]. Diese Tradition mit Blick auf die Zuordnung eines Begründungsfehlers wird hier beibehalten; der Bedeutung der Begründung entsprechend sollte sie als spezieller Punkt (neben den Form- und Verfahrensvorschriften) behandelt werden.
514
Probleme mit Blick auf die Begründung ergeben sich in zweierlei Hinsicht: zum einen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Begründung, zum anderen hinsichtlich des gebotenen Inhalts. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 39 ergibt sich, dass jeder schriftliche oder schriftlich bestätigte VA zu begründen ist; auch der begünstigende VA ist zu begründen, wenn die Behörde einem Antrag nicht in vollem Umfang entspricht oder in Rechte eines Dritten eingreift, Umkehrschluss aus § 39 Abs. 2 Nr. 1. § 39 geht davon aus, dass schriftliche Entscheidungen zu begründen sind, Ausnahmen vom Begründungsgebot gesetzlich bestimmt sein müssen und ihrerseits der Begründung bedürfen.
b) Ausnahmen vom Begründungsgebot
515
Eine Ausnahme vom Begründungsgebot ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr 2 insoweit, als demjenigen, für den der VA bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; Besprechungen in einem Verwaltungsverfahren können nur bei gleich bleibender Sachlage zu einer die Begründung erübrigenden Ermessensentscheidung führen[101]. Es gibt allerdings keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, nur dasjenige sei begründungsbedürftig, was nicht „ohnehin klar“ benannt werden könne[102].
516
An diesen Fall sowie an die in § 39 Abs. 2 aufgezählten anderen Fälle sind angesichts der verfassungsrechtlichen Relevanz des Begründungsgebots strenge Anforderungenzu stellen[103]. Für § 39 Abs. 2 Nr 1 ist auf die Ebene des Betroffenen abzustellen; ferner bedeutet die Bekanntgabe der Gründe an den Antragsteller im Rahmen eines Gesprächs nicht, dass die Gründe hinlänglich bekannt sind und deshalb nicht mehr fixierungsbedürftig seien – gälte anderes, könnte die Behörde das Gebot der Schriftlichkeit der Begründung unterlaufen. Für die in § 39 Abs. 2 Nr 3 normierte Ausnahme vom Begründungsgebot ist auf die Voraussetzung „nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten“ besonders aufmerksam zu machen; die Tatsache, dass die Behörde VAe in größerer Zahl mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt, führt also nicht automatisch zu einem Recht, auf die Begründung zu verzichten. Die Behörde muss nachweisen, dass eine Begründung nicht erforderlich ist im Hinblick auf den Einzelfall und dessen Vergleichbarkeit mit einer großen Anzahl anderer Fälle[104].
c) Anforderungen an die Begründung
517
Mit Blick auf den Inhalt der Begründung wiederholt § 39 Abs. 1 S. 2 lediglich eine alte Formel[105]. Eine rechtmäßige Begründung muss nach dem jetzigen Stand folgende Elementeenthalten: Sowohl die das Verfahrensergebnis tragenden materiellen Rechtsnormen als auch die jeweiligen ergänzend herangezogenen Rechtsnormen müssen aufgeführt werden. Ebenso sind die wesentlichen Verfahrensbestimmungen anzugeben; hat die Behörde Ausnahmen von Verfahrensbestimmungen angewandt, so muss dieses erkennbar sein.
518
Die Behörde muss sachlich die Position des Betroffenen würdigen und die Gründe darlegen, warum sie dieser Position nicht gefolgt ist. Für Ermessensentscheidungensagt § 39 Abs. 1 S. 3, dass die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist; angesichts der Bedeutung der Gründe für die Überprüfbarkeit auf Ermessensfehler ist im Normalfall anzunehmen, dass eine Pflicht zur Angabe der relevanten Gesichtspunkte besteht[106].
5. Sonderproblem: Die Rechtsbehelfsbelehrung
519
Verfassungsrechtlich ist eine Pflicht zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht begründet, weder aus Art. 19 Abs. 4 GG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich diese Pflicht ableiten[107]. Das VwVfG enthielt lange Zeit keine umfassende Pflicht zur Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung. Entsprechende Pflichten ergaben sich aber oftmals aus Bestimmungen außerhalb des VwVfG. So sieht etwa § 73 Abs. 3 VwGO für den Widerspruchsbescheid vor, dass dieser mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist[108]. Im Jahr 2013 wurde in § 37 Abs. 6eine umfassende Rechtbehelfsbelehrungspflicht für schriftliche und elektronische VAe, welche der Anfechtung unterliegen, in das VwVfG aufgenommen[109]. Wegen der Beschränkung des § 37 Abs. 6 auf VAe, welche der Anfechtung unterliegen, werden ausschließlich begünstigende VAe nicht erfasst (zu dieser Unterscheidung nach der Wirkung eines VA s.o. Rn 362 ff). Ist der VA demgegenüber für nur einen Adressaten belastend – sei es durch die Hinzufügung einer Nebenbestimmung (s.o. Rn 413 ff), sei es bei einem VA mit Doppel- oder Drittwirkung (s.o. Rn 366f) – so greift die Pflicht nach § 37 Abs. 6 ein[110].
520
Damit Rechtsbehelfe effektiv erhoben werden können, muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch zutreffendsein. § 58 Abs. 1 VwGO benennt hier den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist[111]. Dabei genügt der (zutr.) Hinweis auf die abstrakte Frist; die konkrete Berechnung fällt in die Eigenverantwortlichkeit des Adressaten[112]. Gegenwärtig umstritten ist, ob in einer Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit zur Erhebung in elektronischer Formhingewiesen werden muss. Auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung lediglich zwingende Formvorgaben enthalten muss und die elektronische derzeit noch nicht zwingend ist, kann der fehlende Hinweis auf die elektronische Einlegungsmöglichkeit den falschen Eindruck erwecken, eine solche Einlegung sei nicht zulässig. Daher sprechen gute Gründe dafür, dass auch auf die elektronische Einlegungsmöglichkeit hinzuweisen ist[113]. Jedoch hat sich das BVerwG jüngst der Gegenansicht angeschlossen[114]. Jedoch ist der Hinweis, dass eine Klage „in deutscher Sprache“erhoben werden muss, wegen § 55 VwGO i.V.m. § 184 S. 1 GVG weder fehlerhaft noch irreführend[115].
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