Teil II Grundbausteine des Verwaltungsrechts
§ 5 Verwaltungsorganisation
I. Grundbegriffe des Verwaltungsorganisationsrechts
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In § 2 wurde die öffentliche Verwaltung als Zuordnungsobjekt des Verwaltungsrechts in ihrer Gesamtheit beschrieben. Sie setzt sich jedoch aus verschiedenen Verwaltungsträgern zusammen, zu denen insbes. der Bund und die Länder gehören.
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Die einzelnen Verwaltungsträger benötigen als Bedingung für rechtmäßiges Handeln Rechte und Pflichten. Diese Rechtsstellung vermittelt das Gesetz. Es überträgt den Verwaltungsträgern bestimmte Aufgaben zur Erfüllung. Adressat eines durch das Recht ausgesprochenen Auftrags kann allerdings nur eine rechtsfähige Person sein. Deshalb sind die Verwaltungsträger durchweg (natürliche oder juristische) Personen. Zum Verwaltungsträger werden sie dadurch, dass sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen[1].
b) Anknüpfungspunkt: Rechtsfähigkeit
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Rechtsfähig sind zunächst die Menschen, die natürlichen Personen. Nach § 1 BGBbeginnt die Rechtsfähigkeitdes Menschen mit der Vollendung der Geburt. Rechtsfähig sind ferner juristische Personen, soweit ihnen die Rechtsordnung diese Eigenschaft zuerkennt. Es gibt rechtsfähige juristische Personen auf der Basis des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Rechtsfähige juristische Personen des Privatrechts sind zB die GmbH, § 13 GmbHG, und die AG, § 1 AktG. Demgegenüber handelt es sich bei Verwaltungsträgern typischerweise um juristische Personen des öffentlichen Rechts. Zu diesen zählen (rechtsfähige) Körperschaften, Anstalten und Stiftungen (s.u. Rn 139ff). Denn die Rechtsfähigkeit wird ihnen – im Unterschied zu juristischen Personen des Privatrechts – nicht auf Grundlage des Privatrechts, sondern durch öffentliches Recht verliehen. In der Regel sind juristische Personen Verwaltungsträger[2]. Über die juristischen Personen des öffentlichen Rechts hinaus gehören aber auch die sog. Beliehenenzu den Verwaltungsträgern. Dabei handelt es sich um (natürliche oder juristische) Personen des Privatrechts, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im eigenen Namen übertragen worden ist[3].
Beispiele:
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die Bundesrepublik Deutschland (zu den Aufgaben vgl. insbes. Art. 70 ff GG oder Art. 83 ff GG), |
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die Handwerksinnung (zu den Aufgaben vgl. §§ 53, 54 HwO; Sa. I Nr 815), |
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die Sachverständigen des Technischen Überwachungsvereins TÜV als Beliehene (§ 29 Abs. 2 StVZO). |
c) Reichweite der Rechtsfähigkeit
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Das öffentliche Recht kann juristischen Personen eine Vollrechtsfähigkeit oderlediglich eine Teilrechtsfähigkeitverleihen. Letzteres ist der Fall, wenn die juristische Person nur bestimmte begrenzte Rechte und Pflichten besitzt. Diese Differenzierung ist im öffentlichen Recht relevant, weil juristische Personen des öffentlichen Rechts ausschließlich im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben tätig werden dürfen. Die Bestimmung des Aufgabenbereichs ist freilich häufig streitbehaftet.
Beispiele:
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Fakultäten/Fachbereiche der Universitäten[4], |
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Sparkassen[5]. |
2. Organisationseinheiten innerhalb der Verwaltungsträger
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Als juristische Personen sind Verwaltungsträger als solche nicht handlungsfähig. Konstruktiv wird die Handlungsfähigkeiteiner juristischen Person auf folgende Weise erreicht: Die juristische Person erhält Einrichtungen, die für die Erledigung bestimmter Aufgaben zuständig sind – diese Einrichtungen werden als „Organe“bezeichnet. Dieses Konstrukt ist unabhängig davon, ob es sich um eine juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt.
Beispiele:
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der Bürgermeister einer Gemeinde (vgl. etwa § 57 Abs. 1 BbgKVerf) |
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der Vorstand einer Handwerkskammer (vgl. § 92 HwO). |
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Für das Vorhandensein eines Organs sind zwei Merkmalebestimmend, ein institutionelles und ein funktionelles Merkmal. Institutionell ist das Organ organisatorisch, aber nicht rechtlich selbstständig: Es besteht unabhängig von natürlichen Personen, die letztlich für das Organ handeln, ist indes keine eigenständige Rechtsperson. Es kann also als solches grds. nicht klagen oder verklagt werden. – Funktionell nimmt das Organ Zuständigkeiten des Verwaltungsträgers wahr, eigene Zuständigkeiten besitzt es nicht (der Vorstand der Handwerkskammer handelt für die Handwerkskammer, nicht für sich persönlich).
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Normalerweise besitzt ein Verwaltungsträger mehrere Organe, die Gemeinde typischerweise zwei: den Rat/die Gemeindevertretung und den Bürgermeister[6]. Gelegentlich gibt es ein „Zwischenorgan“, den Verwaltungsausschuss[7]. Deren Aufgaben müssen bestimmt und voneinander abgegrenzt werden. Ferner muss zB die Besetzung der Organe und ihre Willensbildung (insbes. bei Kollegialorganen, zB dem Rat der Gemeinde) geregelt werden. Das diese Fragen beantwortende Recht ist das sog. Innenrecht, welches sich mithin auf die Probleme der Verwaltungsorganisation als solche bezieht. Den Gegensatz bildet das sog. Außenrecht, welches die Rechtsbeziehungen zwischen Rechtspersonen regelt (zur Abgrenzung des Innenrechts vom Außenrecht bereits Rn 57).
Beispiele:
Innenrecht: Die Gemeindevertretung setzt sich entsprechend einer Wahl zusammen, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt, s. zB § 27 BbgKVerf; die Zusammensetzung und Wahl der Vollversammlung der Handwerkskammer regeln die §§ 93 ff HwO. Außenrecht: Jede öffentlich-rechtliche Norm, die die Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Behörde regelt, zB das Bauplanungsrecht (es regelt ua, wo was wer bauen darf) oder das Hochschulrecht (es regelt u.a., unter welchen Voraussetzungen studiert werden darf).
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Die Erlangung der Handlungsfähigkeit durch Organe ist ein allgemeines Merkmal juristischer Personen, egal, ob sie dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht angehört. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird der Begriff des Organs jedoch oftmals durch denjenigen der Behörde ersetzt[8]. Eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinneist ein Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, welches zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit Außenwirkung berechtigt ist. Anders ausgedrückt: Verwaltungsträger sind keine Behörden, sondern haben welche und handeln durch sie.
Beispiel:
Die Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Baurecht ist grundsätzlich den Ländern zugewiesen. Diese sind zugleich Verwaltungsträger. Damit sie diese Aufgabe wahrnehmen können, haben sie Bauaufsichtsbehörden eingerichtet. Deren Aufbau und die weitere Verteilung der Zuständigkeit richten sich nach dem Organisationsrecht der Länder.
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Von der Behörde im organisationsrechtlichen Sinne zu unterscheiden ist der funktionelle Behördenbegriff. Behörde im funktionellen Sinne ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Dabei kommt es nicht auf die organisationsrechtliche Zuordnung an, sondern auf die Aufgabenwahrnehmung und damit auf die Funktion. Deshalb sind auch Beliehene Behörden im funktionellen Sinne. Der funktionelle Behördenbegriff liegt etwa § 1 Abs. 4 zugrunde. Darüber hinaus knüpfen auch die Informationsfreiheitsgesetze an den funktionellen Behördenbegriff an[9].
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