blue cathedral , Jennifer Higdon
Die Musik verwendet einfache Bausteine und wächst organisch
In Seven Days , Thomas Adès
Dies ist der Kern dessen, wer wir sind und was wir sein müssen
Alleluia , Eric Whitacre
WEITERE KOMPONISTEN
GLOSSAR
ZITATNACHWEIS
DANK
Musik besitzt eine gewisse Magie. Sie kann uns in eine andere Welt entführen, uns zum Tanzen bringen oder uns an geliebte Menschen erinnern. Ein einzelner Akkord kann uns zu Tränen rühren. Die Musik, die den Menschen in der westlichen Welt seit beinahe 1000 Jahren Freude und Inspiration bringt – und heute allgemein als klassische Musik bezeichnet wird –, erfreut nach wie vor die Zuhörer. Dabei ist sie alles andere als elitär. Sie spielt in Kinofilmen mit unseren Emotionen, ihre sinfonischen Wellen verleihen der Handlung von Computerspielen Dramatik und sie verbirgt sich in der Harmonik und den Melodien ganz alltäglicher Popsongs. Ihre Magie ist von einer ganz besonderen Art, einer, die über die Jahrhunderte wuchs, geprägt von Politik, Geografie, Religion – und dem besonderen Genie einer Vielzahl großer Komponisten.
Manchmal reicht es, der Musik einfach nur zuzuhören, ohne zu hinterfragen, warum oder wann oder wie dieses Stück entstand. Der Kanon der klassischen Musik kann jedoch einschüchternd wirken und umfasst viele verschiedene Stile und Genres. Zum Beispiel ist der Choralgesang des frühen Mittelalters Welten entfernt von den Klangkaskaden romantischer Komponisten des 19. Jahrhunderts wie Tschaikowsky und Brahms oder von den atonalen Experimenten, die Schönberg im frühen 20. Jahrhundert unternahm. Manchmal kann das Erkunden neuer Klangwelten sogar ein wenig unbehaglich sein, was durchaus in der Absicht des Komponisten liegen mag.
Mit Das Klassische-Musik-Buch entdecken Sie die großen musikalischen Werke im Kontext der letzten 1000 Jahre. Zu verstehen, wer die Komponisten waren und was sie antrieb, kann neue Einsichten eröffnen, die den Hörgenuss verstärken. Ein bekanntes Stück wie Vivaldis Vier Jahreszeiten bekommt eine ganz neue Dimension, wenn man erfährt, dass Vivaldi erstmals das große Potenzial der Konzertform demonstrierte und sich sein Ruf von Italien nach Deutschland verbreitete, wo er einen jungen Organisten namens Johann Sebastian Bach inspirierte.
Sie wissen vielleicht, dass Beethoven später im Leben taub war, aber zu wissen, welche seiner Werke er zwar komponierte, aber nie hörte, macht das Hörerlebnis eindringlicher und wundersamer. Zu wissen, dass Mozart tatsächlich ein Popstar im 18. Jahrhundert war, könnte Sie davon überzeugen, es noch einmal mit der Hochzeit des Figaro zu versuchen. Bei der Entstehung einiger der beliebtesten Musikstücke spielten Macht, Mäzenatentum und Zensur eine große Rolle. Wie Sie sehen werden, hielten echte Dramen und Skandale mit der musikalischen Dramatik auf der Bühne und in der Partitur oft Schritt.
Dies sind also die Welten, in die Sie das Buch, das Sie gerade in Händen halten, einlädt. Es wird Sie auf eine Reise durch die verschiedenen Epochen der Musikgeschichte führen und Ihr Verständnis und Ihre Wertschätzung für einige der größten Werke der klassischen Musik vertiefen. Es wird jeden erfreuen, der die klassische Musik bereits liebt, sich aber bis jetzt noch nicht mit ihrer Geschichte und dem musikalischen Vokabular vertraut gemacht hat. Und vor allem wird es, so hoffe ich, Sie zu einer neuen Art des Zuhörens ermuntern.
Klassische Musik trägt, wie jede Musik, Leidenschaft im Herzen. Deshalb überdauerten die großen Werke der Vergangenheit Jahrhunderte, deshalb streben zeitgenössische Komponisten immer noch danach, diese Schönheit zu erreichen oder zu übertreffen, und deshalb lieben es Millionen von uns, sie zu spielen oder zu hören. Es gibt so viel wunderbare, leidenschaftliche Musik da draußen – erlauben Sie diesem Buch, Ihre Augen und Ohren dafür zu öffnen.
Katie Derham
Als wichtiger Bestandteil der menschlichen Kultur ist die Musik mindestens schon seit der Jungsteinzeit ein Merkmal jeder Zivilisation, wie Höhlenmalereien und archäologische Funde beweisen. Die Bezeichnung »klassische Musik« bezieht sich auf die kunstvolle, gehobene Musik der westlichen Zivilisation vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit. Im weitesten Sinne deckt sie ein breites musikalisches Spektrum ab und nicht nur die Orchester- oder Klaviermusik, die sich so mancher darunter vorstellt. Dieses Buch zeigt auf, wie sich die klassische Musik als wesentlicher Bestandteil der europäischen Kultur entwickelte, sich über die ganze Welt verbreitete und ihre Zuhörer seit Jahrhunderten erfreut, überrascht und immer wieder Wandlungen unterworfen ist.
Die heutige Fülle an musikalischen Traditionen und Stilen, angefangen von mittelalterlicher Kirchenmusik und höfischem Minnegesang bis zur Avantgardemusik des 21. Jahrhunderts, entstand Schritt für Schritt, wurde jedoch immer wieder vorangetrieben von aufsehenerregenden Innovationen. Die ersten Opern zum Beispiel, die Ende des 16. Jahrhunderts aufgeführt wurden, revolutionierten sowohl die weltliche als auch die geistliche Musik. Beethovens Sinfonie Nr. 3 , die »Eroica«, schockierte Anfang des 19. Jahrhunderts das Publikum mit einer völlig neuen Struktur und der Missachtung klassischer Konventionen ebenso wie 100 Jahre später die Uraufführung von Igor Strawinskys Le Sacre du printemps (»Das Frühlingsopfer«) in Paris.
Derartige Sprünge definieren die Hauptepochen der klassischen Musik – Alte Musik, Renaissance, Barock, Klassik, Romantik, Nationalismus, Moderne und Gegenwart –, die sich jeweils in viele weitere Stilrichtungen unterteilen und deren Grenzen häufig fließend sind.
»Musik ist der soziale Akt der Kommunikation unter den Menschen, eine Geste der Freundschaft … «
Malcolm Arnold Komponist
Wie auch andere Kunstformen wurde und wird die Musik von äußeren Einflüssen geprägt. Zu Beginn war dies vor allem die Kirche. Die westliche klassische Musik entstand in einem von der Kirche dominierten Europa. Der Klerus übte nicht nur beträchtliche politischer Macht aus, er war auch die einzige Bildungsquelle in der Gesellschaft. Die Musik diente nicht der Unterhaltung. Sie war Teil der Gotttesverehrung, bestand aus einem Kanon sakraler Gesänge und wurde von Mönchen ohne Instrumentalbegleitung gesungen.
Lange widersetzte sich die Kirche jeglicher Veränderung dieser einstimmigen liturgischen Gesänge. Deren Auf und Ab in der Melodie wurde in den Handschriften durch sogenannte »Neumen« (grafische Zeichen) angezeigt, bis der italienische Mönch Guido von Arezzo im 11. Jahrhundert eine exaktere Art der Darstellung von Tonhöhen erfand, die die Grundlage der heutigen Notation bildet. Parallel dazu entstanden die ersten, zunächst noch einfachen Formen der Mehrstimmigkeit. Die ersten namentlich bekannten Komponisten wirkten im 12. Jahrhundert im Umfeld der Kathedrale Notre Dame in Paris. Im Laufe der Zeit wurde die mehrstimmigen Vokalwerke immer komplexer und unterlagen auch einer rhythmischen Ordnung.
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