»Nolik, Stanislav, was soll das?«, fuhr ich die zwei Männer an.
»Er hat Sie angefasst«, verteidigte sich Nolik.
»Seid ihr blind? Scheiße noch mal, ich hab ihn festgehalten, nicht er mich.«
Stanislav rappelte sich vom Boden auf und die beiden schauten mich zerknirscht an.
Dann fiel mein Blick auf Mir , der neben mir stand und mich anscheinend die ganze Zeit beobachtet hatte. Verdammt, dieser Blick ging mir durch und durch.
»Entschuldige bitte, dass meine Leibwächter so überreagiert haben.« Nach der Hitze in meinem Gesicht zu urteilen, lief ich tatsächlich rot an.
Er nickte mir zu und schickte sich an, zu gehen.
»Warte doch. Ich habe dir ein Angebot zu machen.«
»Es gibt nichts, was mich interessieren könnte«, sprach er das erste Mal und seine tiefe Stimme ließ mein Herz kurzzeitig stolpern.
»Kämpfe für mich.« Ich hätte mir gerade am liebsten vor die Stirn gehauen. Wie konnte mir dieser Satz nur herausrutschen. Allerdings ließ ihn das Innehalten, auch wenn er mir weiterhin den Rücken zudrehte. »Ich meine natürlich nicht für mich, sondern für Juri Pastrow«, stotterte ich.
Mir drehte sich zu mir herum und schaute mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Aha, ich soll für den großen Pastrow kämpfen und er schickt mir eine kleine Bittstellerin? Oder bist du etwa das Geschenk für mich, wenn ich annehme?«, fragte er spöttisch nach.
»Pass auf wie du mit ...«
»Sei still, Nolik«, fuhr ich dazwischen. Auch wenn mein Kopf mittlerweile glühte, würde ich mir jetzt nicht die Blöße geben und mich als Juris Tochter vorstellen.
»Verschwindet ihr beiden.«
»Aber ...«
Ich riss mich von Mirs Anblick los und funkelte die beiden Männer an. »Geht in die Halle zurück, ich komme nach, sobald ich hier fertig bin.«
Endlich, wenn auch zögerlich, verschwanden die beiden und ein leises Lachen ließ mich herumfahren.
»Soso, wenn du hier fertig bist. Ich weiß nicht, ob es so klug war, die beiden wegzuschicken.«
Er kam auf mich zu, was mich nervös über meine Lippen lecken ließ.
»Oh ja, die wirst du gleich gebrauchen, Süße«, grinste Mir und hakte die Daumen in seine Hose. »Überzeug mich, für Pastrow kämpfen zu wollen.«
Mein Blick war starr auf seine Hände gerichtet, die allerdings die Hose nicht weiter nach unten zogen. Mein Atem ging abgehakt. Warum musste sich auch dieser Mann als einer herausstellen, der Frauen als Sexobjekt ansah?
Direkt vor mir blieb er stehen und ich biss mir fest auf die Lippe, um nicht zu schluchzen. Seine Hände lösten sich von seiner Hose und er hob mein Gesicht am Kinn an.
»Hey«, sagte er ruhig. »Das war ein Scherz.« Sanft löste er meine Lippe zwischen meinen Zähnen. »Wer bist du?«
Er würde es sowieso erfahren und ihn anlügen, war keine Option für mich. »Janka Pastrowa.«
Er zog augenblicklich seine Hand von mir zurück, als habe er sich verbrannt, und brachte einen kleinen Sicherheitsabstand zwischen uns. »Du bist die Tochter von Juri«, sagte er dann geringschätzig.
»Ja, die bin ich.«
»Er schickt seine ...«, fast schon abwertend glitt sein Blick über mich, »... Tochter zu mir, um mich anzuheuern?«
So offen seine Abneigung zu zeigen hatte sich noch nie einer gewagt, was mich im ersten Moment irritierte. Doch dann machte sich Verbitterung breit. »Ich mache dir nur einmal das Angebot. Kämpfe für ihn oder lasse es bleiben.«
Ich drehte mich herum und wollte schon gehen, da fiel mir noch etwas ein. »Wäre ich nicht schon einem anderen versprochen, würde ich mich dir als Geschenk anbieten.«
So oft wie jetzt hatte ich wohl noch nie die Wahrheit hintereinander gesagt. Ich war drei Schritte gegangen und meine winzige Hoffnung war dabei, sich ins Nirwana zu verabschieden, als mich sein »ich tue es«, herumwirbeln ließ.
Aidan - Von alten und neuen Feinden
»Ich tue es«, sagte mein Mund schneller, als mein Gehirn reagieren konnte. Die Endorphine schienen mich doch mehr zu beeinträchtigen als vermutet. Fuck, hatte ich gerade zugestimmt, für Pastrow zu kämpfen, weil mir seine Tochter ein Schäferstündchen angeboten hatte? Genaugenommen hatte sie mir ja auch keines angeboten, aber für mich hatte es sich dennoch so angehört, als würde sie, wenn nicht ...
Missmutig schüttelte ich meinen Kopf, um die Gedanken daraus zu vertreiben, und starrte die kleine zierliche Frau an, die jetzt zu mir herumwirbelte. Ihr Gesicht lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. Sie griff betont lässig in ihre Hosentasche und zog ein kleines Etui heraus, aus dem sie ein Papier entnahm und es mir reichte. Ein kurzer Blick darauf zeigte mir, dass die Adresse von Juri Pastrows Boxhalle darauf stand.
»Gib mir deine Handynummer, damit dich einer unserer Trainer anrufen kann. Mein Vater wird dich kämpfen sehen wollen, ehe er sich überlegt, ob du wirklich für ihn kämpfen darfst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
Verblüfft sah sie mich an. »Wie ... nein?«
Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. »Ich kenne den Club, und werde dort erscheinen, wenn ich es für richtig halte. Davon mal abgesehen, dass ich kein Handy besitze, würde ich auch dann meine Nummer nicht rausgeben. Ich bestimme gern selbst über meine Zeit.« Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. »Wenn dein Vater mich kämpfen sehen will, dann wird er mich kämpfen sehen. Aber ich werde mich nicht dirigieren lassen!«
Ich hatte keine Ahnung, warum ich eine solche Spitze auf sie abschoss, aber irgendetwas an dieser Situation brachte mich dazu, gereizt zu sein. Ob es die Tatsache war, dass diese Göre mit zwei Leibwächtern durch die Gegend spazierte, oder mehr, dass ich nicht damit gerechnet hatte, so schnell meinem Ziel näher zu kommen, Pastrow zu begegnen – ich wusste es nicht. Meine Worte trafen ihr Ziel auf alle Fälle, denn ich konnte trotz des schummrigen Lichts erkennen, wie sie zusammenzuckte.
»Entweder bist du dümmer, als ich dachte und schaffst es nur, im Ring wie ein cleveres Kerlchen aufzutreten oder aber du hast wirklich keine Ahnung, was ich dir gerade angeboten habe!«, fauchte sie. Das kleine Bündel konnte ganz schön giftig werden, das musste ich ihr lassen. Natürlich wusste ich, welche Chance sie mir gerade geboten hatte!
Andere würden, im wahrsten Sinne des Wortes, morden für das Angebot, vor Juri Pastrow kämpfen zu dürfen. Aber wenn ich erfolgreich bestehen wollte, durfte ich keine Schwäche zeigen. Schwäche zu zeigen war tödlich in diesem Business. Und wenn ich mich nicht klar positionierte, würde Pastrow mich in kürzester Zeit zu einer seiner Marionetten gemacht haben.
»Du hast meinen Kampf gesehen?«, fragte ich daher, um Zeit zu gewinnen.
Jetzt war sie es, die mich ansah, als sei ich von allen guten Geistern verlassen. »Nein, ich rate gern wild drauf los und lade Männer dazu ein, für meinen Vater zu kämpfen«, murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Natürlich habe ich deinen Kampf gesehen! Du magst nicht so kräftig sein wie die meisten hier, aber was dir an Masse fehlt, machst du mit Beweglichkeit und genauem Taxieren deines Gegners wett. Du arbeitest präzise und achtest darauf, deinem Gegner mit Schnelligkeit das Leben schwer zu machen. Außerdem verlängerst du deinen Kampf nicht künstlich. Wenn du eine Möglichkeit siehst, den Kampf zu beenden, ergreifst du sie. Du bist kein Spieler.«
Ich war offiziell beeindruckt. Das musste man mir auch deutlich ansehen, denn auf ihrem Gesicht breitete sich auf einmal ein Grinsen aus und sie kicherte leise. »Maul gestopft, würde ich sagen!« Sie hob die Hand, winkte mir zu und wandte sich um. »Bis demnächst. Ich hoffe, du weißt wirklich, welche Chance sich dir bietet.« Dann hub sie an, zu gehen.
Ehe ich mich versah, machte ich einen Satz auf sie zu und hielt sie am Arm fest. »Warte«, bat ich leise und sie wandte den Kopf in meine Richtung. Panik stand in ihren Augen und ich ließ sie sofort los. Sofort senkte sich ihr Blick gen Boden und sie machte einige Schritte von mir weg.
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