„Der spinnt“, denken wir insgeheim. Ja, aber: Kreative Veränderungen muss es geben, ob sie nun funktionieren oder nicht. Unter bestimmten Umständen ist es nun mal nützlich, Inhalte schwer zugänglich zu machen. Und in einer runden Welt mag das quadratische Rad vielleicht sogar vorteilhaft sein. Wenn solche Räder allerdings rollen sollen, müsste die Straße umgebaut und eine treppenhafte Form berechnet werden. Kein Fall für intuitive Uranier, denn dann sind hohe Mathematik und die linke Gehirnhälfte gefordert. Vielleicht doch eher ein Fall für Saturn/Merkur.
Fast scheint es so, als sei es uns angeboren, Verschlüsse aller Art nach links zu drehen, um an ihren Inhalt zu kommen. Und dass das Rad in seiner runden Form einfach vollkommen ist, sagt der gesunde Menschenverstand bereits dem Kind, das ja bekanntlich in Ermangelung intellektueller Virtuosität nur seiner Intuition vertrauen kann. Man hat festgestellt, dass je schwieriger eine mathematische Problemaufgabe für ein begabtes Kind ist, es desto wahrscheinlicher ist, dass es mit der rechten Gehirnhälfte, also ganz intuitiv, das Problem lösen kann. Wenn Künstler sich sehnlichst wünschen, wieder wie ein Kind die Welt sehen zu können, dann gelingt das nur durch ein Zurück zur Intuition und nicht durch die im Laufe der Jahre angesammelte Gelehrsamkeit. Also von links nach rechts zurückfinden.
Was man Künstlern gerne verzeiht, wird allerdings bei allen anderen als ausgesprochen peinlich empfunden, nämlich Probleme nur noch intuitiv lösen zu wollen. Intuition sollte nie zur Kompensation eines denkfaulen Verstands verkommen, weil sie sonst ihre wunderbarste, ja, märchenhafte Zauberkraft einbüßt, nämlich die Verbündete des günstigen Augenblicks zu sein. Denn wer, wenn nicht sie, rät uns jetzt zuzugreifen, lange bevor der Verstand weiß, wie nützlich das für uns wäre. Neptun führt uns mit seinen intuitiven Gedankenflügen in Fantasiewelten, in die sich Saturn, durch unsichtbare Mächte äußerst bedroht und verschreckt, gar nicht erst hineinwagen würde.
Spinnen mag ja ganz schön sein, aber manche Hirngespinste sind zuviel des Guten. Als George W. Bush zum ersten Male mit dem russischen Präsidenten Putin zusammentraf, schwärmte er hinterher: “Ich habe ihm in die Augen gesehen, er meint es ehrlich. Wir teilen die gleichen Werte...“. War nicht Putin ehemals ein KGB-Agent, also geschult in Lüge und Täuschung und verwickelt in dubiose Machenschaften?
Soviel zur intuitiven Wahrnehmung des amerikanischen Ex-Präsidenten. Seine linke Gehirnhälfte war wohl ausgeschaltet, oder aber er traf die meisten Entscheidungen sowieso nur mit „rechts“, fern von den realen Gegebenheiten und ganz seinen Wunschfantasien hingegeben? Kein Wunder bei seinem Saturn im zwölften Haus, der lediglich zum MC ein Quadrat bildet, und einem dürftig aspektierten Löwe-Merkur, allerdings in Konjunktion zum AC, der sich vielleicht durch mentale Hochleistung besonders profilieren will. Soviel zu rechts und links bei den Männern von ganz oben.
Wenn solche Äußerungen von einer Frau kämen, dann stände die Welt Kopf: Frauen und ihre Bauchgefühle! Die können ja noch nicht mal beim Autofahren links von rechts unterscheiden, in ihrem Kopf noch weniger. Böse Zungen behaupten, sie sollten erst mal lieber zwei rechts, zwei links stricken, um ins Gleichgewicht zu kommen. Nahe am Blondinen-Witz und einer Venus-Neptun-Anima.
Ganz anders unsere tierische Mitwelt, die einen angeborenen Sinn für optimale Lösungen hat, für das Natürliche, unmittelbar Einleuchtende, das eben nur so und nicht anders sein kann. Man weiß es: intuitiv. Die Natur ist, wie man weiß, extrem konservativ. Hat sie die bestmögliche Lösung eines Problems gefunden, behält sie diese mit aller Konsequenz bei. Ist es ihr endlich gelungen, das Rätsel der Selbstreproduktion zu lösen, also das Leben zu erfinden, sichert sie dieses Wissen, macht es unumkehrbar. Darüber wacht Saturn mit der ihm eigenen Sturheit. Seine Aufgabe ist es, die optimale Lösung zu bewahren. Und wenn nun Pluto kommt und alles wandelt? Rechts in links und links in rechts? Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Davon ein andermal mehr…
Unter Designern und „Verpackungskünstlern“
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts revolutionierte das Bauhaus das Aussehen der uns umgebenden Dinge: Die Form sollte der Benutzung dienen und nicht dem Ruhme dessen, der sie entwarf. Ein Türgriff öffne die Tür und demütige nicht den Benutzer, der nicht weiß ob nach oben, nach unten, nach links, nach rechts. Das gleiche Prinzip gilt für Wasserhähne in Badewannen, besonders auf Reisen und ganz besonders auf designten Reisen, also solchen, bei denen ein imaginärer Designer mitreist, der, bevor man überhaupt am Reiseziel angekommen ist, drei Fernbedienungen über die Wohnung verstreut, jede mit 37 Tasten, sodass man 111 Möglichkeiten hat, das TV-Gerät in Gang zu setzen, um zu erfahren, was in der Welt so los ist.
Wer ist dieser Designer, fragte ich mich, als ich nach einer Woche immer noch nicht verstanden hatte, welche Hebel zusammenspielen müssen, um dem Badewasser die Temperatur zu entlocken, die ich mir erhoffte? Das kann nur ein verrückter Uranier sein, schimpfe ich vor mich hin, der einen mit seiner Originalitäts- und Profilierungssucht um den gesunden Menschenverstand bringt.
Ein enger Verwandter des Designers ist der Verpackungskünstler, der uns in abgrundtiefe Verzweiflung stürzen kann. Nur gut, dass man damit nicht alleine ist: In nur einem Jahr verletzen sich in Deutschland ca. 49.000 Verbraucher beim Öffnen der von Saturniern und Plutoniern oder einem träumenden, immerhin noch gutwilligen Neptunier hergestellten komplizierten Verpackungen. Die Versuche, mit Schraubenziehern, Messern und Zangen den Verschlüssen beizukommen, endeten häufig im Krankenhaus, weil die Verbraucher sich Schnitt- und Stichwunden, Verstauchungen und Prellungen zuzogen. Die Hitliste der Öffnungsprobleme führen Käse- und Wurstbehälter, Kaffee und Trockenhefe an. Aber auch Laschen an Konservendosen brechen ab, Eisbehältnisse eines führenden Eisherstellers sind ein Fiasko, weil der Deckel sich - zum Teufel auch: siehe Hölle (weiter unten) - nicht abheben lässt, der Fingernagel abbricht, das spitze Messer in die Hand sticht, das Wundpflaster - besonders das „Aqua protect“ - so verpackt ist, dass man verblutet, bevor man überhaupt einen Löffel Eis gegessen hat, abgesehen davon, dass dieses bereits schmilzt. Pluto zeigt hier seine sadistischen Gelüste, vielleicht hegt er auch archaische Rachegefühle gegen alle, die etwas genießen wollen oder einem vermeintlichen Kaufrausch erlegen sind, und tüftelt schadenfroh an noch öffnungsresistenteren Verpackungen.
Saturn mit seiner Gewissenhaftigkeit und seinem Sicherheitsbedürfnis, also zum Beispiel Scheren so zu verpacken, dass man sich zwar einen Finger brechen kann, die Schere aber nicht Schuld an den Verletzungen ist, sollte sich folgende Testergebnisse noch mal durch den Kopf gehen lassen: Pinch-Pull-Force-Tester prüften, wie viel Kraft ein Mensch braucht, um Laschenverpackungen zu öffnen. Das Resultat: Die Grundeinheit von Kraft betrug 11 Newton. Aber der Kraftaufwand für das Öffnen von Käseschalen beträgt bis zu 22 Newton. Fazit: 95% der Bevölkerung haben Probleme mit diesen absurden Verpackungen. Also versucht man, weil die Fingerkraft und magisches Denken nicht ausreichen und Werkzeuge gerade nicht zu Hand sind, mit seinen Zähnen die Plastikhülle zu zernagen, was einen geradewegs zum Zahnarzt führen kann. Leistungsfähigere Werkzeuge wie Bohrer und Säge könnten das gekaufte Produkt in tausend Einzelteile zerlegen, was einem - bei technischen Produkten - immerhin erspart, die unverständliche Gebrauchsanleitung zu lesen, allerdings verliert man jeglichen Garantieanspruch.
Bevor sich Designer und „Verpackungskünstler“ in der Hölle wiedersehen, üben sie schon mal in der Vorhölle das Entpacken verschweißter Verpackungen. Erst wenn ihnen das wundenfrei gelingt, empfängt sie der Designer-Gott, der so ganz anders ist als sie und die Kreationisten, also jene, die nicht unbedingt vom Affen abstammen möchten, ihn sich vorgestellt haben. Er entpuppt sich nämlich als der, der er immer war, ein gefallener Engel, der immer alles besser weiß...
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