„So weit seid ihr schon? Wollt ihr euch wirklich scheiden lassen?“
Christine ist erstaunt über die Entschiedenheit in Ollis Worten.
„Auf jeden Fall. Das Theater mache ich nicht mehr mit“, sagt er und schüttelt energisch den Kopf. „Seitdem Sybille abgereist ist, fühle ich mich wie ein neuer Mensch, so voller Energie. Ich kann endlich mal wieder lachen. Von mir aus kann sie im Urlaub bleiben. Ich werde mir eine eigene Wohnung nehmen und die Villa räumen.“
„Wo willst du denn so kurzfristig hinziehen?“, fragt Christine.
Er grinst. „Sowie ich das weiß, bin ich auch schon dort.“
Christine sieht traurig vor sich hin, denn sie denkt an Richard, der sehr still war und sogar geweint hat, als seine Eltern nach dem Gartenfest gestritten hatten. Für ihn wird es sicher schlimm.
Im Hintergrund hören sie Daniel schreien: „Mensch, Tilly. Siehst du das Tor nicht? Das ist doch groß genug. Du brauchst bestimmt eine Brille?“
Olli schaut Christine an, und beide schmunzeln.
„Da will ich mal die tapfere Tilly ablösen. Was gäbe ich für so eine Tochter. Aber leider.“
Er steht auf und geht zu Daniel.
Christine schaut ihm nachdenklich hinterher, wird aber bald aus ihren Gedanken gerissen.
Tilly schwingt sich neben sie auf die Hollywoodschaukel und sagt: „Ich weiß gar nicht, was die Männer am Fußball finden? So ein dummes Rumgerenne nach dem Ball, und das Tor trifft man kaum.“
„Danke, dass du uns Daniel abgenommen hast. Du bist ein Schatz“, sagt Christine und gibt ihrer Tochter einen Kuss.
„Was ist los? Ist etwas passiert? Du guckst so komisch“, stellt Tilly fest.
„Das weiß ich auch noch nicht. Ich bin nur etwas durcheinander.“
„Ich gehe duschen. Bei dieser Hitze Fußball zu spielen, ist nicht die Erfüllung. Aber weißt du was, vielleicht kann Daniel in einer Fußballmannschaft trainieren? Wenn es ihm so viel Spaß macht. Dann können andere mit ihm rumflitzen bis zum Abwinken.“
„Das ist eine gute Idee. Mal sehen, ob es für so kleine Jungen schon einen Verein gibt. Ich kümmere mich darum.“
Erst nach einer Stunde kommt Olli auf die Terrasse. Er ist total durchgeschwitzt.
„Daniel ist nicht müde zu bekommen. Ich habe ihm ein paar Tricks gezeigt. Da ist er noch etwas beschäftigt. Ich muss jetzt aber los. Du weißt ja, meine Mitarbeiter haben zurzeit anderes zu tun. Mach´s gut, Christine. Ich melde mich, sowie ich weitere Aufträge für dich habe.“
„Danke, Olli. Für alles“, sagt Christine und bringt ihn zum Auto. „Ich fange schon mal mit der Planung an.“
„Wir bleiben in Verbindung“, verabschiedet er sich. „Ruf einfach an, wenn du mich brauchst.“
Christine nickt. „Das werde ich tun.“
Sie freut sich über die neuen Aufträge. Ungläubig sieht sie sich die e-Mails noch einmal an. Da hat ihr Olli einen großen Gefallen getan und dazu noch tolle Neuigkeiten verkündet. Sie kann es kaum glauben. Sie denkt an Jutta und ist erstaunt, wie schnell manchmal Veränderungen in das Leben treten.
Jutta ist erleichtert, dass sie in der Agentur so freundlich aufgenommen wurde. Frau Wiehmer ist sehr lieb und Olli verständnisvoll. Sicher wird er Christine und Lydia von ihrer grenzenlosen Dummheit erzählen, aber das ist ihr egal. Sie macht sich mehr Gedanken darüber, wann sie endlich Markus treffen kann. Die Ungewissheit hält sie kaum noch aus. Wie wird er reagieren? Was wird er sagen? Fragt sie sich immer wieder und hofft, dass sie die Begegnung mit ihm bald hinter sich hat. Die Unklarheiten zwischen ihnen möchte sie so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Sie kann es kaum glauben. Markus, der Mann mit den tollen blauen Augen – vielleicht kann sie bald immer da reinschauen. Wenn doch bloß der große Druck auf ihrer Seele und das Zittern endlich nachlassen würden. Sie seufzt. Ziellos fährt sie umher, denn allein zu Hause würde sie wahnsinnig werden. Sie überlegt, was sie tun könnte. Als sie am Friedhof vorbeifährt, kommt sie zu dem Entschluss, dass ein Spaziergang an frischer Luft ihr vielleicht etwas hilft, wieder klar denken zu können.
Sie sieht schon von weitem, dass ihre Mutter am Grab steht. Herr Winkler und Markus stehen bei ihr und unterhalten sich. Jutta ist davon überzeugt, dass es keine gute Idee wäre, jetzt dort aufzutauchen. Ihre Mutter als Zeugin für die Entschuldigung bei Markus, das wird sie sich nicht antun. Das gibt nur peinliche Vorwürfe, sogar lebenslang. Sie setzt sich auf die nächste Bank und bleibt etwas hinter einer Hecke verborgen.
Ihr Herz hämmert ununterbrochen.
Sie muss aber nicht mehr lange warten. Herr Winkler und ihre Mutter verabschieden sich von Markus und gehen gemeinsam in Richtung Ausgang. Als sie außer Sichtweite sind, steht Jutta auf, atmet mehrmals tief durch und setzt sich in Bewegung. Langsam geht sie auf Markus zu, der so in Gedanken versunken ist, dass er sie nicht bemerkt.
In Jutta steigen wieder Tränen auf. Ihr wird noch einmal bewusst, wie furchtbar ihr verzweifelter Ausbruch besonders auf ihn gewirkt haben muss. Sie gibt sich einen Ruck und will alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Wenn Markus sie auslacht und sagt April, April, das wäre ihr im Moment egal. Dann wüsste sie wenigstens woran sie ist.
Ihr kommen Zweifel – vielleicht hat Olli sich mit seiner Einschätzung über Markus Gefühle für sie getäuscht. Immerhin ist Olli nur ein Mann.
Markus sieht so gut aus. Vielleicht ist er nur ein Frauenheld und sein Verhalten ihr gegenüber nur eine Masche von ihm. Ihre Gedanken springen hin und her. Am liebsten würde sie sich eine Blume vom nächstbesten Grab nehmen und die Blütenblätter auszupfen: „Er liebt mich, er liebt mich nicht .....“ Nie wieder möchte sie in so eine unangenehme Situation kommen und will eigentlich nur weit weg.
Ihre Schritte werden immer langsamer. Trotzdem bleibt ihr nicht erspart, irgendwann Markus gegenüberzustehen, denn auch der weiteste Weg ist früher oder später einmal zu Ende.
Markus ist sehr erstaunt, als er sie sieht und fragt: „Was machen Sie denn hier?“
„Ich wollte mich nur kurz entschuldigen“, begründet Jutta ihr Erscheinen und stammelt. „Wegen Freitag und so, ..... na ja .....“
Hitzewellen durchlaufen ihren Körper. Sie ist erleichtert, dass sie den ersten und schwersten Schritt geschafft hat. Das Herzrasen lässt etwas nach. Ungeduldig sieht sie Markus an. Da er nichts sagt, spricht sie einfach weiter: „Ich habe Sie ganz zufällig gesehen und dachte, ich bringe es lieber schnell hinter mich.“
Sie denkt aber: „Ich habe dich gesucht und endlich gefunden und müsste eigentlich sagen, dass ich so eine dumme Pute bin.“
Sie schluckt, zuckt mit den Schultern und schaut ihn erwartungsvoll an.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Mir tut es leid. Olli hat gesagt .....“
„Was hat Olli gesagt?“, unterbricht sie ihn.
„Na, dass Sie sowieso schon ziemlich viele Probleme haben und dass ich da .....“, weiß Markus nun nicht weiter.
Sie sehen sich in die Augen. Jutta hat das Gefühl, sie würde den Boden unter den Füßen verlieren, so sehr geht ihr sein Blick unter die Haut.
„Ich glaube, wir sollten reden. Wollen wir ein Stück gehen?“, fragt Markus. „Gegenüber im Park haben wir Ruhe.“ Schweigend verlassen sie den Friedhof. Jutta wird bewusst, dass dieser Ort nicht gerade ideal ist, für den Anfang von ..... ja ..... wovon eigentlich? Sie weiß ja noch gar nicht, wo der Spaziergang sie hinführen wird. Sie hofft so sehr, dass Markus den Freitag vergessen kann und Olli sich nicht getäuscht hat und ..... und ..... und .....
„Meine Schwiegermutter hätte heute Geburtstag gehabt“, sagt Markus, um überhaupt etwas zu sagen.
„Sie verstehen sich mit Herrn Winkler gut.“
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