Katrin Bederna
Alles wird gut?
Franziskanische Akzente
herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm
Band 30
KATRIN BEDERNA
FRANZISKANISCHE INSPIRATIONEN ZUR KLIMAKRISE
Herzlicher Dank geht an Anna-Maria Kufner, Eva Kasper und Marie-Therese Girerd für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen und an die Sponsorinnen dieses Bandes.
Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei unseren Büchern auf Folienverpackung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abruf bar.
1. Auflage 2021
© 2021 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
Umschlagfoto: Romolo Tavani/Shutterstock
Satz: Crossmediabureau, Gerolzhofen
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05649-0
978-3-429-05167-9 (PDF)
978-3-429-06536-2 (ePub)
1.Alles wird gut?
2.Franziskus, Klara und das gute Leben
Wer will schon suffizient leben?
Gerechtfertigtes Handeln?
Modelle anderen guten Lebens
Der Tausch
Was hat das mit der Klimakrise zu tun?
3.Armut und die herrin Wachstum
Franziskus sucht
Nachfolge
Fünfmal Armut
Können wir in der ökologischen Krise irgendetwas von dieser Armut lernen?
4.Gut für wen?
Auslagerung
Moral und Politik
Externalisieren in die Zukunft
5.Was fehlt, wenn die Tiere fehlen?
Zwillingskrisen
Geht es hier um uns?
Freundschaft mit den Tieren?
Von Tauben, Krähen und Dohlen, Hasen und Fischen, Lämmern, Würmern und Bienen, Falke, Fasan und Grille
Tiere wie wir?
Beste Freundinnen
6.Feuer, Wind und Wetter
Zusätzlich ein gläubiger Blick auf die Welt
Nichts Neues?
Erde und Feuer
7.Ernähren
Erdkrankheiten und Ernährung
Was kümmert mich der ethische Konsens?
Sich ernähren: gewaltsam und a-sozial
Nähren und Heilwerden
Identität
8.Unser Handeln und das Wirken Gottes
Vertrauen
Gib, dass ich tue
9.Schuld, Sünde und Buße
10.Feiern wir!
Anmerkungen
Abkürzungsverzeichnis
Zum Weiterdenken und -handeln
„Wer jünger als sechzig ist, hat gute Chancen, Zeuge der radikalen Destabilisierung des Lebens auf der Erde zu werden – massiver Ernteausfälle, apokalyptischer Brände, implodierender Volkswirtschaften, gewaltiger Überschwemmungen, Hunderter Millionen Flüchtlinge aus Gegenden, die wegen extremer Hitze oder andauernder Dürre unbewohnbar geworden sind. Wer unter dreißig ist, wird fast garantiert Zeuge all dessen sein. Wenn unser Planet uns am Herzen liegt, und mit ihm Menschen und Tiere, die darauf leben, können wir zwei Haltungen dazu einnehmen. Entweder wir hoffen weiter, dass sich die Katastrophe verhindern lässt, und werden angesichts der Trägheit der Welt nur immer frustrierter oder wütender. Oder wir akzeptieren, dass das Unheil eintreten wird, und denken neu darüber nach, was es heißt, Hoffnung zu haben.“
Jonathan Franzen, What if We Stopped Pretending? 8. 9. 2019 1
Andrà tutto bene, alles wird gut! Diese Hoffnung leuchtete im Frühjahr 2020 auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle von italienischen Balkonen. Während die Trauer um die vielen Verstorbenen wuchs, gab und gibt es doch begründete Hoffnung für die Lebenden, gemeinsam das Virus zu besiegen.
Die ökologische Krise, um die es in diesem Buch geht, ist die größere. Während diese Zeilen geschrieben werden, wird prognostiziert, gegen Ende 2021 könnte das Virus unter Kontrolle sein. Selbst wenn jedoch weltweit ab heute nur noch so viel Treibhausgas ausgestoßen würde, wie von Pflanzen wieder gebunden oder industriell der Atmosphäre entzogen werden kann, würde die Klimakrise bis Ende des Jahrhunderts immer gravierender, denn sie verstärkt sich selbst, beispielsweise weil wärmere Ozeane weniger CO 2speichern als normaltemperierte. Zudem werden die Treibhausgasemissionen der letzten Jahrzehnte noch lange ihre Wirkung entfalten. An die Corona-Pandemie werden unsere Enkelinnen und Urenkel vermutlich so denken wie wir Heutigen an die spanische Grippe. Die ökologische Krise wird hingegen das Leben vieler Generationen nach uns beeinträchtigen. Klimakrise, Artensterben und Süßwassermangel betreffen zudem alle Menschen, alle Tiere und Pflanzen und alle Landschaften. Die ökologische Krise ist folglich ungleich gewichtiger hinsichtlich der Zahl der Opfer, der Intensität der Schäden und nicht zuletzt hinsichtlich der Vielfalt der Gründe zu verzweifeln.
Alles wird gut?
Es ist spät. Vor 50 Jahren, als der Club of Rome 1972 den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, wäre noch Zeit gewesen, mit einer großen Kraftanstrengung die Überschreitungen der planetaren Grenzen zu verhindern. Vor 30 Jahren, als in Rio 1992 die United Nations Conference on Environment and Development, der sogenannte Erdgipfel, tagte und die Klimarahmenkonvention verabschiedet wurde, war der Handlungsspielraum schon deutlich kleiner. Nun ist seit dem Weltklimagipfel in Paris 2015 (der 21. Conference of Parties zur Klimarahmenkonvention, genannt COP 21) und der zeitgleichen Enzyklika Laudato si’ von Papst Franziskus wieder mehr als eine halbe Dekade verstrichen und die Treibhausgasemissionen, der Landverlust, das Artensterben nehmen zu.
Jonathan Franzen zieht aus dieser Tatsache in seinem einleitend zitierten Essay eine irritierende Konsequenz: Wir sollten der Tatsache ins Auge sehen, dass Menschen nicht zu gemeinschaftlichem vernünftigem Handeln fähig seien und der Kampf gegen die Klimakrise verloren sei. Es sei zu spät. Statt die politische und individuelle Energie in die Minderung der Erderwärmung zu investieren, sollten alle Menschen versuchen, die Lebensbedingungen von Tieren und Menschen an vielen Orten ein wenig zu verbessern und sich gegen die nahende Katastrophe zu wappnen – so lange es noch geht. Die Welt zu retten sei vermessen und illusionär.
Diese These rief breiten Widerstand hervor. 50 Jahre lang erschien die ökologische Situation den meisten Menschen nicht schlimm genug, um für eine ökologische Transformation zu kämpfen. Und nun soll sie zu schlimm sein? Richtig an Jonathan Franzens Überlegungen ist dreierlei: Erstens ist die Klimakrise so weit fortgeschritten – in der Antarktis weiter als je prognostiziert – und sind die Maßnahmen zur Eindämmung so mickrig, dass es düster aussieht. Zweitens ist Klima nicht alles. Wenn der Klimawandel gebremst sein sollte, sind das Artensterben und der Landverlust, sind Hunger und Süßwassermangel dadurch noch nicht beseitigt. Und drittens ist die Idee der Weltrettung, die mit dem Versprechen, alles werde gut, einhergeht, zu groß. Sie ist im eigentlichen Sinn eine religiöse.
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