„Gleich Sportsfreund. Schieß schon mal aufs Tor. Es ist wirklich wichtig, was wir besprechen.“
„Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll. Für eine Plüschfamilie brauche ich wenigstens eine Woche“, überlegt Christine.
„Ich werde dir helfen. Die Figuren ausstopfen und Knöpfe an die Sachen nähen kann ich auch. Und im Winter habe ich sowieso abends mehr Zeit“, bietet Tilly ihrer Mutter an. „Du musst sie nur zusammenfriemeln“, sagt Olli. „Den Versand kann ich dir abnehmen. Und falls wir unerwarteter Weise sehr viele Anfragen haben, dann hören wir uns in der Umgebung um. Ich glaube, dass bestimmt einige Frauen in Heimarbeit ein paar Stunden für dich arbeiten würden. Man muss mit der Zeit gehen und seine Angebote flächendeckend präsentieren. In dem Geschäft in der Stadt liegen deine Sachen gut, aber wer wird darauf schon aufmerksam?“
„Ich weiß. Mensch Olli, du bist ein Genie“, sagt Christine.
„Oholliii, wo bleibst duhu?“, ruft Daniel.
„Ich komme.“
„Du wolltest mir noch von Jutta erzählen, und von Sybille will ich auch das Neueste wissen“, ruft Christine ihm hinterher.
„Erst mache ich den jungen Mann müde und dann bist du wieder dran“, ruft Olli zurück.
Christine sitzt am Tisch und sieht sich immer wieder die Wünsche ihrer neuen Kunden an.
„Das ist doch toll. Du schaffst das schon. Wir helfen dir auch“, sagt Tilly.
„Wer ist wir?“, fragt Christine.
„Annika und sicher auch Jutta und Jenny, wenn mal Not an der Frau ist. Und Lydia, wenn sie eine Schreibpause einlegt. Bevor ich es vergesse, Oma hat gesagt, dass sie schon mehrmals versucht hat, Daniel ein Pony schmackhaft zu machen. Sie hat es sogar mit Cowboy und Indianer probiert. Er hat einfach kein Interesse. Wir sollten uns vielleicht etwas anderes für den Schulanfang einfallen lassen.“
„Viel Zeit haben wir nicht mehr“, sagt Christine. „Bist du so lieb und machst das Mittagessen? Wenn Olli hier schon Sport treiben muss, dann soll er auch was Anständiges zu essen bekommen. Ich möchte nicht wissen, was bei ihm auf den Tisch kommt, solange Sybille nicht da ist.“
Christine hört Olli und Daniel, die sich gegenseitig anfeuern und viel Spaß miteinander haben.
„ Für einen Jungen ist es ganz gut, wenn ab und zu ein Mann im Haus ist“ , stellt sie wehmütig fest. „Wenn doch damals alles anders gelaufen wäre, dann wäre sicher wenigstens ein Vater ihrer Kinder hier. Aber lieber allein, als mit dem falschen Mann zusammen“ , denkt sie kurz über die Väter ihrer Kinder nach.
Sie ist sehr erstaunt darüber, was Olli mit nur einer Idee erreicht hat. Woher wusste er, dass ihre Auftragslage nicht rosig ist? Sie hatte doch versucht, sich nie etwas anmerken zu lassen.
Nach einer Weile muss sie schmunzeln, denkt sie doch schon über die erste Ausführung nach. Ihr geht es genau wie Lydia, sowie die Handlung und die Personen feststehen, schreibt sich das Buch wie von selbst. Vor ihrem inneren Auge nehmen Igel und Hase bereits Gestalt an.
„In zehn Minuten können wir essen“, ruft Tilly aus der Küche.
„Ich hole mal die Männer“, sagt Christine.
Sie sieht, dass ihr Sohn sehr glücklich über das Fußballspiel ist, und auch Olli scheint es zu genießen. Sie kann nicht genau erkennen, wer von den beiden mehr Spaß hat.
„Dein Sohn hat Talent. Der spielt mich hier in Grund und Boden“, sagt Olli zu ihr.
Und schon wieder hat Daniel ein Tor geschossen und jubelt. „Hast du das gesehen Mama? Olli hat keine Ahnung.“
„Toll machst du das. Vielleicht wird aus dir mal ein berühmter Fußballer, wenn du groß bist. Jetzt wird aber erst einmal gegessen.“
Daniel ist enttäuscht. „Oh nö. Wir spielen gerade so schön.“
„Sportsfreund. Onkel Olli braucht eine Pause. Nachher musst du mir noch eine Chance geben. Einverstanden?“
„Aber wirklich!“
„Ganz wirklich“, verspricht Olli.
„Nach dem Essen erzählst du mir erst einmal die Dinge, die ich noch wissen will“, erinnert Christine ihn.
„Ja, ja. Du kommst auch noch dran. Es ist so nett von euch, mich gleich mitzuversorgen. Zu Hause ruft mich nur ab und zu mein Koch Ping zum Essen.“
„Ist er Chinese?“, fragt Tilly erstaunt.
„Seit wann hast du einen Koch?“, fragt Christine.
„Schon lange. Aber sein Pingessen ist niemals so gut, wie diese Köstlichkeit“, schwärmt er.
„Das ist doch nur Gemüsesuppe“, mault Daniel.
„Ist doch egal. Mir schmeckt es sehr gut“, sagt Olli.
„Was ist Pingessen?“, möchte Tilly wissen.
„Das ist mir klar, dass ihr so etwas Feines nicht kennt. Wenn meine Mahlzeit fertig ist, macht die Mikrowelle ping. Mehr bekomme ich nicht zustande.“
Tilly guckt ihre Mutter an und lacht laut los.
Christine sieht Olli mitleidig an.
„Das ist aber auf Dauer keine gesunde Lösung. Wenn du Zeit hast, kannst du ruhig öfter bei uns essen. Es ist immer genug da.“
Daniel strahlt. „Dann kannst du ja wieder mit mir Fußball spielen.“
Tilly verdreht die Augen. „Du hast wohl nur noch Fußball im Kopf?“
„Jaha“, nickt Daniel kräftig.
„Nun erzähl mir doch endlich, was es bei Jutta Neues gibt“, drängelt Christine. „Sonst platze ich noch vor Ungeduld.“
„Komm, kleiner Bruder“, sagt Tilly. „Wir räumen den Tisch ab. Danach opfere ich mich und spiele mit dir Fußball. Sonst platzt Mama wirklich noch, weil ihre Neugier nicht befriedigt wird, und wir müssen sie nachher zusammenkehren.“
Sowie die Kinder verschwunden sind, sieht Christine Olli erwartungsvoll an.
„Nun spann mich doch nicht so auf die Folter.“
„Ist ja schon gut. Also, Tom hat die Auflösungsvereinbarung unterschrieben und ist nicht mehr mein Partner.“
„Olli, das weiß ich schon“, unterbricht sie ihn vorwurfsvoll und knufft ihn in die Seite.
„Seit wann bist du so brutal?“, fragt er und reibt sich lächelnd die vermeintlich schmerzende Stelle.
Christine reißt ihre Augen auf und schnaubt wie ein verärgerter Stier.
Er strahlt sie an und sagt: „Diese Seite kenne ich noch gar nicht an dir.“
„Wenn du nicht sofort weitererzählst, lernst du mich noch ganz anders kennen“, sagt sie.
„Also, äh. Wo war ich eigentlich stehengeblieben?“
„Olli!“
„Ach ja. Nun könnte es in der Agentur endlich so richtig losgehen. Leider werden mir Markus und Jutta in nächster Zeit keine große Hilfe sein. Du machst dir keine Vorstellungen, was mit denen passiert ist.“
Er schüttelt den Kopf und schaut Christine ernst an. Dann greift er nach seinem Glas und trinkt in aller Ruhe.
„Und wieso nicht? Mensch, Olli. Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen“, schimpft Christine.
„Ach, das weißt du wohl noch gar nicht? Unsere gute alte Freundin Jutta hat sich über beide Ohren in Markus verliebt .....“
„Was? Das kann ich nicht glauben.“
Er sieht Christine schelmisch an und sagt: „Nun unterbrich mich doch nicht ständig. Ich denke, du willst wissen, wie es weitergeht. Also, unsere Freundin Jutta gehört zu den Frauen, für die verheiratete Männer tabu sind. Deshalb hat sie still gelitten – wie ein Hund. Statt mich einfach zu fragen, wie es um die Ehe von Markus steht. Das hätte ich ihr doch brühwarm erzählen können. Den Nervenzusammenbruch hätte sie sich wirklich sparen können.“
„Es ist doch gut, wenn sie sich an ihre Prinzipien hält. Mit einem verheirateten Mann ein Verhältnis einzugehen, ist nicht gerade die Lösung. Das gibt Probleme ohne Ende“, sagt Christine ernst. „Ich freue mich für Jutta. Hoffentlich hat sie dieses Mal Glück.“
„So wie Markus sie anhimmelt, beruht das voll auf Gegenseitigkeit. Beneidenswert die beiden. Wenn ich meine Scheidung hinter mir habe, hoffe ich auch auf so ein Glück.“
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