„Ja. Aber woher kennen Sie ihn?“, fragt Markus erstaunt.
„Das ist eine Geschichte für sich und eigentlich der Anfang von .....“
Sie wird schon wieder rot.
„Von .....?“, fragt Markus.
„Na ja. Ich komme mir so dumm vor“, antwortet sie.
„Ach ja. Reden Sie nur weiter. Ich glaube, es wird gerade interessant“, sieht Markus sie amüsiert an.
Jutta wird bewusst, dass sie unterdessen dunkelrot geworden ist. Sie erzählt schnell weiter. „Herr Winkler hat mich in meiner Wohnung besucht und um Erlaubnis gebeten, mit meiner Mutter Kontakt haben zu dürfen. Er hätte da wohl Probleme mit seiner Tochter und wollte mit mir nicht auch noch welche. Ich fand das ungewöhnlich. Er ist ein sehr netter Mann. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass Sie sein Schwiegersohn sind. Das habe ich erst gestern Abend erfahren, als Janek bei uns war und ihn zufällig getroffen hat. Dann konnte sogar ich irgendwann drei und drei zusammenzählen und wusste endlich, dass Sie von Ihrer Frau getrennt sind.“
Jutta kommt ins Stocken. Sie kann Markus nicht ansehen, denn mit ihm über seine Frau zu reden, ist ihr unangenehm.
„Da muss ich meinem Schwiegervater sehr dankbar sein. Ich wusste einfach nicht, wie ich dir klarmachen soll, dass du eine tolle Frau bist. Schon als du das erste Mal in die Agentur kamst, dachte ich: `Wow, das ist sie´. Das ganze Wochenende habe ich krampfhaft überlegt, was ich für dich tun könnte, wollte dich aber mit meiner Anwesenheit nicht noch einmal konfrontieren. Ich konnte mich doch nicht einfach bei dir vorstellen: `Hallo, ich bin Markus, getrennt lebend. Es steht also nichts zwischen uns.´“
Ihre Gedanken überschlagen sich. „Sollte es wirklich wahr sein? Habe ich ihn richtig verstanden? Er findet mich toll?“
Sie sieht ihm direkt in die Augen und sagt: „Es tut mir alles so leid. Aber ein verheirateter Mann kommt für mich nicht in Frage, und ich konnte dich einfach nicht ansehen –so nah und doch unerreichbar, das haben meine Nerven nicht ausgehalten.“
Er strahlt sie an.
Jutta schmilzt dahin. Sie hat den Eindruck, in einen tiefen Strudel gerissen zu werden und fleht: „Bitte, lieber Gott. Lass dieses Gefühl niemals enden.“
Sie sind beide sehr erleichtert, dass das Missverständnis zwischen ihnen aufgeklärt ist und die entscheidenden Worte ausgesprochen sind.
„Und was machen wir nun?“, fragt er.
„Ich weiß es nicht“, antwortet sie.
Es ist ihr ziemlich peinlich, dass sie schon wieder rot wird. Am liebsten würde sie ihn um eine Verschnaufpause bitten, damit sie die tollen Gefühle, die sie überkommen, erst einmal in Ruhe genießen kann. Sie hofft, dieses Chaos in ihrem Kopf bald in den Griff zu bekommen, um dann das Verliebtsein einfach nur genießen zu können. Das erste Mal in ihrem Leben empfindet sie solche Gefühle und ist einfach nur überwältigt. Aber eigentlich möchte sie Markus nicht so schnell wieder verlassen.
„Was hältst du davon, wenn wir noch einmal neu anfangen?“, fragt er. „Heute Abend, neunzehn Uhr?“
Er braucht jetzt unbedingt etwas Zeit, um die neue Situation zu überdenken, das unbeschreibliche Durcheinander seiner Gefühle zu genießen und sich auf den Abend zu freuen. Er hofft, dass er in Jutta endlich die Frau fürs Leben gefunden hat und für immer und ewig mit ihr zusammen sein kann. Bis an sein Lebensende eben, auch wenn er das immer für kitschig gehalten hat.
„Kommst du zu mir?“, fragt sie.
„Gern.“
Sie gehen zum Parkplatz. Als sie an Juttas Auto angekommen sind, nimmt Markus sie in die Arme und küsst sie leicht auf die Wange.
„Bis nachher“, sagt er. „Ich freue mich.“
„Ich mich auch“, antwortet sie und strahlt ihn an.
Olli ist nach dem schönen Vormittag zurück ins Büro gefahren. Er ist glücklich, wie schon lange nicht mehr.
„Frau Wiehmer, kochen Sie uns doch bitte einen Kaffee und holen etwas ganz Leckeres beim Bäcker. Wir sind ja nur der klägliche Rest hier, der das Schiff vor dem Untergang bewahren muss. Was man nicht alles tut, um dem jungen Glück nicht im Weg zu stehen.“
„Wie meinen Sie das?“, fragt sie. „Ist Ihre Frau zurück?“
Ollis Miene verfinstert sich und er antwortet: „Um Gottes Willen, nein. Sie werden aber bald erfahren, wen es erwischt hat.“
Unterdessen klingelt das Telefon. Er gibt Frau Wiehmer ein Zeichen, dass er gleich selbst rangeht.
„Werbeagentur Wagner“, meldet er sich.
„Oliver, hier bin ich“, vernimmt er Sybilles Stimme.
Seine gute Laune schwindet.
„Was gibt’s?“, fragt er unfreundlich.
„Ich habe ein Problem.“
„Das ist nichts Neues. Ich habe wegen dir und deinem Paps gleich mehrere.“
„Darum geht es jetzt nicht. Richard ist krank.“
„Was hat er?“, fragt Olli besorgt.
„Er isst kaum noch etwas, ist oft apathisch, seit gestern hat er Fieber und manchmal bekommt er Weinkrämpfe. Ich mache mir langsam Sorgen. Würdest du herkommen? Bitte“, fleht sie ihn an.
„Warum rufst du erst jetzt an? Vor morgen Abend werde ich nicht da sein können. So schnell geht das nicht. Kann ich mit ihm sprechen?“
„Ja, natürlich.“
„Papa?“, hört er Richards klägliche Stimme.
„Was ist denn los, mein Kleiner?“
„Ich bin krank“, flüstert Richard. „Mir tut alles weh.“
„Weißt du was, mein Großer, ich setze mich gleich ins Auto und dann komme ich zu dir“, sagt Olli aufgewühlt.
„Papa, bitte. Ich will nach Hause“, bettelt Richard.
„Schlaf ein bisschen und iss etwas .....“, weiter kommt Olli nicht, denn Sybille ist wieder am Apparat.
„Es wäre schön, wenn du dich etwas beeilst. Die Kinder warten auf dich“, hört er sie unfreundlich sagen.
„Darauf kannst du dich verlassen, dass ich mich so schnell wie möglich auf den Weg mache“, sagt er wütend. „Und halte Richard von deinem Vater fern. Ich möchte nicht wissen, was er schon wieder alles von ihm verlangt hat.“
Er legt einfach auf.
„Ich muss sofort nach Südfrankreich, meine Jungs abholen“, informiert er Frau Wiehmer. „Man darf wirklich nicht mal kurz glücklich sein. Ihr zwei Mädels könnt die Torte allein essen. Grit, für dich habe ich eine Aufgabe. Lass dir ein neues Logo für uns einfallen. Von mir aus auch etwas Ausgeflipptes. Visitenkarten und Briefbögen müssen neu gestaltet werden. Vielleicht schaffe ich es, in drei Tagen zurück zu sein. Markus müsste auch bald wieder hier auftauchen. Er wird mich so lange vertreten.“
Bei dem Gedanken an Markus und Jutta muss er wehmütig lächeln. Mit denen würde er am liebsten sofort tauschen. „Dann brauche ich dringend ein Kindermädchen. Frau Wiehmer, würden Sie sich bitte darum kümmern?“
„Ja, ja. Wir kümmern uns hier um alles. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Und fahren Sie nicht so schnell. Die Jungs brauchen Sie noch“, ermahnt sie ihn.
„Ja, ich weiß.“
Er sieht nur noch kurz nach den letzten e-Mails und checkt die Auftragslage für Christine.
„Na, wer hätte das gedacht?“, sagt er und druckt die nächsten Anfragen aus. „Und das alles erst seit Freitag.“
Im Flur verabschiedet er sich von Grit und Frau Wiehmer.
„Ich fahre jetzt los. Sagt allen, die etwas wollen, ab Montag ist hier volles Haus. Dann weht ein anderer Wind.“
Er fährt schnell nach Hause und packt ein paar Sachen ein. Aus dem Kinderzimmer holt er noch zwei große Plüschtiere und ein paar Kinder-CDs, damit die Jungs auf der langen Rückfahrt etwas zum Kuscheln und ein bisschen Unterhaltung haben. Eins steht für ihn schon jetzt fest, er lässt die Kleinen keine Minute länger als nötig bei Sybille. Er wirft einen letzten Blick ins Haus, schließt ab und fährt zu Christine.
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