„Dafür seid ihr noch viel zu klein. Außerdem fahren wir doch bald in den Urlaub ans Meer. Da kann kein Hund mit“, erklärt Olli seinen Söhnen.
„Warum nicht?“, fragt Richard.
„Weil es eine lange Reise wird. Im Urlaub ist es viel zu heiß für einen Hund, und in einem Hotel fühlt er sich nicht wohl. Wir fahren aber bald wieder auf den Reiterhof, dann könnt ihr reiten und mit dem großen Hund spielen“, tröstet Olli seine traurig guckenden Jungs.
„Versprochen?“, fragt Richard.
„Verbrochen?“, fragt Bertram.
„Großes Indianerehrenwort“, sagt Olli und hebt eine Hand.
„Juhu“, freuen sie sich und laufen zum nächsten Baum, um ihre Kletterkünste zu zeigen. Olli geht ihnen nach und passt auf, damit sie nicht abstürzen.
„Wie hat es dir gefallen?“, fragt Jutta ihre Tochter.
„Diese Überraschung ist euch gelungen“, sagt sie begeistert. „Ich muss unbedingt mein Fahrrad bei Papa holen. Dann könnte ich öfter zum Reiterhof fahren. Außerdem habe ich Janek aus meiner Klasse getroffen. Der reitet schon Turniere. Das sah richtig professionell aus, wie im Fernsehen.“
Jutta ist froh, dass sich Jennys Laune gebessert hat.
„Du kannst von Oma ein Fahrrad haben“, sagt sie zu ihr.
„Das ist doch sicher ein uraltes Ding, oder?“ fragt Jenny. Jutta nickt.
Jenny schüttelt den Kopf und sagt: „Nein, das kann ich nicht nehmen. Das wird mir doch gestohlen, so antik und wertvoll wie das ist. Wie soll ich das dann Oma erklären?“
„Jenny, hilfst du mir beim Abendessen?“, fragt Tilly.
„Klar. Ich muss dich auch dringend etwas fragen“, sagt sie aufgeregt.
Kurze Zeit später kommt Daniel ausgehungert angeflitzt, gerade pünktlich, als Tilly einen Riesenauflauf auf den Tisch wuchtet und sagt: „Essen ist fertig.“
Jenny verteilt die Teller und das Besteck.
„Wie machst du das nur?“, fragt Lydia und schaut anerkennend in die Pfanne. „Das sieht nicht nur lecker aus, es riecht auch so.“
„Das habe ich dir doch schon einmal erklärt. Einfach alles in einen Topf, gut umrühren und dann im Ofen überbacken – fertig“, lacht Tilly in die Runde.
Sie ist stolz darauf, dass ihre Bemühungen in der Küche immer wieder Bewunderung finden.
„Wisst ihr schon, dass auf dem Reiterhof ein großes Weihnachtsfest geplant ist?“, fragt Jenny. „Alle Kinder dürfen mitmachen. Hoffentlich habe ich bis dahin reiten gelernt und blamiere mich nicht. Mama, du musst zugucken kommen und Oma – na, erst mal abwarten.“
„Und bevor ich es vergesse“, sagt Tilly. „Lydia. Du bist bitte so lieb und schreibst uns ein kleines Theaterstück. Vielleicht ein Märchen, damit die Knirpse auch verstehen, worum es geht.“
„Wie lange gibst du mir Zeit?“
„Bis September. Wäre das okay? Du bist dann auch unser Ehrengast.“
„Da fühle ich mich jetzt schon geehrt“, sagt Lydia.
„Dürfen wir auch zusehen?“ fragt Richard.
„Sicher. Alle dürfen kommen“, sagt Tilly. „Das wird dieses Jahr ein tolles Weihnachtsfest.“
Bertram klatscht in seine Hände. „Au fein. Ich reite auf dem droßen Hund und fahre mit die Dudsche.“
Der Kleine sitzt auf Ollis Schoß. Ihm fallen vor Erschöpfung fast die Augen zu. Hunger hat er nach dem großen Stück Kirschkuchen von Oma Hedwig nicht mehr.
„Ich werde die Jungs in Daniels Zimmer bringen“, sagt Christine zu Olli. „Sie können diese Nacht ruhig hier schlafen, und du holst sie morgen ab. Auf ein Kind mehr oder weniger kommt es in seiner Räuberhöhle auch nicht an.“
„Danke“, sagt Olli. „Wenn die Jungs ein Weilchen schlafen, reicht das sicher. Ich weiß ja nicht, wann Sybille zurück sein wird. Aber wenn, dann sollten sie schon zu Hause ordentlich in ihren Betten liegen.“
„Seid ihr alle satt?“, fragt Christine, nachdem alle ihre Teller restlos leergeputzt haben. Sie erntet ein zufriedenes Nicken. „Dann räume ich ab, und wir können zum gemütlichen Teil übergehen. Jungs, kommt. Ihr dürft bei Daniel schlafen.“
„Au fein“, jauchzt Bertram. „Dani, ich schlafe auch in deiner Heule. Huuuuhuu.“
„Ich auch“, sagt Richard.
„Ich helfe mit“, bietet Jenny an und steht auf. Sie nimmt sich einen Stapel Teller und geht in die Küche.
„Sie fühlt sich hier schon wie zu Hause“, sagt Jutta erstaunt.
„Wer nicht?“, fragt Olli.
„Ihr erzählt doch heute wieder von früher, oder?“, fragt Tilly. „Das wurde mir beim letzten Mal versprochen.“
„Nicht so ungeduldig, junges Fräulein“, grinst Olli sie an. Er holt unter dem Tisch einen Beutel hervor, in dem es laut klimpert. „Erst wird hier etwas Platz geschaffen. Christine, bring bitte ein paar große Gläser mit raus.“ Er zwinkert den Mädchen zu. „Der liebe Onkel Olli hat Wein mitgebracht und für euch zwei Küken sogar Gänsewein.“
„Prima. Dann können wir ja die ganze Nacht schnattern“, sagt Tilly.
Als alle in gemütlicher Runde zusammensitzen, erzählt Olli: „Ich habe euch noch gar nicht sagen können, dass ich mit der Annegret gesprochen habe. Unser Klassentreffen ist in Planung. Nächstes Jahr wird die Party steigen. Es ist also noch genug Zeit zur Vorbereitung.“
„Nun erzählt doch endlich ein paar Streiche aus eurer Schulzeit“, bettelt Tilly.
„Ich weiß überhaupt nichts aus dieser Zeit“, stellt Jenny fest.
„Da wirst du aber staunen, wie vorbildlich deine Mama früher war. Wir können richtig etwas lernen“, sagt Tilly zu ihr.
„Erinnert ihr euch noch an die Lusche? Wie der uns im Sportunterricht gejagt hat“, beginnt Olli.
„Meinst du den Herrn Lüscher?“, fragt Tilly. „Der ist immer noch an der Schule. Zum Glück darf er nur die Jungs stressen. Wir Mädchen haben eine junge Lehrerin.“
„Ja. Der gute Herr Lüscher“, sagt Jutta. „Der hatte doch die dickeren Kinder alle auf dem Kieker. `Habt euch nicht so und strengt euch etwas an. Zum Essen muss euch doch auch niemand scheuchen´, stellte er immer fest. Das war vielleicht peinlich, bis sich die Mutter von dem dicken Evchen mal beschwert hat.“
„Aber den Vogel hat Olli mit seinen Ausreden abgeschossen“, sagt Christine.
„Das waren gar nicht meine Ausreden. Die Lydia hat sich die immer alle ausgedacht. Ich konnte da gar nichts dafür“, sagt er unschuldig blickend. „Aber nun lasst uns erst einmal anstoßen. Ich habe unseren hochwohlgeborenen Weinkeller geplündert. Löscht euren Durst, es ist genug da.
Und bevor ich es vergesse. Jenny, wenn du möchtest, kannst du ein nagelneues Fahrrad haben. Das langweilt sich seit Jahren bei uns im Keller. Sicher quietscht das die ersten hundert Kilometer, bevor es eingefahren ist. Aber mit einer Kanne Öl kannst du sicher Abhilfe schaffen. Meine Frau ist sich zu fein zum Radfahren. Muss sie ja auch nicht, wenn Paps ihr zum Geburtstag öfter mal ein Cabrio schenkt.“
Jenny ist begeistert. „Wirklich. Das wäre ja prima. Dann kann ich mein altes bei Papa lassen und dort damit fahren.“
„Nun warte erst mal ab. Olli muss vorher Sybille fragen“, sagt Jutta.
„Muss ich gar nicht. Die Zeiten sind nämlich vorbei. Ich verschachere jetzt alles, dann müssen wir uns bei der Teilung nicht streiten. Ha, ha, ha .....“, lacht er über seinen Witz. „Prost, Mädels.“ Er leert sein Glas in einem Zug und gießt nach. „Ihr trinkt ja gar nicht. Schmeckt es euch nicht? Soll ich eine andere Flasche aufmachen?“
„Nein, danke. Wir genießen den guten Wein“, sagt Jutta.
„Na denn, Prost“, ruft Olli und hat schon wieder sein Glas ausgetrunken.
„Junge, mach langsam“, sagt Lydia.
„Das sagt meine Frau auch oft zu mir. Hi, hi, hi .....“, kichert er.
Tilly und Jenny sehen sich an und grinsen.
„Der Olli hatte es früh nie eilig, in die Schule zu kommen. Das heißt, er kam oft zu spät“, erzählt Lydia. „Damit er eine Begründung hat, habe ich mir so manche Ausrede für ihn einfallen lassen. Das war schon die denkerische Vorarbeit für meinen jetzigen Beruf. Den größten Teil habe ich schon verarbeitet.“
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